Die neue ideologische Spaltung
03.07.2010 | Peter Schiff
Trotz der scheinbar solidarischen Haltung hinsichtlich budgetärer Kürzungen, wie sie sich auf dem G20-Treffen zeigte, scheint dennoch klar, dass sich die großen Mächte der industrialisierten Welt seit dem Ende des Kalten Krieges noch nie so stark in ihren Grundhaltungen entfernt haben. Dass die ehemaligen Krieger in diesem neuen Wettbewerb die Rollen getauscht haben, ist schon Ironie der Geschichte - die Kapitalisten sind jetzt die Sozialisten und umgekehrt.
Wir werden gerade Zeugen eines Kampfes zwischen zwei gegnerischen Lagern, die ich spielerisch die "Stimulatoren" und die "Austerianer" nenne. Beide Seiten warnen vor einer weltweiten Depression, sollten Staaten und Regierungen jetzt die falschen Entscheidungen treffen: Die Stimulatoren meinen, die Gefahr liege im Zu-wenig-ausgeben, die Austerianer sehen die Gefahr im Zu-viel-ausgeben. Jede Seite hat ihre eigenen Vorkämpfer: Die Stimulatoren folgen dem Banner des Nobelpreisträgers für Wirtschaft Paul Krugman, während sich die Austerianer hinter dem jüngst bekehrten Fed Chairman Alan Greenspan sammeln. (Es ist ein schwacher Trost zu sehen, dass der "Maestro" nachträglich wieder zu Hartgeld-Positionen zurückkehrt, die er in seinen frühen Jahre vertrat.)
In einem jüngst erschienenen Leitartikel des Wall Street Journals gibt Greenspan Folgendes zu bedenken: Der beste Wirtschaftstimulus für die weltgrößten Schuldnernationen (die USA, Großbritannien, Japan, Italien etc.) wäre die Eindämmung der Haushaltsdefizite - eine Strategie, die von Presse der mit "Austerität" betitelt wurde. Greenspan erklärt, niedrigere Defizite würden das Vertrauen wiederherstellen, die Inflationsängste verringern und den Zufluss von Ersparnissen in den privaten Sektor zu Investitionszwecken ermöglichen (und nicht zu Konsumzwecken in den öffentlichen Sektor). Kurzfristige Schieflagen und Verluste würden mittel- wie langfristig zu Gewinnen führen. Anstatt den schrumpfenden Kuchen aufzuteilen, soll sich der Kuchen bei diesem Ansatz vermehren. Greenspans Ansichten der Sparsamkeit und Zurückhaltung fanden starken Widerhall in den höchsten Politikerkreisen Berlins, Ottawas, Moskaus, Pekings und Canberras.
Unterdessen erschienen verschiedene Artikel in Paul Krugmans New-York-Times-Kolumne (unter anderem auch heute), in denen er behauptet, diejenigen, die sich angesichts einer Rezession für Austeriätsmaßnahmen stark machten, würden dies nur aus politischer Berechnung oder aus einer Art "verrückten" Treue zu archaischen ökonomischen Ansichten tun. Es sieht ganz so aus, als erachte Krugman die von den USA und europäischen Staaten unternommenen Defizitfinanzierungen der letzten 24 Monate, die sich auf mehrere Billionen Dollar belaufen, immer noch als unzureichend. Er glaubt, die einzige Lösung seien weitere Mehrausgaben - ganz gleich, was mit der Verschuldung passiert. Ohne solche Maßnahmen, behauptet er, würden Millionen Arbeiter "nie wieder Arbeit finden". Leider hat sich Washington ganz klar bei Krugman und den Stimulatoren eingereiht.
