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Warum kein neuer Weltkrieg?

26.07.2010  |  Peter Schiff
Unter Ökonomen herrscht so gut wie Einigkeit darüber, dass der Zweite Weltkrieg letztendlich für das Ende der Großen Depression verantwortlich war. Fragt man sie, warum die Kriege im Iran und Afghanistan heute nicht denselben Effekt haben, führen sie häufig an, die aktuellen Konflikte seien einfach zu klein, um ökonomisch bedeutsam zu sein.

Natürlich ist hier eine Menge Ironie im Spiel. Keiner behauptet, der 2. Weltkrieg - mit seinem Genozid, seinen zig Millionen toten Soldaten und der massiven Zerstörung von Städten und Regionen - wäre gut für die Menschheit gewesen. Aber der sich ab Ende der 1940er Jahre bessernde Zustand der amerikanischen Wirtschaft scheint für den Nutzen großangelegter staatlicher Stimuli zu sprechen. Dieses Rätsel könnte einige zum Nachdenken darüber bewegen, wie wir das Gute ohne das Schlechte für uns herausschlagen können.

Für jemanden, der glaubt, staatliche Ausgaben könnten zu Wirtschaftswachstum führen, sollte die Antwort ganz einfach sein: Wir machen einen riesigen Scheinkrieg, der es mit dem 2. Weltkrieg aufnehmen kann. Aber diesmal lasst uns keinen einzigen umbringen.

Die meisten Ökonomen glauben, die massiven bundesstaatlichen Ausgaben für Panzer, Uniformen, Munition und Kriegsschiffe für den 2. Weltkrieg, aber auch die für die Austragung des Krieges geschaffenen Arbeitsplätze hätten die USA damals aus der lähmenden "deflationären Falle" geführt, die seit dem Crash 1929 existierte. Viele andere meinen zudem, dass die Kriegsausgaben dort erfolgreich waren, wo die viel kleineren New-Deal-Programme der 1930er zu kurz gegriffen hatten.

Die Zahlen waren in der Tat atemberaubend. Von 1940 bis 1944 schossen die bundesstaatlichen Ausgaben auf über das Sechsfache - von nur 9,5 Mrd. $ auf 72 Mrd. $. Diese Steigerung führte zu einer Ausweitung des nominalen US-BIPs um 75 Mrd. $ - von 101 Mrd. $ im Jahr 1940 auf 175 Mrd. $ im Jahr 1944. Die Kriegsanstrengungen bewirkten also, dass das US-BIP innerhalb von nur vier Jahren um fast 75 $ wuchs!

Der Krieg fegte zudem das chronische Arbeitslosenproblem des Landes hinweg. 1940, elf Jahre nach dem Crash, hielt sich die Arbeitslosenquote hartnäckig bei 8,1%. Bis 1944 fiel sie dann auf unter 1%. Die neuen Ausgabenströme des Staates und der Überseeeinsatz vieler Männer im Arbeitsalter zogen nun auch Frauen in bisher ungekannten Ausmaß in die Arbeiterschaft, bei gewaltiger Steigerung des ökonomischen Outputs. Zudem brachten die staatlichen Ausgaben für neue Kriegstechnologie eine große Anzahl technologischer Durchbrüche mit sich, die die Konsumgüterproduktion auf Jahrzehnte hinweg beeinflussen sollten.

Warum also sollten die USA Russland nicht einen Scheinkrieg erklären (ein erbitterter Zweikampf, der doch immerhin schon längst überfällig ist)? Beide Länder könnten sofort Vollbeschäftigung anordnen und die jeweiligen Produktionssektoren beleben. Anstelle von scharfer Munition könnten wir alle möglichen Formen von Farbgewehren, Wasserballons und Stinkbomben bauen.

Sobald neue Armeen gezogen und korrekt mit harmlosen Waffen ausgestattet wurden, könnten unsere beiden Länder aufregende Kriegsspiele aufführen. Die USA könnten vielleicht eine amphibische Invasion Kamtschatkas auf die Beine stellen (so wie im Spiel "Risiko!"). Was die Zerstörungen angeht, holen wir uns Pixar und James Cameron heran. Mit den endlosen Kapitalquellen aus Washington könnten die Hollywood-Zauberer sicher ein simuliertes Chaos produzieren - spektakulärer als Pearl Harbor oder D-Day. Das Spektakel würde im Fernsehen übertragen werden, die Werbeeinnahmen würden direkt an die Regierung gehen.

Der Wettstreit könnte so ausgeweitet werden, dass der Gewinner des Pseudokonflikts ein weiteres Land zur Austragung eines Scheinkriegs herausfordern würde. Ich bin sicher, Frankreich und Italien hätten nichts dagegen, sich ein paar Striche auf der "Siegerseite" zu geben. Der Stimulus könnte endlos sein.

Sollten die USA keinen willigen internationalen Partner finden, könnten wir immer noch den Bürgerkrieg bei uns auferstehen lassen. Sie haben das das Seegefecht zwischen der Monitor und der Merrimack bei ersten Mal verpasst? Kein Problem, wir machen das noch mal!

