US-Staatsbilanz nach GAAP für 2004
27.07.2005 | Dr. Dietmar Siebholz
Seit dem Jahre 1997 wird der Bundeshaushalt der USA nachträglich in eine Art Bilanzbericht umgewandelt. Das Publikum nimmt ihn kaum wahr, aber die Fachleute finden eine Menge Hinweise, die ihnen die Regierung sonst sicherlich vorenthalten hätte. Dieser Bericht ist - wenn man ihn unter den Gesichtspunkten eines Unternehmens sieht - äußerst unangenehm für die Regierenden.
GAAP fordert von Unternehmen - und in diesem Bericht dann auch vom Staat - dass in der Bilanz alle künftigen Verbindlichkeiten, die mit dem Haushalt in Verbindung stehen, ausgewiesen werden und nicht nur die verbuchten und finanzierten Verbindlichkeiten erscheinen.
So musste die Bush-Administration nach der neuen Gesetzeslage beim Programm Medicare (Medikamentenzuschüsse für die ärmere Bevölkerung) Rückstellung für die Periode der wahrscheinlichen Inanspruchnahme bis zu 75 Jahre von ca. 8.000 Mrd. US$ bilden. Diese Rückstellung erscheint im neuen Jahresbericht für 2004 und stellt die verbuchten und die zurückgestellten. Nunmehr auf insgesamt 45.892 Mrd. US$. Bei Steuer- und sonstigen Einnahmen pro Jahr von ca. 2.200 Mrd. $ kann man sich kaum vorstellen, dass eine Rückführung dieser Verbindlichkeiten je möglich sein wird.
Ein weiteres Phänomen wird im Jahresbilanzbericht erläutert, nämlich die Aufteilung der Staats-schulden in solche gegenüber Dritten (4.329 Mrd. US$.) und solche gegenüber anderen Staatsinstitutionen (3.071 Mrd. US$.) Im Klartext bedeutet dies, dass die USA gegenüber bestimmten Trusts z.B. Sozialversicherungen, Railroad Retirement Plan etc. Verbindlichkeiten zu bedienen haben, weil der Staat sich an den Guthaben dieser Funds (Institutionen) bedient hat Seit Lyndon B. Johnson wird dieser Zugriff unter dem Begriff "Unified Budget Accounting" definiert. Die so gerupften Fonds haben ihrerseits aber Verzinsungsansprüche gegenüber dem Staat USA, die dann wieder bei den Fonds ent-sprechend ausgewiesen werden müssen.
In den Haushaltsdefiziten werden diese Zinsen aber nicht ausgewiesen, so dass es Defizite nach dem Prinzip "Unified Budget Accounting" gibt und reine Haushaltsdefizite "net operating costs" gibt.
So wie Unternehmen auch künftige noch nicht ausgabenwirksame gewordenen Verbindlichkeiten in ihrer Bilanz erfassen müssen, so sollte es nach der Entscheidung des Kongresses auch bei einem Staat wie den USA gehandhabt werden. Die unvertretbare Belastung künftiger Generationen mit Verbindlichkeiten, deren Ausgaben heute den Rechtsgründen nach schon feststehen, aber die nicht in irgendeiner Weise aktuell zu budgetieren wären, sollte offensichtlich werden.
Die ersten vollwertigen Finanzberichte dieser (GAAP-)Art wurden im Jahre 1998 veröffentlicht. Obwohl die Aussagen darin brisanten Charakter hatten, wurden diese Berichte kaum von der Öffentlichkeit zur Kenntnis genommen. Das lag und liegt daran, dass die Presseorgane regelmäßig nur die Budgets diskutierten und die Finanzberichte nach GAAP quasi als "Nachschau" zu den Budgets betrachten, also als Information ohne aktuellen Wert.
Der Blick in diese Finanzberichte würde aber ausreichen, um wesentliche Erkenntnisse zu ziehen. Nimmt man die Werte aus dem Bericht für 2004, so muss sich jedem Betrachter die Frage stellen, wie die USA je diese Bürde finanzieren oder die hierfür aufgenommenen Anleihen zurückzahlen möchten oder könnten. Um ihre Haushalts- und Handelsbilanzdefizite ausgleichen zu können, müssen die USA schon heute täglich zwischen 2 und 3 Mrd. US$ Liquiditätszuflüsse sicherstellen.
