Suche
 
Folgen Sie uns auf:

Interview mit John Williams: "Auf dem Weg zum Abgrund"

24.08.2010  |  Redaktion
- Seite 2 -
The Gold Report: Aber sind wir denn nicht schon drei Jahre lang in einer Rezession?

John Williams: Die zweite Bewegung, von der ich spreche, ist gerade am Entstehen - jetzt gegen Jahresmitte. Im Dezember 2007 begann die Rezession offiziell, obgleich ich der Auffassung bin, dass sie schon früher im Jahr 2007 begonnen hatte. Auf jeden Fall brach die Wirtschaft im Jahr 2008 bis ins Jahr 2009 ein. In der zweiten Hälfte von 2009 schien es ganz so, als wäre der Boden erreicht und als ginge es nun wieder stärker aufwärts. Das Autogeschäft und der Immobiliensektor sorgten sogar für kleine Spitzen im Wachstumsmuster, aber dieses Wachstum war nur der Zukunft gestohlen. Es generierte keine neue Nachfrage.

Auf diesen Punkt möchte ich gern etwas näher eingehen: Traditionell wurden Rezessionen noch als zwei aufeinander folgende Quartale mit einem sinkenden, inflationsbereinigten BIP-Wachstum definiert. Das National Bureau of Economic Research, die Behörde, die festlegt, ob wir uns in einer Rezession befinden, wird dies abstreiten, aber auch dort kam diese allgemeine Richtlinie schon zur Anwendung. Auch dort wurden schon immer auch andere Zahlen benutzt - wie zum Beispiel die Arbeitsmarktzahlen und die Industrieproduktion, um den Beginn oder das Ende einer Rezession auf einen bestimmten Monat festzulegen.

Wichtig ist jedoch, dass man das Ende dieser Rezession dort offiziell noch nicht ausgerufen hat. Man sagt, es sei noch zu früh, eine solche Aussage zu treffen, aber ich denke, man hat dort ein recht gutes Verständnis dessen, was noch passieren wird. Was wir gerade sehen, sieht einfach nur wie eine anhaltende, schwere Rezession aus. Die nächste Abwärtsbewegung wird besonders schmerzhaft werden und, wie ich fürchte, auch besonders langwierig.


The Gold Report: Kann die Regierung dieses Jahr überhaupt noch irgendeinen Stimulushebel ziehen?

John Williams: Oh, ich denke, dass werden sie tun. Aber von dem, was sie machen können, wird so gut wie gar nichts längerfristige Auswirkungen haben. Wenn sie einen Scheck ausstellen, dann ziehen die Leute los und kaufen sich Dinge. Das würde der Wirtschaft einen kurzen Auftrieb geben, aber nichts an den grundlegenden Fundamentaldaten ändern oder aber strukturelle Probleme im Verlauf dieser Rezession korrigieren. Und diese stehen im Zusammenhang mit fehlendem robustem Wachstum bei den Verbrauchereinkommen.


The Gold Report: Das Einkommen der Verbraucher ist also der Schlüsselfaktor.

John Williams: Genau. Schaut man auf den Bereich Wohnen und Immobilien ganz allgemein, der mit den Konsumenten in Verbindung steht, so hat man hier Dreiviertel des BIP. Der Durchschnittshaushalt hält nicht mit der Inflation Schritt und solange die Einkommen nicht stärker steigen als die Inflation, wird die Wirtschaft auch nicht stärker als die Inflation wachsen - und das bedeutet, dass das BIP nicht wächst. Die Einkommen tragen den Konsum. Wenn die Einkommen steigen, steigt der Verbrauch. Der einzige Weg zu einem nachhaltigen langfristigen Wirtschaftswachstum ist also ein gesundes Wachstum der Einkommen. Man kann sich kurzfristiges Wirtschaftswachstum erkaufen, aber nicht durch steigende Einkommen, sondern durch erhöhte Verschuldung - das, was Greenspan versuchte.

Bevor dieser Abschwung einsetzte, hatte es zehn Jahre lang Wachstum gegeben, das sich hauptsächlich auf Schuldenexpansion zurückführen lässt. Die Schuldenstrukturen sind ziemlich böse in Mitleidenschaft gezogen wurden und die Konsumenten nehmen nicht noch weitere Kredite auf, ganz einfach weil er ihnen nicht zur Verfügung steht. Keine Schuldenexpansion und/oder keine deutlich steigenden Einkommen: Der Verbraucher kann seinen persönlichen Konsum gar nicht steigern. Man müsste bei den Arbeitsplätzen ansetzen, bei der Qualität der Jobs.


The Gold Report: Sie sagen also, die Probleme mit der Qualität und nicht Quantität der Arbeitsplätze würden auf Greenspan zurückgehen - noch bevor die Rezession einsetzte.

