Fed - quer gedacht...
31.10.2010 | Klaus Singer
Ein neues, großes QE-Programm der Fed steht vor der Tür - Konsens unter den Analysten ist, dass das FOMC nächsten Mittwoch beschließen wird, Assets im Volumen von 80 bis 100 Mrd. Dollar pro Monat zu kaufen. Die meisten Beobachter gehen davon aus, dass das Programm zunächst auf eine Laufzeit von sechs Monaten ausgelegt ist.
Grund genug, sich einmal anzusehen, was es bisher gebracht hat, dass die Fed seit September 2008 ihre Bilanz um fast 1,5 Bill. Dollar verlängert hat. Die so in den Finanzsektor geflossenen Mittel haben dazu geführt, dass die Überschussreserven der Banken (Guthaben bei der Fed) immer noch bei knapp 1 Bill. Dollar liegen, etwas unter dem Hoch aus Februar bei 1,162 Bill. Dollar (siehe Chart!). Für 500 Mrd. Dollar wurden Treasuries und Hypothekenanleihen gekauft.
Bernanke hat erst kürzlich wieder reklamiert, dass durch die QE-Maßnahmen der Fed die Zinsen niedrig geblieben sind, was die wirtschaftliche Erholung gestützt hätte. Was erreicht wurde, das war der Fortbestand des seit 30 Jahren anhaltenden Falls der langfristigen Zinsen. Im Herbst 1981 lag die Rendite für 10jährige Staatsanleihen bei über 15%, das jüngste Tief lag bei 2,5% (siehe Chart!).
Aber was haben die Banken mit der Liquditätsschwemme angestellt? Das Verhältnis zwischen Überschuss- zu Gesamtreserven liegt seit November 2008 konstant über 90%, aktuell bei 93,6% nach einem Hoch im Februar bei 94,8% (siehe Chart!). In normalen Zeiten liegt die Quote bei unter 4%. Dies verdeutlicht das Kreditschöpungs-Potenzial der Banken. Aber es bleibt eben aktuell immer noch beim "Potenzial", die gesamten Ausleihungen der Banken sind seit September 2008 (9,18 Bill. Dollar) sogar um mehr als eine Bill. Dollar geschrumpft. Besonders stark sind dabei die Geschäftskredite zurückgegangen, nämlich von 1,61 auf 1,23 Bill. Dollar (oder um fast 24%).
Interessant auch die realwirtschaftliche Gegenseite: Moody"s zufolge horteten die US-Firmen bis zur Mitte dieses Jahres 943 Mrd. Dollar Bargeld, nicht eingerechnet die Unternehmen aus der Finanzbranche. Ende 2008 hatte der Bargeld-Bestand noch 775 Mrd. Dollar betragen.
Damit trifft zu, was Bill Gross, Pimco, schreibt: Wir befinden uns in einer Liquiditätsfalle. Es sei sehr fraglich, ob in einer solchen Situation niedrige Zinsen oder Billionen an Asset-Käufen die Kreditvergabe (oder Ausleihungen) stimulieren.
Da von der Fed-Liquidität bisher nichts in der Realwirtschaft angekommen ist, verwundert es auch nicht, dass das Vertrauen in der Real-Wirtschaft zu wünschen übrig lässt. Und wo kein Vertrauen der Unternehmen in eine stabile, berechenbare wirtschaftliche Zukunft besteht, wird weder in den Geschäftsaufbau investiert, noch erst recht in Arbeitsplätze.
Und so ist die Arbeitslosenquote seit September 2008 deutlich gestiegen, die Zahl der Jobs ist um gut sechs Millionen oder fast 4,5% gesunken (siehe Chart!). Ein typischer Rezessions-Verlauf zeigt einen Job-Verlust in der Größenordnung von 2%.
Das wiederum schlägt sich einerseits (zusammen mit der hohen Verschuldung) in mangelnder kaufkräftiger Nachfrage der Konsumenten, andererseits in geringem Konsumentenvertrauen nieder. Der entsprechende CCI-Index notiert immer noch unter dem historischen Mittelwert von 61, der Trend ist zudem abwärts gerichtet (siehe Chart!). Nicht viel anders ist es übrigens mit dem ISM-Index bestellt, der die Stimmung in der Wirtschaft widerspiegelt (siehe Chart!).
Man fragt sich, wie die Fed mit einem neuen QE-Programm das Ruder herum reißen und insbesondere die Stimmung bei Unternehmen und Verbrauchern so verbessern will, dass ein selbsttragender Aufschwung heraus kommt.