Diese Defizite sind unter dem Gesichtspunkt zu sehen, dass die offizielle - verbuchte Verschuldung der USA mit etwa 7.400 Mrd. $ anzusehen ist - und das genehmigte Verschuldungspotential also die derzeit maximal mögliche Schuldaufnahme der Regierung mit 8.184 Mrd. US$ vom Kongress definiert wurde.
Nicht nur der langfristig dokumentierte und unveränderte Trend hin zur Staatverschuldung ist erschreckend, sondern vielmehr ist es der Anstieg der verdeckten - weil erst künftig wirkenden Verbindlichkeiten, die sich in den letzten Jahren nahezu explosionsartig ausgedehnt haben.
So musste das neue von der Bush-Regierung erlassene Gesetz zur Neuregelung der Unterstützung der ärmeren Bevölkerungskreise für die medizinische Versorgung im Rahmen der GAAP-Bilanzierungsrichtlinien zu einer Erhöhung der künftigen Verbindlichkeiten um 9.609 Mrd. US-$ für einen Zeitraum von bis zu 75 Jahren führen. Ob sich die Bürger der USA über die Konsequenzen derartiger Wahlgeschenke bewusst sind? Ich wage, es zu bezweifeln ...
Bei der Prüfung des Finanz-Jahresberichts für 2004 sind mir folgende Aussagen besonders aufgefallen:
Seite 04:
Bei Aktiven von 1.397 Mrd. US$ bestehen verbuchte Verbindlichkeiten von 9.107 Mrd US$, also ein ungedeckter Negativsaldo von 7.710 Mrd. Hier wird auch auf Seite 11 des Berichts verwiesen, wo alle budgetierten und budgetierten Verbindlichkeiten der USA mit 45.892 Mrd US$ beziffert werden. Dort wird ferner berichtet, dass die Ausgabensteigerungen fast ausschließlich auf die Erhöhungen des Verteidigungsministeriums mit ca. 50 Mrd., des Ministeriums für Gesundheit und Human-Service mit ca. 40 Mrd. und der Sozialversicherung-Verwaltung mit ca. 22 Mrd. zurückzuführen sind.
Seite 05:
Es wird dort darauf hingewiesen, dass zwischen dem Liquiditätsdefizit (615,6 Mrd. US$) und dem Budgetdefizit (412,3 Mrd.) eine Differenz von 203,3 Mrd. besteht, weil zum Jahresende eine Berichtigung für Alters- und Krankenversorgung für zivile und militärische Bedienstete eingestellt werden musste. Offiziell wird das Budgetdefizit mit 412,3 Mrd. US$ ausgewiesen, aber die "Net Operating Costs" - also die angefallenen und zu buchenden Kosten lagen entsprechend höher. (Ich bin sicher, dass auch wir in Deutschland ähnliche Buchhaltungs-Gimmicks finden könnten, wenn wir nur so die die USA auch einen nach Buchhaltungsgrundsätzen aufgestellte "Finanz-Report" aufstellen würden.
Seite 06:
Der Bericht bezieht konsequenterweise auch als "Revenues" also Einnahmen die Beiträge zur Sozialversicherung und Krankenversicherung sowie die Postgebühren der US-Mail ein, weil deren Ausgaben analog zu den Kosten oder Verbindlichkeiten gerechnet werden. In Deutschland werden diese "Einnahmen" nur bei den getrennten Körperschaften verbucht und deren Unterdeckungen dann beim Staat angemeldet. Die US-Behörden sind da schon resoluter: Sie vereinnahmen die Beiträge, und verbuchen künftige Lasten unter noch nicht zu buchende künftige Verbindlichkeiten. Wie ich hörte, schätzt man die so gestalteten Zuflüsse (die in die Geschichte ab Lyndon B. Johnson unter dem Titel "Unified Budget Policy" eingehen werden) auf mittlerweile mehr als 1.300 Mrd. US$, die die Sozial- und Krankenversicherungen dem US-Staat quasi "geborgt" haben ... Man kann nur schätzen, wie viele Mrd. US$ diese Systeme dem Staat USA insgesamt zur Verfügung gestellt haben, wenn aufgrund der demografischen Entwicklung dann im Jahre 2018 die Entnahmephase aus den Sondervermögen anstehen wird.
Seite 07:
Den größten Teil des Haushalts beansprucht das Verteidigungsministerium mit 649,8 Mrd. US$, erschreckend ist auch das prozentuale Wachstum mit ca. 9% Die Verbindlichkeiten aus diesem Ressort stiegen nämlich durch eine neues Versorgungsgesetz für Militärpersonal wesentlich, was sich im Finanzbericht entsprechend niederschlägt.
