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Mit Aktien und Edelmetallen gegen die schleichende Enteignung

08.07.2012  |  Manfred Gburek
Die Leitzinssenkung vom vergangenen Donnerstag birgt viel Sprengstoff. Sie wurde von so manchem Medium als historisch bezeichnet, weil Banken sich jetzt zum ersten Mal seit Bestehen der Europäischen Währungsunion Geld bei der Europäischen Zentralbank zu einem Zinssatz unter 1 Prozent leihen können, nämlich zu 0,75 Prozent. Damit ist unter anderem Ländern wie Spanien und Italien Tribut gezollt, während deutsche Sparer, aber auch Kreditnehmer in die Röhre gucken: Die einen, weil sie auf ihren Spar-, Tagesgeld- oder Festgeldkonten demnächst noch weniger Zinsen gutgeschrieben bekommen, die anderen, weil Banken und Sparkassen den ihnen gewährten Zinsvorteil nur in Ausnahmefällen - bei besonders guter Bonität der Kunden - diesen über günstigere Kreditkonditionen weiterreichen.

Noch mehr als die Leitzinssenkung hat indes eine ihrer gravierenden Folgen das Attribut historisch verdient, und die steht schon seit Monaten fest: Enteignung. Denn die Inflationsrate, sprich Geldentwertung, mag noch so niedrig sein, höher als die Zinsprozente der Sparer bleibt sie allemal. Das heißt, die Realzinsen sind negativ. Nun könnte man meinen, dass die niedrigen Zinsen wenigstens den Kreditnehmern zum Vorteil gereichen. Doch abgesehen davon, dass Banken und Sparkassen hohe Aufschläge kassieren, wenn die Bonität eines Kunden ihnen nicht geheuer erscheint, scheuen sie sich in vielen Fällen, überhaupt Kreditverhandlungen zu führen.

Am vergangenen Donnerstag geschah noch etwas Erklärungsbedürftiges: Sofort nach der Zinsentscheidung fielen Aktienkurse, Edelmetallpreise und der Euro. Das kann man in Bezug auf Aktien und Edelmetalle zweifach interpretieren: Entweder reagierten Anleger enttäuscht, die vorher mit einer Zinssenkung auf 0,5 statt auf 0,75 Prozent gerechnet hatten, oder sie hielten die Zinssenkung für ein Signal, dass eine Rezession drohe, die über niedrigere Zinsen abzufedern sei.

Für die zweite Version spricht zwar mehr, aber das bedeutet nicht, dass die Anleger, die sich hektisch von ihren Aktien und Edelmetallen trennten, richtig handelten. Denn zum einen werden Aktien im Vergleich zu Anleihen umso interessanter, je niedriger sich Anleihen verzinsen, zum anderen lassen niedrigere Nominalzinsen die Realzinsen noch mehr ins Minus rutschen, was neben den Aktien erfahrungsgemäß auch den Edelmetallen zugute kommt.

Nun argumentiert ein Teil der Börsianer, Rezession bedeute: fallende Unternehmensgewinne und damit schon im Vorgriff darauf sinkende Aktienkurse, außerdem wenig Interesse an Edelmetallen, weil die Leute ihr Geld lieber auf die hohe Kante legen. Solchen Argumenten kann man sich zunächst gefühlsmäßig nicht verschließen. Doch dann taucht die berechtigte Frage auf: Rezession hin, Rezession her, warum eigentlich fallen Aktienkurse und Edelmetallpreise, wenn durch die Zinssenkung mehr Geld in die Märkte gepumpt wird und die total ausgereizten Kurse der Bundesanleihen nicht gerade dafür sprechen, dass das zusätzliche Geld diese Papiere begünstigt? Oder werden etwa problematische italienische und spanische Anleihen, bloß weil sie viel höhere Kupons haben als deutsche Bundesanleihen, auf einmal zu den Favoriten der Anleger?

Um die Antwort gleich auf den Punkt zu bringen: Die Reaktion der Aktien und der Edelmetalle war ein kurzfristiger Reflex, mehr nicht. Bei dem in die Mühlen der Politik geratenen Euro mag das anders sein, Konkretes wird sich hier aber erst in den kommenden Monaten zeigen.