Aber um die Auswirkungen des 2.Weltkrieges zu wiederholen, bedürfte es wahrhaft riesiger Anstrengungen. Eine Neuauflage der Versechsfachung des Staatshaushaltes, wie 1940, würde sich heute in einem fast 20 Billionen $ schweren Haushalt niederschlagen. Rechnerisch wären das 67.000 $ für jeden Mann, jede Frau und jedes Kind im Land. Sicher, das gewaltige, durch die Ausgaben hervorgerufene BIP-Wachstum würde kurzen Prozess mit der sogenannten Großen Rezession machen.

Die große Frage ist nur, wie es bezahlt wird. Viele wird es vielleicht ein wenig überraschen, dass die USA ihre Aktivitäten im 2. Weltkrieg zum großen Teil durch Steuererhöhungen finanzierten und indem sie die persönlichen Ersparnisse der Amerikaner anzapften. Beide Einnahmequellen sind heute bei Weitem nicht mehr so vielversprechend wie noch im Jahr 1941.

Die derzeitige Steuerbelastung ist viel höher als noch vor dem Krieg, weshalb sich Steuererhöhungen heutzutage schwierig gestalten würden. Mit der "Victory Tax" von 1942 wurde die Einkommenssteuer deutlich erhöht, zum ersten Mal in der Geschichte der USA wurde diese Steuer zudem direkt von Lohn abgezogen. Ursprünglich sollten die Steuererhöhungen nur vorübergehendes Mittel sein, doch die Steuer blieb natürlich weit über die Erfüllung ihres Zwecks hinaus bestehen. Unwahrscheinlich, dass die Amerikaner heute höhere Steuern akzeptieren würden, um einen echten Krieg zu finanzieren, ganz zu schweigen von einem Scheinkrieg.

Es bleiben also nur noch Ersparnisse, die zur wichtigsten Finanzierungsquelle des Kriegs gehörten. Während des Krieges kauften die Amerikaner Kriegsanleihen in Höhe von ungefähr 186 Mrd. $, womit nahezu drei Viertel der gesamten bundesstaatlichen Ausgaben zwischen 1941 und 1945 bestritten werden konnten. Heute haben wir nicht einmal die Ersparnisse, um unserer laufenden Ausgaben zahlen zu können - ganz zu schweigen von deutlichen Ausgabensteigerungen. Aber auch wenn wir die Chinesen überzeugen könnten, uns einen großen Teil der 20 Billionen $ zu leihen (zusätzlich zu der 1 Billion $, die wir ihnen ohnehin schulden), wie könnten wir das jemals wieder zurückzahlen?

Sollte all das absurd wirken, dann liegt das daran: Krieg ist ein toller Weg, Dinge zu zerstören, aber eine schrecklicher Weg, um eine Wirtschaft wachsen zu lassen.

Oft wird übersehen, dass Krieg Not und Elend bringt, nicht nur für jene, die der Gewalt ausgesetzt sind. Es stimmt, dass die Produktionsleistung der USA während des 2. Weltkrieges stieg, aber fast alles, was zusätzlich produziert wurde, nützte nur den Soldaten. Verbraucher können keine Bomber nutzen, um Familienurlaub zu machen.

Das Ziel einer Wirtschaft ist die Steigerung des Lebensstandards. Während des Krieges, als der produktive Output zur Front umgeleitet wurde, waren die Konsumgüter zu Hause rationiert und allgemeine Lebensstandard sank. Es fällt ganz leicht, die Auswirkungen des Kriegsausgaben in den Zahlen zu betrachten, viel schwerer aber lässt sich erkennen, welche Einschränkungen die Zivilbevölkerung hinnehmen musste, um diese Ausgaben zu ermöglichen.

Die Wahrheit ist, dass wir uns unseren Weg aus dieser Krise nicht über Ausgaben bahnen können - ganz gleich wie großartig das erzeugte Spektakel auch sein würde. Selbst wenn wir Geld für Infrastruktur anstatt für Krieg ausgeben, hätten wir noch immer nicht die Mittel, dies zu finanzieren und auch dann würde es immer noch keine Garantie dafür geben, dass die Wirtschaft infolge dessen wachsen würde.

Was wir brauchen, sind mehr Ersparnisse, mehr freien Unternehmergeist, mehr Produktion und wir müssen zurückkehren zur amerikanischen Wettbewerbsfähigkeit in der Weltwirtschaft. Ja, wir brauchen Rosie the Riveter - aber diesmal muss sie im privaten Sektor arbeiten und Sachen schaffen, die nicht explodieren. Damit das geschehen kann, brauchen wir weniger Staatsausgaben und nicht mehr.


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© Peter Schiff
www.europac.net


Dieser Artikel erschien am 19.07.2010 auf www.safehaven.com und wurde exklusiv für GoldSeiten übersetzt.



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