Seiet 08:
Die viertgrößte Position bleibt der Zinsaufwand für von Dritten gehaltene Staat-Anleihen; trotz der stark gestiegenen Schulden hat sich der Zinsaufwand nur sehr geringfügig erhöht, was auf die fallenden Langfristzinsen zurückzuführen ist. Die Bedeutung niedriger Zinsen für den Staat wird angesichts der hohen Neuverschuldung unübersehbar. Die Zinsen beziehen sich jedoch nur auf die Staatsschulden, die als Anleihen von Dritten gehalten werden (Notenbanken, Privatanleger, Versicherer, Fonds etc.) nicht jedoch auf andere staatliche Institutionen die Forderungen an den Staat halten. Hier wird das neue Gesetz "Medicare Prescription Drug Plan" der Bush-Administration mit seinem Auswirkungen auf den Haushalt und den Finanzbericht dargestellt; von den insgesamt ca. 295 Mio Amerikanern sollen während der Laufzeit des Gesetzes geschätzt etwa 7,3 Mio. unterstützungsberechtigt; der Bericht schätzt die wahrscheinliche Inanspruchnahme abgezinst für 75 Jahre auf 8.119 Mrd. US$, für die derzeit festgestellten Berechtigten sollen dies 6.306 Mrd. US$ sein.
Seite 09:
Den Buchwert des staatlichen Vermögens schätzt der Bericht auf 1.397,3 Mrd. $, davon nach einer Änderung des Buchhaltungsmethoden (der Bericht sagt nichts dazu aus, was sich geändert hat) für die Waffenausstattung der US-Streitkräfte ein Buchwert für diese Waffenausstattungen von 325,1 Mrd. $.
Seite 10:
Die staatlichen Versorgungszahlungen und an Dritte verkaufte Staatanleihen belaufen sich einschließlich sonstiger Verbindlichkeiten auf insgesamt 9.107 Mrd. Hinzu kommen noch "Responsabilities" also künftige Verpflichtungen von weiteren 38.182 Mrd. Verbuchte und künftige Verbindlichkeiten/Verpflichtungen kumulieren sich auf 47.289 Mrd. Aus dem Vergleich der Jahre 2003 und 2004 ist zu sehen, dass allein die neue Gesetzeslage bei dem Medicare-Programm mehr als 9.000 Mrd. Verpflichtungen auslöste.
Seite 14:
Im Bericht werden die gesamten Staatsschulden aufgeteilt auf Schulden gegenüber Dritten und Schulden gegenüber anderen Staatsinstitutionen, die Forderungen gegen den Staat haben. Die letzt genannten Verbindlichkeiten sind nicht in der Staatsbilanz enthalten, weil Forderungen und Verbindlichkeiten des Staates aus Konsolidierungsgründen ausgegliedert werden. Immerhin werden so ca. 3.000 Mrd. US$ ausgegrenzt. Nach meinem Verständnis betreffen diese Verbindlichkeiten des Staates die (sicher für Verbindlichkeiten des Staates gegenüber oder entnommene Beiträge dieser Körperschaften für vorenthaltene Einzahlungen) entsprechenden Körperschaften, die nur unter der Voraussetzung des Empfangs der Liquidität ihre Verpflichtungen erfüllen können z.B. der Pensions-Garantie-Fonds und andere z.B. Railroad Retirement Fund.
Seite 16:
Die Staatsausgaben in 2004 beliefen sich auf 2.292 Mrd. oder ca. 19,8% des Bruttoinlandsprodukts.
Seite 29:
Der "Comptroller General of the United States" stellt in seiner Begleitschrift fest, dass ein erhebliches Ungleichgewicht zwischen Vermögen und Schulden besteht und wegen der unterschiedlichen Grundvoraussetzungen für die "Bilanz" nach Haushalts- und nach GAAP-Vorschriften noch einige Unsicherheiten beständen; er führt aus, dass die aktuellen Schulden pro Kopf des arbeitenden Amerikaners mehr als 145.000 US$ ausmachen.
