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Was hinter dem Preisrückgang der Edelmetalle wirklich steckt

24.10.2010  |  Manfred Gburek
Der jüngste Rückgang der Preise von Gold und Silber lässt sich nicht so plausibel erklären wie der vorangegangene Anstieg. Versuchen wir es trotzdem. Als Erstes fallen mir Gewinnmitnahmen ein. Das heißt, wer bis dahin sog. Buchgewinne hatte, wandelte sie in reale Gewinne zugunsten des Kontos um und verfügt jetzt über mehr Liquidität als vorher. Mag diese Erklärung zunächst banal erscheinen, so enthält sie doch mehr als nur ein Körnchen Wahrheit. Denn die Ursache für einen solchen Gold- oder Silberverkauf könnte ja darin bestehen, dass jemand - oder eine ganze Anlegergruppe - dringend Liquidität benötigt, um beispielsweise Kredite zu tilgen oder eine Schieflage mit anderen Anlagen - Immobilien, Aktien, Derivate usw. - auszugleichen.

Im Übrigen erinnere ich Sie an einen Satz, den ich hier vor einer Woche geschrieben habe: "Eine solche Hausse wie die von Gold und Silber im September und im bisherigen Oktoberverlauf endet nicht abrupt, nur weil zwischendurch Gewinnmitnahmen stattfinden." Diese Aussage bekräftige ich heute noch einmal. Warum, ist offensichtlich: Falls eine Anlegergruppe Edelmetalle allein deshalb verkauft und damit deren Preise gedrückt hat, weil hohe Gewinne aufgelaufen waren, scheidet sie als nochmaliger Verkäufer aus; im besten Fall - aus Sicht derjenigen, die an ihren Engagements festgehalten haben - kann sie später sogar als Käufer auftreten. Und falls sie zum Verkauf gezwungen war, um Liquidität zu beschaffen, repräsentiert sie in der Regel die sog. zittrigen Hände. Darunter versteht man die Dauerverlierer unter den Anlegern. Wer Gewinne erzielen will, braucht nur zu kaufen, wenn diese Verlierer verkaufen, und umgekehrt.

Die Suche nach Erklärungen für den Preisrückgang von Gold und Silber in den vergangenen Tagen soll damit noch nicht beendet sein. Wolfgang Wrzesniok-Roßbach von der Heraeus Metallhandelsgesellschaft, ein intimer Kenner der Edelmetallmärkte, hat in seiner Kolumne auf www.goldseiten.de eine Antwort zu finden versucht, indem er den vorangegangenen Preisanstieg interpretiert. Comex-Spekulanten und ETF-Verkäufer, so der Experte, haben wegen der niedrigen Umsätze offenbar kaum dahinter gesteckt. "Zum Teil kann nur darüber spekuliert werden, wer ansonsten hinter dem Anstieg der letzten Tage gestanden haben könnte. Zum Teil waren es wohl Käufer von physischem Metall, so konnten wir eine Belebung der Barrennachfrage beobachten. Was den Rest und damit sicher den großen Teil der Käufe angeht, tappt der Markt aktuell weitgehend im Dunkeln."

Daraus folgt, dass der Markt auch im Dunkeln tappt, was den letzten Preisrückgang betrifft. Zunächst spricht viel dafür, dass - jedenfalls atmosphärisch - die gegen Deutschland gerichteten Störmanöver von US-Finanzminister Timothy Geithner im Vorfeld des G20-Finanzministertreffens dahinter stecken. Denn er ermuntert Deutschland zu mehr Konsum und zu weniger Export - eigentlich eine Lachnummer, weil Geithner wieder einmal von der Schwäche der US-Wirtschaft ablenkt, statt eine bessere Wirtschaftspolitik zu betreiben. Doch mit seinem Manöver vergiftet er die Verhandlungsatmosphäre so weit, dass schon jeglicher Verhandlungsansatz im Keim erstickt wird.

Dadurch hat er sein Ziel erreicht: Die USA können wirtschaftlich weiter vor sich hin wursteln, und die anderen - Deutschland, das übrige Europa, China, Korea (wo der G20-Finanzgipfel stattfindet) und sonstige Länder - sollen gefälligst zusehen, wie sie mit der schwächelnden US-Wirtschaft zurecht kommen. In einer solchen Atmosphäre würde sich ein neuer Goldpreisrekord nicht gut machen, denn nach wie vor gilt Gold unter den Marktteilnehmern als Anti-Dollar, und an dessen Nimbus soll aus amerikanischer Sicht gefälligst nicht gerüttelt werden.

