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Stress-Tests - alles in Butter oder alles Käse?

31.07.2010  |  Klaus Singer
Vor einer Woche wurde das Ergebnis des Stress-Tests europäischer Banken veröffentlicht. Nur 7 von 91 Banken bestanden ihn nicht. Das hört sich gut an. Allerdings war der Test so konstruiert, dass das Ergebnis so ausfallen musste. Als echter Härtetest konnte und kann er nicht gelten.

Zunächst ist da die Auswahl der dem Test unterzogenen Banken. Wie W. Münchau in der FT schreibt, fehlt bei den getesteten Instituten z.B. die KfW. Sie ist zwar rechtlich keine Bank, aber sie ist die Aufbewahrungsstelle für jede Menge Finanzmüll. Käme sie in Schieflage, würde das direkt auf die Bonität ihres Eigners, des deutschen Staates, durchschlagen.

Ein weiterer Kritikpunkt ist: Zwar wurde als für die Bankbilanzen belastender Umstand auch ein gewisser Wertverlust von Staatsanleihen unterstellt, jedoch kein Totalausfall. Und der simulierte Wertverlust wurde auch nur auf die Staats-Bonds angewandt, die transitorisch in den Handels-Büchern der Banken stehen. Die Staatsanleihen, die bis zur Fälligkeit gehalten werden und damit als Anlage bilanziert sind, waren nicht Gegenstand des Stress-Tests. In diesem Zusammenhang macht es hellhörig, dass sechs von 14 dem Stress-Test unterzogene deutsche Banken erst gar keine detaillierte Angaben zu den von ihnen gehaltenen Staatsanleihen gemacht haben.

Der wichtigste Schwachpunkt dieses Stress-Tests ist jedoch das Kapitalkriterium. Eine Bank gilt demnach als krisenfest gegen einen exogenen Schock, wenn ihr „Tier-1“-Kapital mehr als 6% der gesamten Vermögensgegenstände beträgt. "Tier-1" umfasst u.a. Stammkapital, Kapitalrücklagen, einbehaltene Gewinne, sowie eigene Aktien im Bestand. Die Summe hieraus wird zu den risikotragenden Aktiva ins Verhältnis gesetzt und ergibt die Kernkapitalquote. "Tier-1" enthält in nicht unerheblichem Umfang hybride Kapital-Bestandteile. Ob diese eigenkapitalähnlichen Bilanzwerte (etwa garantierte Zahlungsströme) im Krisenfall werthaltig sind, wurde nicht untersucht.

Letztlich ist aber nur eine gute Ausstattung mit Eigenkapital, generell mit Mitteln, die dem Unternehmen dauerhaft zur Verfügung stehen, Garant dafür, dass eine Bank bedeutende Risiken abfedern kann. Wie groß die Unterschiede sind, zeigt sich z.B. bei der Deutschen Bank: Die Tier-1-Ratio beträgt 11,2%, das reine Eigenkapital-Verhältnis kommt auf 1,3%.

Natürlich geht es nicht darum, mit dem Stress-Test zu prüfen, welche Bank auch das schlechtest denkbare Szenario übersteht. Aber sowohl einzelne Kriterien, wie auch insgesamt der Ausschluss der Möglichkeit von zumindest teilweisen Ausfällen von Staatsanleihen lassen Zweifel aufkommen, ob der Stress-Test den Namen verdient. Bei der Veröffentlichung der Ergebnisse erläuterten Offizielle des Committee of European Banking Supervisors (CEBS), dass die Wahrscheinlichkeit für ein Eintreffen des dem Stress-Test zugrunde gelegten Szenarios bei 5% liegt. Wohl jeder dürfte aber angesichts des Spreads z.B. der Rendite griechischer zu deutschen Bonds zu dem Schluss kommen, dass die Eintrittswahrscheinlichkeit dafür, dass z.B. griechische Anleihen nicht vollständig bedient werden, größer ist als 5%.

So bleibt der Eindruck, der Stress-Test hat den hauptsächlichen Zweck, zu zeigen, die EU-Kommission tue etwas und habe alles im Griff. In Wirklichkeit aber bleibt alles beim alten.

Morgan Stanley hat übrigens ausgerechnet, dass bei einer Anforderung eines Tier-1-Ratios von 7% 24 Banken (oder 26,4 statt 7,7%) durch den Test gefallen wären. Schon bei einer geforderten Kernkapitalquote von über 6,3% hätte sich die Zahl der durchfallenen Banken um mindestens 10 erhöht. Gut hingedengelt...

Aus den gesetzlichen Bestimmungen lässt sich in Deutschland eine Mindestkernkapitalquote von 4% ableiten. Schon eine Kernkapitalquote von unter 5 % ruft in der Regel die BaFin auf den Plan, während eine Quote von über 7% als Indikator für eine gesunde Bankbilanz gilt. Die Schwelle des Tests ist also mit 6% ziemlich tief gelegt.

Die durchgefallenen Banken haben einen Rekapitalisierungs-Bedarf von 3,5 Mrd. Euro. Was die spanischen Banken angeht, so waren vor dem Test schon 14,4 Mrd. Euro an Staatshilfen zugesagt, ohne die der Test noch weit schlechter ausgefallen wäre. Insgesamt beruht der Test darauf, dass die während der Krise gegebenen Staatshilfen den Banken dauerhaft zur Verfügung stehen. Ursprünglich waren die Staatshilfen aber als Liquiditätshilfen gedacht, nicht als Rekapitalisierung. Diese summieren sich in Europa auf 200 Mrd. Euro und machen insgesamt 1,2 % des Tier-1-Ratios aus. Anders herum: Ohne diese Beiträge wären selbst bei der niedrig gelegten Schwelle von 6% Kernkapitalquote vermutlich mindestens ein Drittel der europäischen Banken durchgefallen, darunter die maroden deutschen Landesbanken.

Das Basel-III-Komitee schwenkte nach Veröffentlichung der Ergebnisse des Stress-Tests in das Fahrwasser "alles wird gut" ein und wird zahlreiche (sinnvolle) Vorschläge hinsichtlich Aufstockung von Eigenkapital und Liquiditätsanforderungen bei Banken verwässern oder deren Inkraftsetzen verzögern. Auch die Bedeutung von Tier-1-Kapital wollte Basel-III eigentlich deutlich einschränken. Damit fruchten offenbar die Proteste von Banken und nationalen Aufsehern gegen die beabsichtigten, verschärften Regeln für die Branche.

Für mich ergibt sich: Die meisten europäischen Banken sind keineswegs stabil aufgestellt. Das gilt insbesondere in einem Umfeld, wo die Rückkehr zu einem Wirtschaftswachstum früherer Jahre weniger wahrscheinlich ist als "japanische Verhältnisse" wie in den 1990er Jahren. Das europäische Finanzsystem hängt weiter am staatlichen Tropf und schon kleinere exogene Schocks dürften weitere Gelder vom Steuerzahler erfordern.


© Klaus G. Singer
www.timepatternanalysis.de




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