Seite 35:
Hier wird nochmals der Unterschied zwischen "unified budget deficit" (das ist durch das meiner Meinung nach durch umgeleitete/fehlgeleitete Zahlungen für andere Staatskörperschaften gekürzte Defizit) und "on-budget-deficit" (= Defizit ohne diese "Umbuchungen" erklärt. Wichtiger ist der Hinweis auf die nicht finanzierten Verbindlichkeiten, die zusammen mit den finanzierten um mehr als 13.000 Mrd. in 2004 gestiegen sind, vor allem durch das Inkrafttreten des neuen Medicare-Gesetzes.
Seite 38:
Das dem GAO übergebene Material weist offensichtliche Fehler und Schwächen auf, die dann im Anhang III nochmals beschrieben sind. Die im Anhang Nr. III genannten Fehler würden bei einem Abschluss in der freien Wirtschaft dazu führen, dass dieser Abschluss nicht genehmigt werden könnte.
Seite 46:
Hier wird die Differenz zwischen "net operating costs" - also buxhmässigen Kosten Und dem Defizit nach der in den USA benutzten neuen Methode "unified budget deficit" - somit dem um Zuflüsse für andere Körperschaften kompensierten Defizit von insgesamt ca. 203 Mrd. US$. Dies sind die internen Überträge von Einnahmen, die andere Körperschaften betreffen, aber im Haushalt schlicht "mit verbraten" werden. Wie auch bei uns geht die US-Regierung davon aus, dass künftige Generationen diese Verpflichtungen zu erfüllen haben nach dem Prinzip "nach uns die Sintflut..."
Seite 48:
Das GAO kritisiert, dass in den Vorjahren das Budget-Defizit durch Saldierung von Budget-Einnahmen (z.B. Sozialversicherungsbeiträge) und "Outlays" also Zahlungen ermittelt werden konnte, im Jahre 2004 nur das "unified budget deficit" mit 412,3 Mrd. bekannt gegeben wurde. Da im Vorjahr ca. 140 Mrd. als Differenz der offiziellen Werte gefunden, aber von der Regierung nicht aufgeklärt wurde.
Seite 62:
Der Saldo der bezahlten Kosten und der empfangenen Zahlungen, also das wahre Defizit ohne die Verrechnungen mit anderen Körperschaften wird nochmals auf Seite 62 gegen die unter dem Titel "unified budget deficit" ermittelten gekürzten Werte von 412,3 US$ gestellt und diese erläutert. Durch das Wegfallenlassen von einigen Kosten wurde so das zahlenmäßige Defizit um mehr als 200 Mrd. US$ gedrückt. Die Auflistung weist auf, welche Kosten und Ersparnisse unterdrückt wurden.
Seite 74 ff
Die dort gezeigten Schaubilder verdeutlichen, von welcher Anzahl von Sozialversicherungsempfängerm die Regierung für den Zeitraum von 1970 bis 2078 ausgeht. Ab dem Jahre 2030 entfallen immer mehr als 45 Versicherungsempfänger pro dann noch aktive 100 Werktätige. Das dürfte ein gefährliches Signal des dann auch in den USA gestörten Gleichgewichts darstellen.
Resumée
In den USA werden durch die Politik mit der gleichen Unverfrorenheit zu Lasten künftiger Generationen Verpflichtungen manipuliert, transitorische Posten gebildet, Einnahmen für andere Körperschaften in den Staatshaushalt als Gutschrift umgeleitet wie auch in Deutschland. Wir Deutsche sollten uns jedweder Kritik enthalten, denn nach den GAAP-Prinzipien müssten die für die deutsche Beamtenschaft, für die immer noch nicht geregelten d.h. durch Zuweisungen gesicherten Pensionszahlungen für Postbeamte, Lufthansa-Versorgungs-berechtigte, für Bahnbeamte und viele Angestellte im öffentlichen Dienst Rück-stellungen gebildet werden, die den der USA in keiner Weise nachstehen, bzw. diese in ihren Relationen noch bei weitem übersteigen.
Wenn die neue Bundesregierung oder die alte und durch die Neuwahl dann bestätigte Regierung Mut zur Wahrheit hat (um z.B. ihre als notwendig erachteten Beschlüsse umzusetzen), dann müsste sie den gleichen Schritt wie der Präsident der USA machen: Eine nach üblichen Bilanzgrundsätzen aufgestellten Finanzplan des Staates vorlegen, aus dem die erforderlichen Rückstellungen oder künftigen Kapitaleinschussverpflichtungen hervorgehen.
