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Analyse der Gegenwart und Blick in die Zukunft

22.08.2010  |  Manfred Gburek
Haben Sie sich nicht auch schon längst gefragt, warum 1. die Renditen der Bundesanleihen immer weiter fallen, warum 2. der Dax trotz der plötzlichen deutschen Superkonjunktur nur müde vor sich hin dümpelt, warum 3. der Euro im Vergleich zum Dollar schon wieder schwach ist und warum 4. der Goldpreis mit Unterbrechungen allmählich auf seinen bisherigen Gipfel zustrebt? Hier sind die wichtigsten Antworten in Kurzform: 1. Flucht in die Sicherheit bzw. was man dafür hält, 2. Strohfeuer-Konjunktur und Bilanzrisiken, 3. von interessierten angelsächsischen Kreisen mithilfe einiger Medien wiederholt aufgebauschte Griechenland-Krise mitsamt Folgen für andere Euro-Länder, 4. Flucht in die Sicherheit und anhaltende chinesische Käufe.

Lassen Sie mich noch wichtige Punkte hervorheben. Zunächst zu den Bundesanleihen, deren Umlaufrendite jetzt nur noch bei 2 Prozent liegt. Sie gelten unter institutionellen Anlegern als Liquiditätspolster und als Felsen in der Brandung. Diese Doppelfunktion werden sie so lange beibehalten, bis das Zinsniveau zu steigen beginnt. Danach werden besonders die Langläufer dramatische Kurseinbrüche verzeichnen. Auslöser für höhere Zinsen, von denen die Bundesanleihen dann betroffen sein werden (Anleihen minderer Qualität sind ja bereits weniger wert), dürften vor allem Signale von der Inflationsfront sein, kaum dagegen von der Konjunkturfront.

Das Timing für den allgemeinen Dreh der Zinsen nach oben ist zwar schwer zu bestimmen, aber es gibt das eine oder andere Signal. Bekanntlich hat die Europäische Zentralbank im Rahmen ihrer Maßnahmen zur Stabilisierung der Finanzmärkte auch Schrottanleihen aufgekauft, darunter ABS (Asset Backed Securities). Diesen und anderen Anleihen von fragwürdiger Bonität verpasst sie einen Haircut (Bewertungsabschlag). Der soll die ABS-Konstrukte nach den zuletzt getroffenen Vereinbarungen der Währungshüter von 2011 an nur mit 16 Prozent treffen. Das ist lächerlich wenig und kann schon zur Jahreswende die nächste größere Finanzkrise auslösen, die dann zu einer Krise des Vertrauens in den Euro ausarten und Zinsturbulenzen nach sich ziehen kann.

Die vermeintliche deutsche Superkonjunktur, die sich so gar nicht im Dax wiedererkennen lässt, wird in erster Linie von hohen Exporten gestützt. So weit, so gut, das ist erfreulich, obwohl der bisher äußerst zuverlässige ZEW-Konjunkturindex nichts Gutes verheißt. Nichts Gutes lsst auch befürchten, was die Zahlentüftler der Stuttgarter Beratungsfirma FAS gerade für die Wirtschaftswoche errechnet haben: Die 30 Dax-Konzerne werden im nächsten Jahr aufgrund neuer Bilanzregeln 76,3 Milliarden Euro mehr Schulden auftürmen. Auslöser sind Leasingschulden, die sie bisher außerhalb ihrer Bilanzen verbucht haben und von 2011 an in die Bilanzen aufnehmen müssen. Obwohl diese Belastungen sich zum Teil sicher schon in der zuletzt enttäuschenden Dax-Entwicklung widerspiegeln, weil sie den meisten institutionellen Anlegern bekannt waren, geben sie keinen Anlass zu Freudentänzen.

Man kann die Ergebnisse der FAS-Studie indes auch positiv interpretieren, indem man nämlich die von den neuen Bilanzregeln nur wenig betroffenen Dax-Konzerne herausgreift: Beiersdorf, Henkel, K+S und RWE. Das soll zwar nicht bedeuten, deren Aktien sofort zu kaufen, aber auf die Beobachtungsliste sollten sie schon kommen. Tauchen ihre Kurse dann bei der nächsten Börsenschwäche ab, sollten sie zu den Kaufkandidaten gehören.