Krugman argumentiert streng keynesianisch: Werden die staatlichen Ausgaben jetzt zurückfahren, schickt man die Wirtschaft einfach nur zurück in die Rezession. Er nimmt an, die Verbraucher könnten von staatlicher Seite zum Geldausgeben bewegt werden, indem die Regierungen die Wirtschaft mit Geld (sprich "Stimuli") fluten. Sobald die Ausgaben für bessere Bedingungen gesorgt haben, so seine Argumentation, wird sich die Wirtschaft in einer besseren Position befinden, Ausgabeeinschnitte, Steuererhöhungen und höhere Zinssätze zu verkraften, die dann wichtig und notwendig sind, um die verbleibenden, erdrückenden Defizite anzugehen.
Krugman bringt ein verlockendes Argument, das nichtsdestotrotz auf großen Unsinn basiert. Wirtschaften wachsen nicht, weil die Verbraucher Geld ausgeben; Verbraucher geben Geld aus, weil die Wirtschaften wachsen (für eine detaillierte Erklärung der Funktionsweise lesen Sie mein zuletzt erschienenes Buch: How an Economy Grows). Investitionskapital stammt aus Ersparnissen und wenn Regierungen Geld leihen, werden Ersparnisse von Privatinvestitionen weggeleitet. Auch Regierungen hätten die Möglichkeit zu investieren, dieses Geld wird jedoch aller Wahrscheinlichkeit nach viel eher für bestimmte Leistungsansprüche ausgegeben oder aber in Projekte "investiert", die politisch vorteilhaft sind - aus ökonomischer Sicht jedoch nutzlos.
All das Geld, das Regierungen ausgeben, ist für den privaten Sektor zu Investitionszwecken nicht verfügbar. Die Stimulatoren sehen diesen Zusammenhang nicht, denn sie glauben, Geld wächst auf Bäumen und die Druckerpresse sei ein legitimer Vermögensschöpfer. Doch Gelddrucken regt die Menschen nur dazu an, ihre Ersparnisse lieber jetzt auszugeben, bevor es seinen Wert durch Inflation verliert. Für die Stimulatoren ist das Ok, denn “Nachfragestimulierung“ egal mit welchen Mittel ist das einzige Ziel vor ihren Augen.
In Wirklichkeit wächst die Wirtschaft nicht durch mehr Nachfrage, sondern durch mehr Angebot (was auch in meinem Buch erklärt wird). Die Austerianer haben folgendes Argument: Die Senkung staatlicher Ausgaben wird es dem Privatsektor ermöglichen, das zusätzliche Angebot an Gütern und Dienstleistungen zu generieren. Europa scheint das verstanden zu haben, die USA leider nicht. Der jüngsten Dollarschwäche nach zu urteilen (nicht gegenüber Gold, sondern gegenüber Fiat-Währungen - einschließlich Pfund und Euro), scheinen die Märkte zum selben Schluss zu kommen.
Als die Staatsverschuldungsprobleme anfänglich in ganz Europa die Runde machten, konnte der Dollar davon profitieren. Jetzt aber, da Europa seinen Willen zu Schuldensenkung demonstriert hat - während wir fest entschlossen sind, sie noch weiter aufzustocken - werden die Staatsverschuldungsprobleme westwärts wandern.
Wenn Greenspan und die Austerianer richtig liegen, dann wird der Stimulus scheitern und uns in einem noch tieferen Loch zurücklassen. Solange Regierungen wachsende Haushaltsdefizite einfahren, wird es bei uns nie zu einer nachhaltigen Erholung kommen. Stattdessen werden wir unserem eigenen Schwanz hinterherjagen und uns dabei selbst erschöpfen. Und wenn wir schließlich den Wahnwitz dieses Ansatzes begreifen, wird man anschließend Austeritätsmaßnahmen erzwingen müssen, gegen welche die aktuell in Europa angestrebten Maßnahmen einen vergleichsweise harmlosen Eindruck machen werden.
Ich gehe davon aus, dass unsere stimulusgetragene Erholung noch vor Jahresende ins Stocken kommt. Die Stimulatoren werden am Ende aber keine andere Antwort haben. Mit Blick auf die negativen Folgewirkungen an Währungs- und Schuldenmärkten wird dieser nächste Schock schließlich den Austerianern Recht geben, denn die Welt wird erleben, wie ihre größte Macht in die inflationäre Depression schlittert.