Haben unsere Volksvertreter dazu den Mut? Wie lautet der alte Parlamentarier-Witz: "Frage: Was verkauft ein Autovertreter? Na klar, Autos! Was verkauft ein Staubsaugervertreter? Richtig, Staubsauger! Und was verkauft ein Volksvertreter ... ?"
© Dietmar Siebholz
GAAP fordert von Unternehmen - und in diesem Bericht dann auch vom Staat - dass in der Bilanz alle künftigen Verbindlichkeiten, die mit dem Haushalt in Verbindung stehen, ausgewiesen werden und nicht nur die verbuchten und finanzierten Verbindlichkeiten erscheinen.
So musste die Bush-Administration nach der neuen Gesetzeslage beim Programm Medicare (Medikamentenzuschüsse für die ärmere Bevölkerung) Rückstellung für die Periode der wahrscheinlichen Inanspruchnahme bis zu 75 Jahre von ca. 8.000 Mrd. US$ bilden. Diese Rückstellung erscheint im neuen Jahresbericht für 2004 und stellt die verbuchten und die zurückgestellten. Nunmehr auf insgesamt 45.892 Mrd. US$. Bei Steuer- und sonstigen Einnahmen pro Jahr von ca. 2.200 Mrd. $ kann man sich kaum vorstellen, dass eine Rückführung dieser Verbindlichkeiten je möglich sein wird.
Ein weiteres Phänomen wird im Jahresbilanzbericht erläutert, nämlich die Aufteilung der Staats-schulden in solche gegenüber Dritten (4.329 Mrd. US$.) und solche gegenüber anderen Staatsinstitutionen (3.071 Mrd. US$.) Im Klartext bedeutet dies, dass die USA gegenüber bestimmten Trusts z.B. Sozialversicherungen, Railroad Retirement Plan etc. Verbindlichkeiten zu bedienen haben, weil der Staat sich an den Guthaben dieser Funds (Institutionen) bedient hat Seit Lyndon B. Johnson wird dieser Zugriff unter dem Begriff "Unified Budget Accounting" definiert. Die so gerupften Fonds haben ihrerseits aber Verzinsungsansprüche gegenüber dem Staat USA, die dann wieder bei den Fonds ent-sprechend ausgewiesen werden müssen.
In den Haushaltsdefiziten werden diese Zinsen aber nicht ausgewiesen, so dass es Defizite nach dem Prinzip "Unified Budget Accounting" gibt und reine Haushaltsdefizite "net operating costs" gibt.
So wie Unternehmen auch künftige noch nicht ausgabenwirksame gewordenen Verbindlichkeiten in ihrer Bilanz erfassen müssen, so sollte es nach der Entscheidung des Kongresses auch bei einem Staat wie den USA gehandhabt werden. Die unvertretbare Belastung künftiger Generationen mit Verbindlichkeiten, deren Ausgaben heute den Rechtsgründen nach schon feststehen, aber die nicht in irgendeiner Weise aktuell zu budgetieren wären, sollte offensichtlich werden.
Die ersten vollwertigen Finanzberichte dieser (GAAP-)Art wurden im Jahre 1998 veröffentlicht. Obwohl die Aussagen darin brisanten Charakter hatten, wurden diese Berichte kaum von der Öffentlichkeit zur Kenntnis genommen. Das lag und liegt daran, dass die Presseorgane regelmäßig nur die Budgets diskutierten und die Finanzberichte nach GAAP quasi als "Nachschau" zu den Budgets betrachten, also als Information ohne aktuellen Wert.
Der Blick in diese Finanzberichte würde aber ausreichen, um wesentliche Erkenntnisse zu ziehen. Nimmt man die Werte aus dem Bericht für 2004, so muss sich jedem Betrachter die Frage stellen, wie die USA je diese Bürde finanzieren oder die hierfür aufgenommenen Anleihen zurückzahlen möchten oder könnten. Um ihre Haushalts- und Handelsbilanzdefizite ausgleichen zu können, müssen die USA schon heute täglich zwischen 2 und 3 Mrd. US$ Liquiditätszuflüsse sicherstellen.
Diese Defizite sind unter dem Gesichtspunkt zu sehen, dass die offizielle - verbuchte Verschuldung der USA mit etwa 7.400 Mrd. $ anzusehen ist - und das genehmigte Verschuldungspotential also die derzeit maximal mögliche Schuldaufnahme der Regierung mit 8.184 Mrd. US$ vom Kongress definiert wurde.