Wegen der ausgeprägten europäischen Staatsschuldenkrise verbietet sich jegliches mittel- bis langfristige Engagement in Anleihen des Euroraums, ganz egal, ob diese von Deutschland oder von anderen Euroländern emittiert wurden. Denn Bundesanleihen drohen in den Strudel der um fast jeden Preis angestrebten Eurorettung gerissen zu werden, und die höher verzinslichen Anleihen der anderen Euroländer befinden sich längst auf der Rating-Kippe. Folglich bleiben - neben Immobilien (trotz all ihrer Probleme, vor allem im gewerblichen Bereich) - als liquide Alternativen in erster Linie Aktien übrig und als liquide Versicherung für den Fall, dass die Welt unterzugehen droht, Edelmetalle mit dem Schwerpunkt Gold.

Aktien, über die ich mich hier in den vergangenen Wochen häufiger ausgelassen habe und die ich auch weiter kommentieren werde, sind komplexe Gebilde. Das ist einer der Gründe, warum nicht einmal 4 Prozent der deutschen Bevölkerung Aktien auf dem direkten Weg besitzen, also nicht auf dem Umweg über Fonds, die im Prinzip eine andere Anlagekategorie sind. Es gibt allerdings noch einen weiteren Grund für den Aktienattentismus: Aktionäre haben keine wirkliche Lobby. So kommt es, dass die Bankenlobby ihr eigenes Süppchen kocht und es zum Beispiel eher geschafft hat, dem Bund das Geschäft mit privaten Kunden zu vermiesen, als etwas für die Förderung der direkten Aktienanlage zu unternehmen.

Doch bei aller Aktienkomplexität: Als Anleger haben Sie die Chance, zu niedrigen Kursen einzusteigen, Dividenden zu kassieren und entsprechend Ihrem individuellen Anlagehorizont nach einigen Wochen, Monaten oder Jahren mit Gewinn wieder auszusteigen. Woran Sie sich dabei allerdings gewöhnen müssen: Aktienkurse schwanken, und das manchmal so heftig, dass die meisten Anleger dadurch ganz nervös werden, Aktien zu niedrigen Kursen verkaufen und zu hohen Kursen kaufen - schließlich hat ihnen ja kaum jemand beigebracht, wie man es umgekehrt macht. Dass das Ganze auch ein psychologisches Phänomen ist, das man mit etwas Übung beherrschen kann, ist allein schon in dem einen oder anderen preiswerten Taschenbuch von André Kostolany nachzulesen.

Die sichersten Aktiengewinne sind durch Käufe nach einem länger anhaltenden Kursrückgang mit abschließendem Crash zu erzielen, wie etwa im Frühjahr 2003 oder im Spätherbst 2008, und mit Verkäufen, wenn alle Welt euphorisch ist und Aktien es auf die Titelseite der Bild-Zeitung schaffen. Zurzeit haben wir es jedoch nicht mit einer vergleichbaren Konstellation zu tun wie 2003 oder 2008, sondern mit Schaukelbörsen. Da hilft nur eines: Sich mit einem Teil des frei verfügbaren Geldes (zum Beispiel mit einem Drittel) engagieren und in aller Seelenruhe abwarten, was danach passiert.

Schlagen die Kurse dann auf breiter Front nach unten aus, empfiehlt sich zunächst weiteres Warten. Schlagen sie dagegen nach oben aus, ist es in der Regel ratsam, die ersten Kursgewinne mitzunehmen, es sei denn, man verfügt über insidermäßige Informationen, die das Halten nahelegen. Bei einem weiteren allgemeinen Kursanstieg finden sich nämlich erfahrungsgemäß andere kaufenswerte Aktien, die den Kursaufschwung zunächst nicht mitgemacht haben. Das alles erfordert natürlich ein ständiges zeitraubendes Beobachten der Aktienkurse. Alternativen? Ja, Edelmetalle, aber die dürften Sie ja schon genug haben. Das Schöne am Zusammenspiel von Aktien und Edelmetallen ist übrigens: Beide schützen bis zu einem gewissen Grad vor der anfangs erwähnten drohenden Enteignung.


© Manfred Gburek
www.gburek.eu

Herr Gburek ist Fachjournalist und Buchautor. Seine letzten Werke waren: "Das Goldbuch" (2005), das Wörterbuch "Geld und Gold klipp und klar von A bis Z" (2007) und "Die 382 dümmsten Sprüche der Banker" (2008).



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