Die BIZ, das Gold und die Medien
11.07.2010 | Manfred Gburek
Mysteriöse Ereignisse und noch mysteriösere Kommentare dazu sorgten in den vergangenen Tagen unter Goldanlegern für reichlich Gesprächsstoff. Es geht um Swap-Geschäfte der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) mit Geschäfts- und/oder Notenbanken, die - bezogen auf die Geschäfte wie auch auf die Banken - im Dunkeln bleiben. Dementsprechend fielen die Kommentare aus: Die Financial Times Deutschland (FTD) witterte "milliardenschwere Goldgeschäfte der Superzentralbank BIZ", es gehe um "die beispiellose Menge von 346 Tonnen", und die BIZ könnte zu deren Verkauf gezwungen sein, "was den Preis einbrechen ließe".
In der ARD-Börse glaubte man "ein fatales Signal" entdeckt zu haben und schlussfolgerte messerscharf daneben: "Vor dem Staatsbankrott wird das Tafelsilber verscherbelt. Das sind keine guten Nachrichten für all jene, die sich mit Gold gerade gegen Staatsbankrott und Inflation absichern wollen." Ansonsten mutierten die 346 hier oder da zu 349 Tonnen, sei´s drum.
Früher, als die Nachrichtenlage in den Sommermonaten traditionell wenig hergab, sprachen die Medienleute vom Sommerloch. Also wurden irgendwelche Nachrichten so lange aufgebläht, bis sie zur Titelgeschichte in Printmedien oder zur Top-Meldung im Fernsehen heranreiften. Heute geben die Nachrichten dank Internet, iPad & Co. auch im Sommer zwar viel her; aber gerade dadurch erfordern diejenigen von ihnen, die ins Bewusstsein der Mediennutzer vordringen sollen, besonders viel Blähkraft. Da helfen dann, aufs Gold bezogen, Überschriften wie "Banken machen mit Gold Kasse" (FTD) oder "Platzt die Goldblase?" (ARD-Börse)
Gehen wir den Dingen auf den Grund. Vorab: Bei wiwo.de habe ich zum Thema "Goldblase", die noch keine ist, vor drei Wochen einen eher quantitativ und charttechnisch ausgerichteten Beitrag geschrieben, den sie dort nachlesen können. Hier möchte ich jetzt einige neue Gedanken hinzufügen. Zunächst ist wohl nicht zu leugnen, dass Gold nach den jüngsten Rekordpreisen - und nachdem es dadurch ins Bewusstsein breiter Bevölkerungskreise gerückt ist - viele Kommentatoren, die das Edelmetall bis dahin links liegen gelassen haben, auf allerlei seltsame Ideen bringt. Die einfachste: Der Preis hat sich in Dollar (international übliche Messlatte) zwischenzeitlich fast verfünffacht, also müsse er jetzt fallen. Die weiteren "Begründungen" dazu erspare ich Ihnen (ich sammle sie). Seltsam: Vor neun Jahren, als der Goldpreis zu seinem Höhenflug ansetzte, hagelte es in den Medien statt Kaufempfehlungen geradezu Hasstiraden gegen das Edelmetall (auch die habe ich gesammelt) - damals wie heute ein Lehrstück in Sachen Massenpsychologie.
Wenden wir uns nun der nach FTD "beispiellosen Menge" von 346 Tonnen Gold zu. Laut World Gold Council besaß die BIZ im Juni dieses Jahres 120 Tonnen sozusagen auf eigene Rechnung. Demgegenüber sind die 346 Tonnen durchaus von Gewicht. Aber warum gleich beispiellos? Wo doch der Internationale Währungsfonds die nahezu neunfache Menge Gold besitzt, Deutschland die zehnfache und die USA sogar die fast vierundzwanzigfache. Zumal die 346 Tonnen schlicht und einfach nur mittels Swap bei der BIZ hinterlegt sind und diese nie und nimmer gezwungen sein wird, das hinterlegte Gold zu verkaufen.
Welche Geschäftsbank im Auftrag welcher Notenbank es hinterlegt hat und was es mit dem Swapgeschäft auf sich hat, darüber schießen die Spekulationen ins Kraut. Wenn die ARD-Börse trotzdem schon kurz nach diesem geheimnisumwitterten Deal zum Fazit kommt, hier werde vor dem Staatsbankrott "Tafelsilber verscherbelt", ist das allerdings nicht mehr Spekulation, sondern Spinnerei. Denn unter Swap versteht man nichts anderes als eine Finanztransaktion, die den Tausch einer Anlage gegen eine andere ermöglicht, im vorliegenden Fall Gold gegen Geld in Form einer Währung (oder mehrerer). Swaps sind unter Notenbanken üblich. Da in diesem Fall Geschäftsbanken eingeschaltet waren, haben sie im Auftrag einer Notenbank gehandelt, denn keine Geschäftsbank der Welt horte mal eben 346 Tonnen Gold.