Nicht nur der langfristig dokumentierte und unveränderte Trend hin zur Staatverschuldung ist erschreckend, sondern vielmehr ist es der Anstieg der verdeckten - weil erst künftig wirkenden Verbindlichkeiten, die sich in den letzten Jahren nahezu explosionsartig ausgedehnt haben.
So musste das neue von der Bush-Regierung erlassene Gesetz zur Neuregelung der Unterstützung der ärmeren Bevölkerungskreise für die medizinische Versorgung im Rahmen der GAAP-Bilanzierungsrichtlinien zu einer Erhöhung der künftigen Verbindlichkeiten um 9.609 Mrd. US-$ für einen Zeitraum von bis zu 75 Jahren führen. Ob sich die Bürger der USA über die Konsequenzen derartiger Wahlgeschenke bewusst sind? Ich wage, es zu bezweifeln ...
Bei der Prüfung des Finanz-Jahresberichts für 2004 sind mir folgende Aussagen besonders aufgefallen:
Seite 04:
Bei Aktiven von 1.397 Mrd. US$ bestehen verbuchte Verbindlichkeiten von 9.107 Mrd US$, also ein ungedeckter Negativsaldo von 7.710 Mrd. Hier wird auch auf Seite 11 des Berichts verwiesen, wo alle budgetierten und budgetierten Verbindlichkeiten der USA mit 45.892 Mrd US$ beziffert werden. Dort wird ferner berichtet, dass die Ausgabensteigerungen fast ausschließlich auf die Erhöhungen des Verteidigungsministeriums mit ca. 50 Mrd., des Ministeriums für Gesundheit und Human-Service mit ca. 40 Mrd. und der Sozialversicherung-Verwaltung mit ca. 22 Mrd. zurückzuführen sind.
Seite 05:
Es wird dort darauf hingewiesen, dass zwischen dem Liquiditätsdefizit (615,6 Mrd. US$) und dem Budgetdefizit (412,3 Mrd.) eine Differenz von 203,3 Mrd. besteht, weil zum Jahresende eine Berichtigung für Alters- und Krankenversorgung für zivile und militärische Bedienstete eingestellt werden musste. Offiziell wird das Budgetdefizit mit 412,3 Mrd. US$ ausgewiesen, aber die "Net Operating Costs" - also die angefallenen und zu buchenden Kosten lagen entsprechend höher. (Ich bin sicher, dass auch wir in Deutschland ähnliche Buchhaltungs-Gimmicks finden könnten, wenn wir nur so die die USA auch einen nach Buchhaltungsgrundsätzen aufgestellte "Finanz-Report" aufstellen würden.
Seite 06:
Der Bericht bezieht konsequenterweise auch als "Revenues" also Einnahmen die Beiträge zur Sozialversicherung und Krankenversicherung sowie die Postgebühren der US-Mail ein, weil deren Ausgaben analog zu den Kosten oder Verbindlichkeiten gerechnet werden. In Deutschland werden diese "Einnahmen" nur bei den getrennten Körperschaften verbucht und deren Unterdeckungen dann beim Staat angemeldet. Die US-Behörden sind da schon resoluter: Sie vereinnahmen die Beiträge, und verbuchen künftige Lasten unter noch nicht zu buchende künftige Verbindlichkeiten. Wie ich hörte, schätzt man die so gestalteten Zuflüsse (die in die Geschichte ab Lyndon B. Johnson unter dem Titel "Unified Budget Policy" eingehen werden) auf mittlerweile mehr als 1.300 Mrd. US$, die die Sozial- und Krankenversicherungen dem US-Staat quasi "geborgt" haben ... Man kann nur schätzen, wie viele Mrd. US$ diese Systeme dem Staat USA insgesamt zur Verfügung gestellt haben, wenn aufgrund der demografischen Entwicklung dann im Jahre 2018 die Entnahmephase aus den Sondervermögen anstehen wird.
Seite 07:
Den größten Teil des Haushalts beansprucht das Verteidigungsministerium mit 649,8 Mrd. US$, erschreckend ist auch das prozentuale Wachstum mit ca. 9% Die Verbindlichkeiten aus diesem Ressort stiegen nämlich durch eine neues Versorgungsgesetz für Militärpersonal wesentlich, was sich im Finanzbericht entsprechend niederschlägt.
