Brüssel ist gut für Gold
01.07.2012 | Manfred Gburek
Wachstumspakt, großzügige Hilfen für angeschlagene Staaten und Banken, einheitliche Bankenaufsicht durch die Europäische Zentralbank und einiges mehr - der EU-Gipfel in Brüssel hat fast alles geboten, was die Schuldensünder in der Eurozone sich erhofft hatten. Also ein Durchbruch in der Staatsschulden- und Eurokrise? Fehlanzeige. Doch die hat zwei Seiten: eine volkswirtschaftlich problematische und eine für Anleger durchaus positive, vorausgesetzt, sie haben ihr Geld in Edelmetalle und Aktien statt in Anleihen, Sparbriefe und Rentenfonds investiert.
Kommen wir zunächst zur volkswirtschaftlichen Seite: Der noch vor Monatsfrist dominierende Jubel der Erleichterung an den Finanzmärkten, sofern es um jegliche Art von Papiergeld ging, ist verhallt. Und nun? Verfolgen Sie zum Beispiel weiter intensiv den Terminkontrakt Bund Future, um sich ein Bild von der Dramatik der bereits eingetretenen Zinswende zu machen. Er ist der sensibelste Zinsseismograf und fällt überproportional, wenn sich eine Zinswende nach oben anbahnt. Sie finden seinen Preis im Internet (comdirect.de, finanzen.net, onvista.de u.a.) sowie in Spartensendern wie N24 und n-tv.
Dort konnten Sie in den vergangenen zwei Wochen seinen Absturz von über 146 auf unter 141 Punkte verfolgen. Dann wissen Sie, dass die Zinswende in Gestalt des Renditeanstiegs langlaufender Bundesanleihen gekommen ist – ein geradezu klassisches Indiz dafür, dass Insider die Brüsseler Beschlüsse vorweggenommen haben und dass sie mit Bundesanleihen wohl weiter à la baisse spekulieren werden. Dass der zeitweise im Vergleich zum Dollar schwache Euro sich inzwischen wieder gefangen hat, passt in dieses Bild. Denn höhere Renditen in Euro lenken die internationalen Kapitalströme vorübergehend in die Gemeinschaftswährung.
Darüber sollten Sie allerdings nicht die folgenden Aspekte außer Acht lassen: Die Brüsseler Beschlüsse führen zu noch mehr Spaltung zwischen der Eurozone und der übrigen EU einerseits sowie zwischen den Befürwortern und Gegnern von noch mehr Schulden andererseits. Sie bringen quasi aus der Hüfte geschossene Hilfen für Länder wie Italien und Spanien mit sich statt einer langfristig angelegten Euro-Strategie. Und sie werden am Ende auf die dringend erforderliche Neuverhandlung des Vertrags von Maastricht hinauslaufen, der ja dem Euro zugrunde liegt.
Für Kreditnehmer, unter anderem Bauherren und Mittelständler, kommt aus Brüssel auf dem Umweg über den Bund Future das klare Signal, die im langjährigen Vergleich immer noch extrem niedrigen Zinsen jetzt möglichst lange zu binden. Dabei ist im Übrigen ein ganz wichtiger Aspekt zu berücksichtigen: Banken und Sparkassen wollen mehr Sicherheiten haben, bevor sie einen Kredit gewähren. Dazu hier nur ein Beispiel aus dem neuen FMH-Zinsreport:
"Haus- und Wohnungskäufer, die 80% und mehr des Immobilienwerts als Darlehen aufnehmen wollen, müssen mit höheren Aufschlägen rechnen als vor wenigen Wochen. Die Banken verlangen für Kredite mit einem Beleihungsauslauf von 90% und einer Laufzeit von 15 Jahren inzwischen 0,31 Prozentpunkte mehr Zinsen als bei einem Darlehen mit gleicher Laufzeit und einer Finanzierung von 50%. Anfang Juni hatte dieser Aufschlag noch 0,24% betragen."
Zurück nach Brüssel: Die Sprache erwies sich dort einmal mehr als Handicap, und zwar im doppelten Sinn. Um nur ein einfaches Beispiel zu nennen: Allein schon Begriffe wie Fiskalpakt und Wachstumspakt sind unscharf und lassen folglich allerlei Interpretationen zu. Durch ihre Übersetzung in andere Sprachen verlieren sie dann weiter an Präzision, sodass jedes Land sie nach Gusto deuten kann. Und nun stelle man sich das Ganze eingebettet in den Wirrwarr der zurzeit üblichen Finanzsprache vor, die von Rettungsfonds und -schirmen, Eurobonds und -bills nur so wimmelt. Da bleiben auch noch so intensiv diskutierte Verträge auf der Strecke - es gibt ja bald wieder einen Europa-Gipfel im Oktober, dann im Dezember usw.