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© Peter Schiff
www.europac.net
Dieser Artikel erschien am 28.06.2010 auf www.safehaven.com und wurde exklusiv für GoldSeiten übersetzt.
Wir werden gerade Zeugen eines Kampfes zwischen zwei gegnerischen Lagern, die ich spielerisch die "Stimulatoren" und die "Austerianer" nenne. Beide Seiten warnen vor einer weltweiten Depression, sollten Staaten und Regierungen jetzt die falschen Entscheidungen treffen: Die Stimulatoren meinen, die Gefahr liege im Zu-wenig-ausgeben, die Austerianer sehen die Gefahr im Zu-viel-ausgeben. Jede Seite hat ihre eigenen Vorkämpfer: Die Stimulatoren folgen dem Banner des Nobelpreisträgers für Wirtschaft Paul Krugman, während sich die Austerianer hinter dem jüngst bekehrten Fed Chairman Alan Greenspan sammeln. (Es ist ein schwacher Trost zu sehen, dass der "Maestro" nachträglich wieder zu Hartgeld-Positionen zurückkehrt, die er in seinen frühen Jahre vertrat.)
In einem jüngst erschienenen Leitartikel des Wall Street Journals gibt Greenspan Folgendes zu bedenken: Der beste Wirtschaftstimulus für die weltgrößten Schuldnernationen (die USA, Großbritannien, Japan, Italien etc.) wäre die Eindämmung der Haushaltsdefizite - eine Strategie, die von Presse der mit "Austerität" betitelt wurde. Greenspan erklärt, niedrigere Defizite würden das Vertrauen wiederherstellen, die Inflationsängste verringern und den Zufluss von Ersparnissen in den privaten Sektor zu Investitionszwecken ermöglichen (und nicht zu Konsumzwecken in den öffentlichen Sektor). Kurzfristige Schieflagen und Verluste würden mittel- wie langfristig zu Gewinnen führen. Anstatt den schrumpfenden Kuchen aufzuteilen, soll sich der Kuchen bei diesem Ansatz vermehren. Greenspans Ansichten der Sparsamkeit und Zurückhaltung fanden starken Widerhall in den höchsten Politikerkreisen Berlins, Ottawas, Moskaus, Pekings und Canberras.
Unterdessen erschienen verschiedene Artikel in Paul Krugmans New-York-Times-Kolumne (unter anderem auch heute), in denen er behauptet, diejenigen, die sich angesichts einer Rezession für Austeriätsmaßnahmen stark machten, würden dies nur aus politischer Berechnung oder aus einer Art "verrückten" Treue zu archaischen ökonomischen Ansichten tun. Es sieht ganz so aus, als erachte Krugman die von den USA und europäischen Staaten unternommenen Defizitfinanzierungen der letzten 24 Monate, die sich auf mehrere Billionen Dollar belaufen, immer noch als unzureichend. Er glaubt, die einzige Lösung seien weitere Mehrausgaben - ganz gleich, was mit der Verschuldung passiert. Ohne solche Maßnahmen, behauptet er, würden Millionen Arbeiter "nie wieder Arbeit finden". Leider hat sich Washington ganz klar bei Krugman und den Stimulatoren eingereiht.
Krugman argumentiert streng keynesianisch: Werden die staatlichen Ausgaben jetzt zurückfahren, schickt man die Wirtschaft einfach nur zurück in die Rezession. Er nimmt an, die Verbraucher könnten von staatlicher Seite zum Geldausgeben bewegt werden, indem die Regierungen die Wirtschaft mit Geld (sprich "Stimuli") fluten. Sobald die Ausgaben für bessere Bedingungen gesorgt haben, so seine Argumentation, wird sich die Wirtschaft in einer besseren Position befinden, Ausgabeeinschnitte, Steuererhöhungen und höhere Zinssätze zu verkraften, die dann wichtig und notwendig sind, um die verbleibenden, erdrückenden Defizite anzugehen.