Seiet 08:
Die viertgrößte Position bleibt der Zinsaufwand für von Dritten gehaltene Staat-Anleihen; trotz der stark gestiegenen Schulden hat sich der Zinsaufwand nur sehr geringfügig erhöht, was auf die fallenden Langfristzinsen zurückzuführen ist. Die Bedeutung niedriger Zinsen für den Staat wird angesichts der hohen Neuverschuldung unübersehbar. Die Zinsen beziehen sich jedoch nur auf die Staatsschulden, die als Anleihen von Dritten gehalten werden (Notenbanken, Privatanleger, Versicherer, Fonds etc.) nicht jedoch auf andere staatliche Institutionen die Forderungen an den Staat halten. Hier wird das neue Gesetz "Medicare Prescription Drug Plan" der Bush-Administration mit seinem Auswirkungen auf den Haushalt und den Finanzbericht dargestellt; von den insgesamt ca. 295 Mio Amerikanern sollen während der Laufzeit des Gesetzes geschätzt etwa 7,3 Mio. unterstützungsberechtigt; der Bericht schätzt die wahrscheinliche Inanspruchnahme abgezinst für 75 Jahre auf 8.119 Mrd. US$, für die derzeit festgestellten Berechtigten sollen dies 6.306 Mrd. US$ sein.
Seite 09:
Den Buchwert des staatlichen Vermögens schätzt der Bericht auf 1.397,3 Mrd. $, davon nach einer Änderung des Buchhaltungsmethoden (der Bericht sagt nichts dazu aus, was sich geändert hat) für die Waffenausstattung der US-Streitkräfte ein Buchwert für diese Waffenausstattungen von 325,1 Mrd. $.
Seite 10:
Die staatlichen Versorgungszahlungen und an Dritte verkaufte Staatanleihen belaufen sich einschließlich sonstiger Verbindlichkeiten auf insgesamt 9.107 Mrd. Hinzu kommen noch "Responsabilities" also künftige Verpflichtungen von weiteren 38.182 Mrd. Verbuchte und künftige Verbindlichkeiten/Verpflichtungen kumulieren sich auf 47.289 Mrd. Aus dem Vergleich der Jahre 2003 und 2004 ist zu sehen, dass allein die neue Gesetzeslage bei dem Medicare-Programm mehr als 9.000 Mrd. Verpflichtungen auslöste.
Seite 14:
Im Bericht werden die gesamten Staatsschulden aufgeteilt auf Schulden gegenüber Dritten und Schulden gegenüber anderen Staatsinstitutionen, die Forderungen gegen den Staat haben. Die letzt genannten Verbindlichkeiten sind nicht in der Staatsbilanz enthalten, weil Forderungen und Verbindlichkeiten des Staates aus Konsolidierungsgründen ausgegliedert werden. Immerhin werden so ca. 3.000 Mrd. US$ ausgegrenzt. Nach meinem Verständnis betreffen diese Verbindlichkeiten des Staates die (sicher für Verbindlichkeiten des Staates gegenüber oder entnommene Beiträge dieser Körperschaften für vorenthaltene Einzahlungen) entsprechenden Körperschaften, die nur unter der Voraussetzung des Empfangs der Liquidität ihre Verpflichtungen erfüllen können z.B. der Pensions-Garantie-Fonds und andere z.B. Railroad Retirement Fund.
Seite 16:
Die Staatsausgaben in 2004 beliefen sich auf 2.292 Mrd. oder ca. 19,8% des Bruttoinlandsprodukts.
Seite 29:
Der "Comptroller General of the United States" stellt in seiner Begleitschrift fest, dass ein erhebliches Ungleichgewicht zwischen Vermögen und Schulden besteht und wegen der unterschiedlichen Grundvoraussetzungen für die "Bilanz" nach Haushalts- und nach GAAP-Vorschriften noch einige Unsicherheiten beständen; er führt aus, dass die aktuellen Schulden pro Kopf des arbeitenden Amerikaners mehr als 145.000 US$ ausmachen.
Seite 35:
Hier wird nochmals der Unterschied zwischen "unified budget deficit" (das ist durch das meiner Meinung nach durch umgeleitete/fehlgeleitete Zahlungen für andere Staatskörperschaften gekürzte Defizit) und "on-budget-deficit" (= Defizit ohne diese "Umbuchungen" erklärt. Wichtiger ist der Hinweis auf die nicht finanzierten Verbindlichkeiten, die zusammen mit den finanzierten um mehr als 13.000 Mrd. in 2004 gestiegen sind, vor allem durch das Inkrafttreten des neuen Medicare-Gesetzes.