In Brüssel wurde eines besonders deutlich: Länder wie Italien und Spanien, aber auch Frankreich, verfolgen eine ganz andere Wirtschaftspolitik als etwa Deutschland, die Niederlande oder Finnland. Der Rest der Eurozone ist hin und her gerissen, neigt aber mehrheitlich eher zum erstgenannten Dreierblock. Das bedeutet im Endeffekt: Die Länderfraktion, die am liebsten alle Schulden in einen Topf befördern möchte, um sie dann neu - zu Lasten von Deutschland & Co. - aufzuteilen, überwiegt bei Weitem. Sie hat sich in Brüssel durchgesetzt. Insofern erscheint der von deutscher Seite zuletzt forcierte Vorschlag, man möge doch erst einmal der Brüsseler Bürokratie das Recht einräumen, in die einzelnen nationalen Haushalte einzugreifen, bevor es zum gemeinsamen Schuldentopf kommt, eher wie ein verzweifelter Hilferuf.
Sicher ist Ihnen auch aufgefallen, dass der Goldpreis nach der bis zu den Brüsseler Beschlüssen anhaltenden Schwächephase wieder nach oben gedreht hat. Dieses Runter und Rauf - bei leichtem Abwärtstrend in Euro und etwas stärkerem in Dollar - dauert nun schon seit neun Monaten an, wobei für Goldbesitzer dementsprechend ja das folgende Phänomen tröstlich sein mag: Wer den Preis für den Kilobarren Gold verfolgt, stellt fest, dass er sich in der fraglichen Zeit weitgehend über 40.000 Euro gehalten und im Vergleich zum Dollar-Goldpreis weniger verloren hat. Das ist ganz einfach darauf zurückzuführen, dass der Euro im Vergleich zum Dollar in derselben Zeit gefallen ist.
Man muss sich den hier beschriebenen Zusammenhang immer wieder vor Augen führen, um zumindest zu dieser Erkenntnis zu kommen: Während die Währungen munter hin und her schwanken, bleibt Gold der Fels in der Brandung. Und das bei einem seit über elf Jahren anhaltenden intakten Aufwärtstrend, der bisher nur zwei Mal nennenswert unterbrochen wurde, 2008 und seit September 2011.
Die Zinswende und dann noch die halbgaren Brüsseler Beschlüsse haben eines deutlich gemacht: Das Misstrauen in das europäische Papiergeld namens Euro ist so gut wie programmiert. Das Dollar-Papiergeld ist nicht besser, sondern eher schlechter, wenn man die Schulden der USA zur dortigen Wirtschaftsleistung in Beziehung setzt. Daraus folgt: Gold hat heute mehr denn je die Funktion als Fels in der Brandung. Silber übrigens auch, doch dessen viel heftigere Preisschwankungen erfordern starke Anlegernerven.
© Manfred Gburek
www.gburek.eu
Herr Gburek ist Fachjournalist und Buchautor. Seine letzten Werke waren: "Das Goldbuch" (2005), das Wörterbuch "Geld und Gold klipp und klar von A bis Z" (2007) und "Die 382 dümmsten Sprüche der Banker" (2008).
Kommen wir zunächst zur volkswirtschaftlichen Seite: Der noch vor Monatsfrist dominierende Jubel der Erleichterung an den Finanzmärkten, sofern es um jegliche Art von Papiergeld ging, ist verhallt. Und nun? Verfolgen Sie zum Beispiel weiter intensiv den Terminkontrakt Bund Future, um sich ein Bild von der Dramatik der bereits eingetretenen Zinswende zu machen. Er ist der sensibelste Zinsseismograf und fällt überproportional, wenn sich eine Zinswende nach oben anbahnt. Sie finden seinen Preis im Internet (comdirect.de, finanzen.net, onvista.de u.a.) sowie in Spartensendern wie N24 und n-tv.
Dort konnten Sie in den vergangenen zwei Wochen seinen Absturz von über 146 auf unter 141 Punkte verfolgen. Dann wissen Sie, dass die Zinswende in Gestalt des Renditeanstiegs langlaufender Bundesanleihen gekommen ist – ein geradezu klassisches Indiz dafür, dass Insider die Brüsseler Beschlüsse vorweggenommen haben und dass sie mit Bundesanleihen wohl weiter à la baisse spekulieren werden. Dass der zeitweise im Vergleich zum Dollar schwache Euro sich inzwischen wieder gefangen hat, passt in dieses Bild. Denn höhere Renditen in Euro lenken die internationalen Kapitalströme vorübergehend in die Gemeinschaftswährung.
Darüber sollten Sie allerdings nicht die folgenden Aspekte außer Acht lassen: Die Brüsseler Beschlüsse führen zu noch mehr Spaltung zwischen der Eurozone und der übrigen EU einerseits sowie zwischen den Befürwortern und Gegnern von noch mehr Schulden andererseits. Sie bringen quasi aus der Hüfte geschossene Hilfen für Länder wie Italien und Spanien mit sich statt einer langfristig angelegten Euro-Strategie. Und sie werden am Ende auf die dringend erforderliche Neuverhandlung des Vertrags von Maastricht hinauslaufen, der ja dem Euro zugrunde liegt.