Nun wird es spannend, denn schon stellt sich die Frage: Was macht die BIZ mit dem Gold einer Notenbank, die wahrscheinlich im Auftrag ihres Staats gehandelt hat, wenn dieser Staat in Zahlungsschwierigkeiten gerät oder sogar pleite geht? Zunächst bietet sich vorsorglich die Swap-Verlängerung an. Das dürfte besonders dann geschehen, wenn ein Staat seine Finanzen durch rigorose Sparmaßnahmen in Ordnung zu bringen verspricht. Die Verlängerung kann Jahre dauern; wie viele Jahre, lässt sich nicht vorhersagen. Von daher ist kein akuter Druck auf den Goldpreis zu erwarten. Geht der betreffende Staat allerdings pleite, das heißt, wird er nicht mehr Herr seiner Schulden, könnte die BIZ ihr Pfand in Form von Gold einlösen, indem sie es entweder als Gegenbuchung zum Swap für sich behält oder indem sie es verkauft.
Beide Alternativen haben ihren Reiz: Im ersten Fall kann es sich bereits um den entscheidenden Schritt zu einer neuen Weltwährungsordnung handeln, in der Gold eine führende Rolle einnehmen dürfte, weil die BIZ als Bank der Notenbanken das Edelmetall im Rahmen eines von Grund auf reformierten Währungssystems einsetzen würde. Im zweiten Fall käme es zur Vorstufe eines solchen Systems, denn der Goldverkauf dürfte diskret vonstatten gehen, indem das Edelmetall von der BIZ auf die Notenbank eines zahlungskräftigen Landes (zum Beispiel im Nahen oder Fernen Osten) übertragen würde.
Wie wird sich der Goldpreis unter den hier beschriebenen Voraussetzungen entwickeln? Mit großer Wahrscheinlichkeit bis auf Weiteres nicht anders als in den neun Jahren des Aufwärtstrends seit 2001: mit Unterbrechungen (wie in den vergangenen Tagen) weiter nach oben. Am zurzeit nicht absehbaren Ende dieser Entwicklung, die noch einige Jahre dauern kann, dürfte der Anstieg steil sein, sofern die Marktteilnehmer die Rolle des Goldes im Rahmen des kommenden Währungssystems entsprechend positiv bewerten werden - woran kaum mehr zu zweifeln ist. Bis dahin heißt es geduldig abwarten, engagiert bleiben und bei vorübergehenden Rücksetzern des Goldpreises (wie in der abgelaufenen Woche) beherzt zugreifen. Das gilt auch für Silber, mit Einschränkungen für Platin und Palladium, sowie für den Großteil der Edelmetallaktien.
© Manfred Gburek
www.gburek.eu
Herr Gburek ist Fachjournalist und Buchautor. Seine letzten Werke waren: "Das Goldbuch" (2005), das Wörterbuch "Geld und Gold klipp und klar von A bis Z" (2007) und "Die 382 dümmsten Sprüche der Banker" (2008).
In der ARD-Börse glaubte man "ein fatales Signal" entdeckt zu haben und schlussfolgerte messerscharf daneben: "Vor dem Staatsbankrott wird das Tafelsilber verscherbelt. Das sind keine guten Nachrichten für all jene, die sich mit Gold gerade gegen Staatsbankrott und Inflation absichern wollen." Ansonsten mutierten die 346 hier oder da zu 349 Tonnen, sei´s drum.
Früher, als die Nachrichtenlage in den Sommermonaten traditionell wenig hergab, sprachen die Medienleute vom Sommerloch. Also wurden irgendwelche Nachrichten so lange aufgebläht, bis sie zur Titelgeschichte in Printmedien oder zur Top-Meldung im Fernsehen heranreiften. Heute geben die Nachrichten dank Internet, iPad & Co. auch im Sommer zwar viel her; aber gerade dadurch erfordern diejenigen von ihnen, die ins Bewusstsein der Mediennutzer vordringen sollen, besonders viel Blähkraft. Da helfen dann, aufs Gold bezogen, Überschriften wie "Banken machen mit Gold Kasse" (FTD) oder "Platzt die Goldblase?" (ARD-Börse)
Gehen wir den Dingen auf den Grund. Vorab: Bei wiwo.de habe ich zum Thema "Goldblase", die noch keine ist, vor drei Wochen einen eher quantitativ und charttechnisch ausgerichteten Beitrag geschrieben, den sie dort nachlesen können. Hier möchte ich jetzt einige neue Gedanken hinzufügen. Zunächst ist wohl nicht zu leugnen, dass Gold nach den jüngsten Rekordpreisen - und nachdem es dadurch ins Bewusstsein breiter Bevölkerungskreise gerückt ist - viele Kommentatoren, die das Edelmetall bis dahin links liegen gelassen haben, auf allerlei seltsame Ideen bringt. Die einfachste: Der Preis hat sich in Dollar (international übliche Messlatte) zwischenzeitlich fast verfünffacht, also müsse er jetzt fallen. Die weiteren "Begründungen" dazu erspare ich Ihnen (ich sammle sie). Seltsam: Vor neun Jahren, als der Goldpreis zu seinem Höhenflug ansetzte, hagelte es in den Medien statt Kaufempfehlungen geradezu Hasstiraden gegen das Edelmetall (auch die habe ich gesammelt) - damals wie heute ein Lehrstück in Sachen Massenpsychologie.