Seite 38:
Das dem GAO übergebene Material weist offensichtliche Fehler und Schwächen auf, die dann im Anhang III nochmals beschrieben sind. Die im Anhang Nr. III genannten Fehler würden bei einem Abschluss in der freien Wirtschaft dazu führen, dass dieser Abschluss nicht genehmigt werden könnte.
Seite 46:
Hier wird die Differenz zwischen "net operating costs" - also buxhmässigen Kosten Und dem Defizit nach der in den USA benutzten neuen Methode "unified budget deficit" - somit dem um Zuflüsse für andere Körperschaften kompensierten Defizit von insgesamt ca. 203 Mrd. US$. Dies sind die internen Überträge von Einnahmen, die andere Körperschaften betreffen, aber im Haushalt schlicht "mit verbraten" werden. Wie auch bei uns geht die US-Regierung davon aus, dass künftige Generationen diese Verpflichtungen zu erfüllen haben nach dem Prinzip "nach uns die Sintflut..."
Seite 48:
Das GAO kritisiert, dass in den Vorjahren das Budget-Defizit durch Saldierung von Budget-Einnahmen (z.B. Sozialversicherungsbeiträge) und "Outlays" also Zahlungen ermittelt werden konnte, im Jahre 2004 nur das "unified budget deficit" mit 412,3 Mrd. bekannt gegeben wurde. Da im Vorjahr ca. 140 Mrd. als Differenz der offiziellen Werte gefunden, aber von der Regierung nicht aufgeklärt wurde.
Seite 62:
Der Saldo der bezahlten Kosten und der empfangenen Zahlungen, also das wahre Defizit ohne die Verrechnungen mit anderen Körperschaften wird nochmals auf Seite 62 gegen die unter dem Titel "unified budget deficit" ermittelten gekürzten Werte von 412,3 US$ gestellt und diese erläutert. Durch das Wegfallenlassen von einigen Kosten wurde so das zahlenmäßige Defizit um mehr als 200 Mrd. US$ gedrückt. Die Auflistung weist auf, welche Kosten und Ersparnisse unterdrückt wurden.
Seite 74 ff
Die dort gezeigten Schaubilder verdeutlichen, von welcher Anzahl von Sozialversicherungsempfängerm die Regierung für den Zeitraum von 1970 bis 2078 ausgeht. Ab dem Jahre 2030 entfallen immer mehr als 45 Versicherungsempfänger pro dann noch aktive 100 Werktätige. Das dürfte ein gefährliches Signal des dann auch in den USA gestörten Gleichgewichts darstellen.
Resumée
In den USA werden durch die Politik mit der gleichen Unverfrorenheit zu Lasten künftiger Generationen Verpflichtungen manipuliert, transitorische Posten gebildet, Einnahmen für andere Körperschaften in den Staatshaushalt als Gutschrift umgeleitet wie auch in Deutschland. Wir Deutsche sollten uns jedweder Kritik enthalten, denn nach den GAAP-Prinzipien müssten die für die deutsche Beamtenschaft, für die immer noch nicht geregelten d.h. durch Zuweisungen gesicherten Pensionszahlungen für Postbeamte, Lufthansa-Versorgungs-berechtigte, für Bahnbeamte und viele Angestellte im öffentlichen Dienst Rück-stellungen gebildet werden, die den der USA in keiner Weise nachstehen, bzw. diese in ihren Relationen noch bei weitem übersteigen.
Wenn die neue Bundesregierung oder die alte und durch die Neuwahl dann bestätigte Regierung Mut zur Wahrheit hat (um z.B. ihre als notwendig erachteten Beschlüsse umzusetzen), dann müsste sie den gleichen Schritt wie der Präsident der USA machen: Eine nach üblichen Bilanzgrundsätzen aufgestellten Finanzplan des Staates vorlegen, aus dem die erforderlichen Rückstellungen oder künftigen Kapitaleinschussverpflichtungen hervorgehen.
Haben unsere Volksvertreter dazu den Mut? Wie lautet der alte Parlamentarier-Witz: "Frage: Was verkauft ein Autovertreter? Na klar, Autos! Was verkauft ein Staubsaugervertreter? Richtig, Staubsauger! Und was verkauft ein Volksvertreter ... ?"
© Dietmar Siebholz