Für Kreditnehmer, unter anderem Bauherren und Mittelständler, kommt aus Brüssel auf dem Umweg über den Bund Future das klare Signal, die im langjährigen Vergleich immer noch extrem niedrigen Zinsen jetzt möglichst lange zu binden. Dabei ist im Übrigen ein ganz wichtiger Aspekt zu berücksichtigen: Banken und Sparkassen wollen mehr Sicherheiten haben, bevor sie einen Kredit gewähren. Dazu hier nur ein Beispiel aus dem neuen FMH-Zinsreport:
"Haus- und Wohnungskäufer, die 80% und mehr des Immobilienwerts als Darlehen aufnehmen wollen, müssen mit höheren Aufschlägen rechnen als vor wenigen Wochen. Die Banken verlangen für Kredite mit einem Beleihungsauslauf von 90% und einer Laufzeit von 15 Jahren inzwischen 0,31 Prozentpunkte mehr Zinsen als bei einem Darlehen mit gleicher Laufzeit und einer Finanzierung von 50%. Anfang Juni hatte dieser Aufschlag noch 0,24% betragen."
Zurück nach Brüssel: Die Sprache erwies sich dort einmal mehr als Handicap, und zwar im doppelten Sinn. Um nur ein einfaches Beispiel zu nennen: Allein schon Begriffe wie Fiskalpakt und Wachstumspakt sind unscharf und lassen folglich allerlei Interpretationen zu. Durch ihre Übersetzung in andere Sprachen verlieren sie dann weiter an Präzision, sodass jedes Land sie nach Gusto deuten kann. Und nun stelle man sich das Ganze eingebettet in den Wirrwarr der zurzeit üblichen Finanzsprache vor, die von Rettungsfonds und -schirmen, Eurobonds und -bills nur so wimmelt. Da bleiben auch noch so intensiv diskutierte Verträge auf der Strecke - es gibt ja bald wieder einen Europa-Gipfel im Oktober, dann im Dezember usw.
In Brüssel wurde eines besonders deutlich: Länder wie Italien und Spanien, aber auch Frankreich, verfolgen eine ganz andere Wirtschaftspolitik als etwa Deutschland, die Niederlande oder Finnland. Der Rest der Eurozone ist hin und her gerissen, neigt aber mehrheitlich eher zum erstgenannten Dreierblock. Das bedeutet im Endeffekt: Die Länderfraktion, die am liebsten alle Schulden in einen Topf befördern möchte, um sie dann neu - zu Lasten von Deutschland & Co. - aufzuteilen, überwiegt bei Weitem. Sie hat sich in Brüssel durchgesetzt. Insofern erscheint der von deutscher Seite zuletzt forcierte Vorschlag, man möge doch erst einmal der Brüsseler Bürokratie das Recht einräumen, in die einzelnen nationalen Haushalte einzugreifen, bevor es zum gemeinsamen Schuldentopf kommt, eher wie ein verzweifelter Hilferuf.
Sicher ist Ihnen auch aufgefallen, dass der Goldpreis nach der bis zu den Brüsseler Beschlüssen anhaltenden Schwächephase wieder nach oben gedreht hat. Dieses Runter und Rauf - bei leichtem Abwärtstrend in Euro und etwas stärkerem in Dollar - dauert nun schon seit neun Monaten an, wobei für Goldbesitzer dementsprechend ja das folgende Phänomen tröstlich sein mag: Wer den Preis für den Kilobarren Gold verfolgt, stellt fest, dass er sich in der fraglichen Zeit weitgehend über 40.000 Euro gehalten und im Vergleich zum Dollar-Goldpreis weniger verloren hat. Das ist ganz einfach darauf zurückzuführen, dass der Euro im Vergleich zum Dollar in derselben Zeit gefallen ist.
Man muss sich den hier beschriebenen Zusammenhang immer wieder vor Augen führen, um zumindest zu dieser Erkenntnis zu kommen: Während die Währungen munter hin und her schwanken, bleibt Gold der Fels in der Brandung. Und das bei einem seit über elf Jahren anhaltenden intakten Aufwärtstrend, der bisher nur zwei Mal nennenswert unterbrochen wurde, 2008 und seit September 2011.
Die Zinswende und dann noch die halbgaren Brüsseler Beschlüsse haben eines deutlich gemacht: Das Misstrauen in das europäische Papiergeld namens Euro ist so gut wie programmiert. Das Dollar-Papiergeld ist nicht besser, sondern eher schlechter, wenn man die Schulden der USA zur dortigen Wirtschaftsleistung in Beziehung setzt. Daraus folgt: Gold hat heute mehr denn je die Funktion als Fels in der Brandung. Silber übrigens auch, doch dessen viel heftigere Preisschwankungen erfordern starke Anlegernerven.
© Manfred Gburek
www.gburek.eu
Herr Gburek ist Fachjournalist und Buchautor. Seine letzten Werke waren: "Das Goldbuch" (2005), das Wörterbuch "Geld und Gold klipp und klar von A bis Z" (2007) und "Die 382 dümmsten Sprüche der Banker" (2008).