Was hat es mit der neuerlichen Griechenland-Krise auf sich, die von angelsächsischen Medien gern zur Euro-Krise aufgebauscht wird? Das Thema ist komplexer, als es sich in den Schwingungen von Euro und Dollar darstellt: Wie hier schon ausführlich dargestellt, wollen die USA ihre Währung vor dem Kollaps bewahren, um sich international weiter hoch in ihr verschulden zu können. Doch ihre schwache Konjunktur erlaubt ihnen nicht, das Ausland dafür mit hohen Zinsen zu locken.

Je mehr die Konjunktur abkippt, desto gravierender wird das Problem, und das, obwohl die US-Notenbank Fed der Geldschwemme weiter freien Lauf lässt. Wobei die eine oder andere Zahl zu dieser Schwemme schon längst bedenklich erscheint. Nehmen wir als Beispiel nur die mit Hypotheken „besicherten“ Anleihen (in Wahrheit Schrott). Die Fed hat über 1,4 Billionen Dollar in sie "investiert" (in Wahrheit, um eine gängige Metapher zu verwenden, frisches Geld gedruckt). Wie das enden soll, weiß offenbar nicht einmal Fed-Chef Ben Bernanke. Und solange die Unsicherheit darüber auf den Märkten lastet, bleibt jede Dollar-Erholung gegenüber dem Euro ein Strohfeuer - zumal China Euro-Schwächeanfälle in letzter Zeit gezielt für Euro-Käufe nutzt.

Ähnlich hält es China offenbar mit Goldkäufen. Allerdings leitet das Land sie eher über private Kanäle, und griffige Zahlen sind kaum zu erhalten. Auch meine chinesischen Informanten tappen aktuell diesbezüglich im Dunkeln; sie signalisieren mir nur immer wieder, dass nach ihren Bobachtungen vor allem reiche Chinesen jede zwischenzeitliche Preisdelle für Käufe nutzen. Beim Betrachten der Goldcharts könnte man sogar zum Ergebnis kommen, dass diese Chinesen für die zuletzt markant steigenden Tiefspitzen gesorgt haben.

Apropos Charts: Die Erfahrung mit ihnen lehrt, dass unter geringen Schwankungen zustande gekommene Seitwärtsbewegungen umso abrupter von einer kräftigen Aufwärts- oder Abwärtsbewegung abgelöst werden, je länger sie anhalten. Auslöser ist dann in der Regel ein nicht erwartetes oder ein von der Mehrzahl der Anleger nicht bewusst wahrgenommenes Ereignis. Gehen wir diesbezüglich die eingangs genannten Fragen der Reihe nach durch, lautet das Fazit: 1. Die Renditen der Bundesanleihen dürften nach der jüngsten Abwärtsbewegung erst noch in eine Seitwärtsbewegung übergehen, bevor sie kräftig steigen. 2. Der Dax hat mehr Potenzial nach unten als nach oben, aber um mehr als 20 bis 30 Prozent droht er nicht einzubrechen. 3. Das Euro-Dollar-Verhältnis wird sich nicht dramatisch entwickeln, sondern allmählich einpendeln; kluge Volkswirte haben eine Kaufkraftparität von etwa 1,20 Dollar je Euro ermittelt. 4. Die steigenden Tiefspitzen des Goldpreises (ähnlich wie die des Silberpreises) sprechen für einen gewissen Kaufdruck, der sich allerdings erst im Lauf der kommenden Monate im nachhaltigen Überspringen der bisherigen Höchstmarken entladen dürfte; das gilt analog auch für Gold- und Silberaktien.


© Manfred Gburek
www.gburek.eu

Herr Gburek ist Fachjournalist und Buchautor. Seine letzten Werke waren: "Das Goldbuch" (2005), das Wörterbuch "Geld und Gold klipp und klar von A bis Z" (2007) und "Die 382 dümmsten Sprüche der Banker" (2008).






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