Wenden wir uns nun der nach FTD "beispiellosen Menge" von 346 Tonnen Gold zu. Laut World Gold Council besaß die BIZ im Juni dieses Jahres 120 Tonnen sozusagen auf eigene Rechnung. Demgegenüber sind die 346 Tonnen durchaus von Gewicht. Aber warum gleich beispiellos? Wo doch der Internationale Währungsfonds die nahezu neunfache Menge Gold besitzt, Deutschland die zehnfache und die USA sogar die fast vierundzwanzigfache. Zumal die 346 Tonnen schlicht und einfach nur mittels Swap bei der BIZ hinterlegt sind und diese nie und nimmer gezwungen sein wird, das hinterlegte Gold zu verkaufen.
Welche Geschäftsbank im Auftrag welcher Notenbank es hinterlegt hat und was es mit dem Swapgeschäft auf sich hat, darüber schießen die Spekulationen ins Kraut. Wenn die ARD-Börse trotzdem schon kurz nach diesem geheimnisumwitterten Deal zum Fazit kommt, hier werde vor dem Staatsbankrott "Tafelsilber verscherbelt", ist das allerdings nicht mehr Spekulation, sondern Spinnerei. Denn unter Swap versteht man nichts anderes als eine Finanztransaktion, die den Tausch einer Anlage gegen eine andere ermöglicht, im vorliegenden Fall Gold gegen Geld in Form einer Währung (oder mehrerer). Swaps sind unter Notenbanken üblich. Da in diesem Fall Geschäftsbanken eingeschaltet waren, haben sie im Auftrag einer Notenbank gehandelt, denn keine Geschäftsbank der Welt horte mal eben 346 Tonnen Gold.
Nun wird es spannend, denn schon stellt sich die Frage: Was macht die BIZ mit dem Gold einer Notenbank, die wahrscheinlich im Auftrag ihres Staats gehandelt hat, wenn dieser Staat in Zahlungsschwierigkeiten gerät oder sogar pleite geht? Zunächst bietet sich vorsorglich die Swap-Verlängerung an. Das dürfte besonders dann geschehen, wenn ein Staat seine Finanzen durch rigorose Sparmaßnahmen in Ordnung zu bringen verspricht. Die Verlängerung kann Jahre dauern; wie viele Jahre, lässt sich nicht vorhersagen. Von daher ist kein akuter Druck auf den Goldpreis zu erwarten. Geht der betreffende Staat allerdings pleite, das heißt, wird er nicht mehr Herr seiner Schulden, könnte die BIZ ihr Pfand in Form von Gold einlösen, indem sie es entweder als Gegenbuchung zum Swap für sich behält oder indem sie es verkauft.
Beide Alternativen haben ihren Reiz: Im ersten Fall kann es sich bereits um den entscheidenden Schritt zu einer neuen Weltwährungsordnung handeln, in der Gold eine führende Rolle einnehmen dürfte, weil die BIZ als Bank der Notenbanken das Edelmetall im Rahmen eines von Grund auf reformierten Währungssystems einsetzen würde. Im zweiten Fall käme es zur Vorstufe eines solchen Systems, denn der Goldverkauf dürfte diskret vonstatten gehen, indem das Edelmetall von der BIZ auf die Notenbank eines zahlungskräftigen Landes (zum Beispiel im Nahen oder Fernen Osten) übertragen würde.
Wie wird sich der Goldpreis unter den hier beschriebenen Voraussetzungen entwickeln? Mit großer Wahrscheinlichkeit bis auf Weiteres nicht anders als in den neun Jahren des Aufwärtstrends seit 2001: mit Unterbrechungen (wie in den vergangenen Tagen) weiter nach oben. Am zurzeit nicht absehbaren Ende dieser Entwicklung, die noch einige Jahre dauern kann, dürfte der Anstieg steil sein, sofern die Marktteilnehmer die Rolle des Goldes im Rahmen des kommenden Währungssystems entsprechend positiv bewerten werden - woran kaum mehr zu zweifeln ist. Bis dahin heißt es geduldig abwarten, engagiert bleiben und bei vorübergehenden Rücksetzern des Goldpreises (wie in der abgelaufenen Woche) beherzt zugreifen. Das gilt auch für Silber, mit Einschränkungen für Platin und Palladium, sowie für den Großteil der Edelmetallaktien.
© Manfred Gburek
www.gburek.eu
Herr Gburek ist Fachjournalist und Buchautor. Seine letzten Werke waren: "Das Goldbuch" (2005), das Wörterbuch "Geld und Gold klipp und klar von A bis Z" (2007) und "Die 382 dümmsten Sprüche der Banker" (2008).