Derweil haben meine chinesischen Informanten versucht, irgendein Indiz zu finden, das für Goldverkäufe ihrer Landsleute sprechen könnte. Aber nichts dergleichen, im Gegenteil, sie schwören Stein und Bein, die Chinesen seien privat per Saldo auf der Käuferseite; und was offiziell geschehe, bleibe ohnehin im Verborgenen. Doch warum dann das Zusammentreffen der Zinserhöhung durch Chinas Zentralbank mit dem kurzfristigen Rückgang des Goldpreises? Meine Chinesen sehen da keinen Zusammenhang.

Also gehe ich nach wie vor von der These aus, die ich in meiner letzten Kolumne bei www.wiwo.de vertreten habe: Irgendwer auf der großen weiten Welt hat ein riesiges Geldproblem, und die scharfe Reaktion der Märkte (speziell bei den vorher haussierenden Edelmetallen) auf die Zinserhöhung ist ein Beleg dafür. Denn die Globalisierung hat zur Folge, dass die Märkte viel mehr als früher verknüpft sind, dass sie folglich auch entsprechend global reagieren: Erhöhen die Chinesen ihre Zinsen, werden andere Leute weitab von China nervös. Das haben wir in einer vergleichbaren Konstellation ja schon nach dem 27. Februar 2007 erlebt, als die Aktienkurse an der Börse von Shanghai um fast 9 Prozent eingebrochen waren. Das war damals die Initialzündung für die internationale Finanzkrise, die fast ein Jahr später mit Brachialgewalt über die Märkte und speziell über die Bankenwelt hereinbrach.

Die Edelmetallpreise reagierten seinerzeit mit fast einem Jahr Verspätung zunächst nur leicht negativ, bevor sie dann im Herbst 2008 kräftiger zurückfielen. Offenbar stellten sich die Besitzer von Gold und Silber noch Anfang 2008 die Frage, ob ihre Schätze sie vor dem Schlimmsten bewahren oder ob sie als eine Art liquider Notgroschen eingesetzt werden sollten. Sie entschieden sich halb und halb, das heißt, der Goldpreis brach nur mäßig ein, der traditionell volatilere Silberpreis dagegen recht kräftig, und die Aktien der Minenkonzerne erlebten ein Kursdesaster.

Dagegen ist dieses Mal bereits nach zwei Tagen alles ausgestanden. Warum, liegt auf der Hand: Große Marktteilnehmer, die Geldprobleme haben, können sich auf das Quantitative Easing verlassen, das die Amerikaner den Europäern vorexerziert und das diese den Amerikanern im Gefolge der Griechenland-Krise nachgemacht haben. Typisch Amerika: Dort kürzt man den Begriff, der eine Metapher für das Gelddrucken ist (auch Fiat Money genannt), inzwischen mit QE 1, QE 2, QE 3 usw. ab, was so viel bedeutet wie: Ist der Geldappetit der Volkswirtschaft - speziell der Banken - mit QE 1 oder QE 2 immer noch nicht gestillt, folgt QE 3, danach QE 4 und später womöglich QE 5 bis QE 10.

Das Ende dieser Entwicklung ist absehbar: Je mehr Geld gedruckt wird, desto mehr gewinnen reale Güter (Gold, Silber, Rohstoffe, Ackerland, Immobilien in Toplagen, Unternehmen mit starker Marktstellung u.a.) an "Wert", jedenfalls gemessen am ständig schrumpfenden "Wert" des Papiergeldes. Eines Tages - wahrscheinlich noch in diesem Jahrzehnt - wird die Kaufkraft des Papiergeldes gegen Null tendieren und werden die realen Güter ihre Kaufkraft erhalten. Die Episode mit den rückläufigen Edelmetallpreisen aus der abgelaufenen Woche wird dann nicht einmal mehr eine Randnotiz in den Tagebüchern von Börsianern sein. Oder aus Papiergeldsicht betrachtet: Ob Gold dann 3000 oder 5000 Dollar (oder Euro) "wert" sein wird und Silber 50 oder 100 Dollar (oder Euro), dürfte niemanden mehr interessieren.


© Manfred Gburek
www.gburek.eu

Herr Gburek ist Fachjournalist und Buchautor. Seine letzten Werke waren: "Das Goldbuch" (2005), das Wörterbuch "Geld und Gold klipp und klar von A bis Z" (2007) und "Die 382 dümmsten Sprüche der Banker" (2008).








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