Krugman bringt ein verlockendes Argument, das nichtsdestotrotz auf großen Unsinn basiert. Wirtschaften wachsen nicht, weil die Verbraucher Geld ausgeben; Verbraucher geben Geld aus, weil die Wirtschaften wachsen (für eine detaillierte Erklärung der Funktionsweise lesen Sie mein zuletzt erschienenes Buch: How an Economy Grows). Investitionskapital stammt aus Ersparnissen und wenn Regierungen Geld leihen, werden Ersparnisse von Privatinvestitionen weggeleitet. Auch Regierungen hätten die Möglichkeit zu investieren, dieses Geld wird jedoch aller Wahrscheinlichkeit nach viel eher für bestimmte Leistungsansprüche ausgegeben oder aber in Projekte "investiert", die politisch vorteilhaft sind - aus ökonomischer Sicht jedoch nutzlos.
All das Geld, das Regierungen ausgeben, ist für den privaten Sektor zu Investitionszwecken nicht verfügbar. Die Stimulatoren sehen diesen Zusammenhang nicht, denn sie glauben, Geld wächst auf Bäumen und die Druckerpresse sei ein legitimer Vermögensschöpfer. Doch Gelddrucken regt die Menschen nur dazu an, ihre Ersparnisse lieber jetzt auszugeben, bevor es seinen Wert durch Inflation verliert. Für die Stimulatoren ist das Ok, denn “Nachfragestimulierung“ egal mit welchen Mittel ist das einzige Ziel vor ihren Augen.
In Wirklichkeit wächst die Wirtschaft nicht durch mehr Nachfrage, sondern durch mehr Angebot (was auch in meinem Buch erklärt wird). Die Austerianer haben folgendes Argument: Die Senkung staatlicher Ausgaben wird es dem Privatsektor ermöglichen, das zusätzliche Angebot an Gütern und Dienstleistungen zu generieren. Europa scheint das verstanden zu haben, die USA leider nicht. Der jüngsten Dollarschwäche nach zu urteilen (nicht gegenüber Gold, sondern gegenüber Fiat-Währungen - einschließlich Pfund und Euro), scheinen die Märkte zum selben Schluss zu kommen.
Als die Staatsverschuldungsprobleme anfänglich in ganz Europa die Runde machten, konnte der Dollar davon profitieren. Jetzt aber, da Europa seinen Willen zu Schuldensenkung demonstriert hat - während wir fest entschlossen sind, sie noch weiter aufzustocken - werden die Staatsverschuldungsprobleme westwärts wandern.
Wenn Greenspan und die Austerianer richtig liegen, dann wird der Stimulus scheitern und uns in einem noch tieferen Loch zurücklassen. Solange Regierungen wachsende Haushaltsdefizite einfahren, wird es bei uns nie zu einer nachhaltigen Erholung kommen. Stattdessen werden wir unserem eigenen Schwanz hinterherjagen und uns dabei selbst erschöpfen. Und wenn wir schließlich den Wahnwitz dieses Ansatzes begreifen, wird man anschließend Austeritätsmaßnahmen erzwingen müssen, gegen welche die aktuell in Europa angestrebten Maßnahmen einen vergleichsweise harmlosen Eindruck machen werden.
Ich gehe davon aus, dass unsere stimulusgetragene Erholung noch vor Jahresende ins Stocken kommt. Die Stimulatoren werden am Ende aber keine andere Antwort haben. Mit Blick auf die negativen Folgewirkungen an Währungs- und Schuldenmärkten wird dieser nächste Schock schließlich den Austerianern Recht geben, denn die Welt wird erleben, wie ihre größte Macht in die inflationäre Depression schlittert.
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© Peter Schiff
www.europac.net
Dieser Artikel erschien am 28.06.2010 auf www.safehaven.com und wurde exklusiv für GoldSeiten übersetzt.