John Williams: Ja. Eine Menge gut bezahlter Arbeitsplätze ging an die ausländische Konkurrenz verloren, durch US-Unternehmen, die ihre Betriebsstätten nach Übersee verlegten sowie durch Outsourcing in andere Länder. Das war die Haupttriebkraft sinkender Einkommen der Haushalte.


The Gold Report: Die Option der Schuldenexpansion besteht nicht wirklich mehr und es ist zweifelhaft, ob kurzfristige Stimuli überhaupt noch größere Auswirkungen zeigen können. Wenn wir die nächste Abwärtsbewegung jetzt vor diesen Hintergrund betrachten, wo würden sie dann die zukünftige Arbeitslosigkeit, die Immobilienpreise und das BIP gegen Ende 2010 und im Jahr 2011 sehen?

John Williams: Die Arbeitslosigkeit viel höher ausfallen, als die meisten vermuten. Der Immobiliensektor wird weiterhin unter der schwachen Nachfrage zu leiden haben. Aber unter diesen verrückten, ja fast widernatürlichen Umständen wird die erneute Schwäche dazu beitragen, dass wir kräftige Inflation bekommen werden. Immobilien laufen besser bei steigender Inflation, doch nicht für jeden ist Inflation ein glücklicher Umstand.

Der Staat ist gewissermaßen bankrott. Wenn man GAAP-Bilanzierungsgrundsätze anlegt, liegt das jährliche Defizit irgendwo zwischen vier und fünf Billionen Dollar. Das lässt sich nicht aufrechterhalten. Der Staat kann das nicht durch Steuern decken. Er wäre immer noch im Defizit, würden 100% der Privateinkommen und der Unternehmensgewinne eingenommen. Er wäre auch dann noch im Defizit, wenn jeder einzelne Penny an Staatsausgaben gekürzt würde - Sozialversicherung und Medicare ausgenommen. Washington ist nicht gewillt, die Sozialprogramme drastisch zu kürzen und die Neigung zu immer mehr Staat zu unterdrücken. Die einzige mögliche Option, die der Regierung noch bleibt: Geld muss letztendlich gedruckt werden, für Verpflichtungen, die ansonsten nicht beglichen werden können - was der Hyperinflation den Weg ebnet.

Alles, was ich gerade beschrieben habe, gab es auch schon vor dem Hereinbrechen der systemischen Solvenzkrise. Auch schon vor dieser Krise war der Staat im Grunde bankrott. In ihrer Krisenreaktion ist die Regierung vielleicht sogar weiter gegangen sein, als sie eigentlich hätte müssen - der Versuch, einen systemischen Kollaps aufhalten zu wollen, ist jedoch irrig und konservativ. Dieser Zusammenbruch war ein reales Risiko. Und ist es immer noch.

Ich würde behaupten, die Regierung wird alles Erdenkliche unternehmen, um einen systemischen Zusammenbruch zu verhindern - abgesehen von der Politik der großen Staatsausgaben, der quantitativen Lockerung, neuer Bankenrettungen und all dem. Dieser letzte Maßnahmenkatalog bewirkte, dass die Defizite schnell explodierten. Innerhalb von nur einem Jahr stieg es nach offiziellen Berichten von unter 500 Milliarden $ auf knapp 1,5 Billionen $ - und das umfasst nur die reinen Geldmittel, die GAAP-Grundsätze kommen dabei nicht zur Geltung.




Bewerten 
A A A
PDF Versenden Drucken

Für den Inhalt des Beitrages ist allein der Autor verantwortlich bzw. die aufgeführte Quelle. Bild- oder Filmrechte liegen beim Autor/Quelle bzw. bei der vom ihm benannten Quelle. Bei Übersetzungen können Fehler nicht ausgeschlossen werden. Der vertretene Standpunkt eines Autors spiegelt generell nicht die Meinung des Webseiten-Betreibers wieder. Mittels der Veröffentlichung will dieser lediglich ein pluralistisches Meinungsbild darstellen. Direkte oder indirekte Aussagen in einem Beitrag stellen keinerlei Aufforderung zum Kauf-/Verkauf von Wertpapieren dar. Wir wehren uns gegen jede Form von Hass, Diskriminierung und Verletzung der Menschenwürde. Beachten Sie bitte auch unsere AGB/Disclaimer!




Alle Angaben ohne Gewähr! Copyright © by GoldSeiten.de 1999-2024.
Die Reproduktion, Modifikation oder Verwendung der Inhalte ganz oder teilweise ohne schriftliche Genehmigung ist untersagt!

"Wir weisen Sie ausdrücklich auf unser virtuelles Hausrecht hin!"