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Interview mit John Williams: "Auf dem Weg zum Abgrund"

24.08.2010  |  Redaktion
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The Gold Report: Wie stark werden die Defizite in dieser zweiten schmerzlichen und langwierigen Phase ansteigen?

John Williams: Ich kann Ihnen da keine genauen Zahlen nennen, aber ich kann Ihnen Folgendes sagen: Die Märkte kamen in dieses Jahr mit Konsensberechnungen, denen zufolge es positives Wirtschaftswachstum geben sollte. Prognosen für des Staatsdefizit, die staatlichen Budgets, die Solvenz des Bankensystems etc. - all diese Prognosen gründeten auf der Annahme, es werde eine Erholung und positives Wachstum geben. Und eben diese Annahme liegt aller Wahrscheinlichkeit auch noch dem aktuellen Aktienmarkt zugrunde, den ich als irrational bezeichnen würde.

Aber diese Vorausberechungen und Annahmen waren falsch. Wir werden negatives Wachstum bekommen. Der Abschwung wird sich intensivieren. Wir haben keine Erholung. Wir haben Bundesstaaten, die sich am Rande des Bankrotts befinden. Die Bundesregierung wird Kalifornien, New York oder Illinois nicht zusammenbrechen lassen. Das systemische Überleben ist dadurch bedroht. Man wird auch noch viel mehr ausgeben, um die Arbeitslosen zu unterstützen. Von politischer Taktik im Wahljahr etc. einmal abgesehen, so bleibt auch noch der Bankensektor, der erneut Bailouts benötigt, weil die Solvenzfrage wieder in den Mittelpunkt rückt. Das Staatsdefizit wird sich stark aufblähen. Es wird sich stärker aufblähen, als man mit irgendeiner jener Formeln berechnen könnte und die staatliche Finanzierung muss zwangsläufig explodieren.


The Gold Report: Sie sehen also ganz deutlich, dass wir außer Kontrolle geraten.

John Williams: Wir reden immer über eine Rezession der Wirtschaft, aber wir befinden uns eigentlich auf dem Weg zu etwas viel schlimmeren. Nach meiner Definition haben wir eine Depression, wenn die Wirtschaftsleistung insgesamt um mindestens 10% zurückgeht. Was die Gesamtwirtschaft angeht, haben wir einen 10%igen Rückgang des BIPs noch nicht erreicht. Daher befinden wir uns formal auch nicht in einer Depression, aber wir können es an einer Reihe von Indikatoren ablesen - und ich denke, wir werden uns in naher Zukunft, dann wenn das BIP schließlich um 10% gesunken ist, in einer Depression befinden.

Wenn die Wirtschaft, insgesamt betrachtet, um mehr als 25% geschrumpft ist, sprechen wir von einer großen Depression. Und eben das sehe ich kommen; aber es wird die Hyperinflation sein, die uns dorthin bringt und der sich daraus ergebende Stillstand des normalen Handelsverkehrs.


The Gold Report: Viele Leute verstehen unter Hyperinflation ganz unterschiedliche Dinge. Wie ist Ihre Definition?

John Williams: Meine Definition war und ist sehr simpel und das wird sie auch bleiben. Wenn die größte zirkulierende Banknote (und im Fall des US-Dollars ist es die 100 $-Note) denselben Wert wie Toilettenpapier hat, dann haben wir eine Hyperinflation. Das ließ sich in der Weimarer Republik beobachten. Die Menschen tapezierten damals ihre Wände mit Geld.


The Gold Report: Ich glaube, Sie hatten damals gesagt, die Wirtschaft Zimbabwes hätte nur überleben können, weil man anfing, den Dollar als Schwarzmarktwährung zu benutzen.

John Williams: Aber in den Vereinigten Staaten hat man nichts, auf das man zurückgreifen könnte. In den USA werden wir insgesamt viel härtere Zeiten haben als in Zimbabwe. Zimbabwe konnte funktionieren, weil die Menschen ihre lokale Währung in Dollars tauschen konnten und anschließend Dinge mit diesen Dollars kaufen konnten. Die Wirtschaft konnte somit weiterfunktionieren. Wenn die Währung wertlos wird und kein solches Sicherungssystem existiert, werden alle logistischen Ketten schwer gestört. Wenn die Menschen nichts zu essen haben, werden wir schließlich sehr gefährliche Zustände haben.


The Gold Report: Denken Sie, dass Edelmetalle oder eine andere Währung wirkliches Potential als Sicherungssysteme haben?

John Williams: Na ja, schon. Ich denke, sie werden sich sehr schnell zu einem solchen Sicherungssystem entwickeln, aber wir haben bisher keinen so weit entwickelten Schwarzmarkt für eine andere Währung, denn der Dollar bleibt die Weltreservewährung. Alles Mögliche kann sich daraus entwickeln, was wir nicht vorhersehen können. Was könnte benutzt werden, um die Funktion des Dollars zu ersetzen? Gold und Silber? Es gibt nur ein begrenztes Angebot an Edelmetallen und im Allgemeinen besitzt die breite Bevölkerung kaum Edelmetalle. Harte Währungen aus Kanada oder Australien? Sie würden dafür nicht in ausreichendem Maße zirkulieren, zumindest nicht zeitnah. Ich denke, es wird in Richtung eines Tauschsystems gehen, solange bis sich das nationale Währungssystem stabilisiert hat, aber das Währungssystem kann sich nicht stabilisieren, solange die Staatsfinanzen nicht in Ordnung und unter Kontrolle sind.

Es ergibt keinen Sinn, eine neue Währung basierend auf einem Goldstandard einzuführen, wenn man auch weiterhin über seine Verhältnisse lebt, denn dann wird es am Ende nur regelmäßige Entwertungen gegenüber Gold geben. Also: Was immer auch getan wird, um eine neues Währungssystem einzuführen, es muss in jedem Fall mit einer gründlichen Instandsetzung der staatlichen Finanzsituation einhergehen. In der Zwischenzeit würde sich eben ein Art Tauschsystem herausbilden. Aber selbst das wird möglicherweise etwa sechs Monate brauchen, um sich zu stabilisieren.


The Gold Report: Man kann sich das kaum vorstellen.

John Williams: In der Weimarer Republik konnte man eines Abends in ein feines Restaurant gehen und die teuerste Flasche Wein zusammen mit einem guten Gericht genießen. Bevor man sich setzte, wurde sicherlich der Preis ausgehandelt, denn nach dem Abendessen wäre der Preis schon wieder gestiegen. Am nächsten Morgen wäre die leere Weinflasche als Altglas schon mehr Wert gewesen als die teuere Flasche am Abend zuvor. So schnell ändern sich die Dinge in einer Hyperinflation.

Wir haben aber jetzt einen Umstand, den es in der Weimarer Republik nicht gegeben hatte: Unsere Gesellschaft ist sehr stark abhängig vom elektronischen Geld. Sagen wir, Sie haben eine Kreditkarte mit einem Limit von 10.000 $. In einer Hyperinflation könnten diese 10.000 $ noch für ein Brotlaib reichen.




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