Gross vermutet, ein neues, großes QE-Programm werde wahrscheinlich das Ende des 30jährigen Bull-Marktes bei Anleihen besiegeln. Die Fed ziehe es vor, so sein Resümee, dem Patienten "Wirtschaft" eine Adrenalin-Spritze zu verpassen und ihn anschließend unter Morphium zu setzen, als zu riskieren, ihn sterben und in neuer Form auferstehen zu lassen.
Die Verantwortlichen in der Fed sind eines gewiss nicht - blöd. Sie wissen, dass ihre normalen geldpolitischen Möglichkeiten weitgehend ausgeschöpft sind. Niedriger als Null kann der Leitzins nicht werden und der Fed wird ebenfalls nicht entgangen sein, dass der Abwärtstrend der langfristigen Zinsen nicht bis in alle Ewigkeit fortbestehen kann. Der Fed ist es ebenfalls nicht entgangen, dass trotz aller Liquiditätsflut weder Kredittätigkeit, noch Stimmung, noch Arbeitsmarkt eine nachhaltige Besserung der Lage anzeigen. Und schließlich kennt auch die Fed die "verlorenen Dekaden" in Japan seit den 1990er Jahren.
Daher einmal quer gedacht: Kann es sein, dass die Fed letztendlich steigende Zinsen nicht länger verhindern, wenn nicht sogar unterstützen will?
Der Hintergedanke könnte der sein, dass hiervon das Signal ausgehen soll, die Preise würden steigen. Bernanke hatte ja wiederholt darauf hingewiesen, die Inflations-Erwartungen steigern zu wollen und ein wesentlicher Bestandteil der Inflationserwartungen sind nun einmal langfristige Renditen. Zweitens kann das potenzielle Kreditgeber veranlassen, vermehrt Darlehen auszureichen, um an den steigenden Zinsen zu verdienen. Mit einem neuen QE-Programm will die Fed die Möglichkeit haben, den Umkehrprozess insgesamt, wie in seiner Struktur bezogen auf die einzelnen Gruppen von Kreditnehmern steuern zu können. Eine zunehmende Kredittätigkeit, so könnte die Hoffnung sein, stärkt die Investitionstätigkeit, aber auch die kaufkräftige Nachfrage.
Wenn es allerdings auch QE2 nicht schafft, die Kapitalmärkte zu reflationieren, zwei % Inflation zu produzieren und die Arbeitslosigkeit auf historische Werte zurückzuführen, dann ... "gute Nacht".
RGE/Roubini kommentiert: Zwar werde zusätzliche Liquidität nicht in der Lage sein, die zugrundeliegenden (Solvenz-)Probleme zu lösen, aber zumindest sinkt durch ein umfangreiches QE-Programm die Wahrscheinlichkeit eines Double-Dip in der näheren Zukunft. Der Wortlaut der Einschätzung ist im Diskussions-Forum eingestellt.
"Aufgeschoben ist nicht aufgehoben" - Klar ist auch: Selbst wenn dieses QE2 zunächst die gewünschten Effekte produzieren sollte, so folgt daraus eine weitere enorme Aufblähung der Kreditblase. Und damit wird der Grundstein gelegt zu einer noch viel verheerenderen Kreditkrise als gehabt.
Wenn die quer gedachte Überlegung hinsichtlich QE2 stimmt, so hat das gravierende Auswirkungen auf die Finanzmärkte. Gross schreibt zu Recht, aus QE2 erwächst für Asset-Manager die Notwendigkeit, sich auf neue Gegebenheiten einzustellen. Steigende Renditen wären gleichbedeutend mit sinkenden Kursen zumindest für Staatsanleihen, wahrscheinlich auch für andere Anleiheformen. Schaffen steigende langfristige Zinsen es tatsächlich, die Inflationserwartungen zu heben, dürfte eine (auch kreditfinanzierte) Flucht in dingliche Assets (Aktien, Immobilien, Edelmetalle, Rohstoffe usw.) einsetzen mit entsprechenden Kurssteigerungen. Die Inflationserwartungen haben sich zuletzt wieder auf das im April erreichte Niveau aufgeschwungen, der hiermit bereinigte S&P 500 steht unter einem wichtigen Pegel, der in den vergangenen sieben Jahre nicht überwunden werden konnte (siehe Chart!). Die Auswirkungen auf Währungen sind schwieriger zu prognostizieren, die Diskussion hierzu würde den Rahmen sprengen. Ich vermute, die Vielzahl gegenläufiger Einflussfaktoren auf den Dollar neutralisiert sich auf mittlere Sicht.
Erwähnte Charts können über diesen Link eingesehen werden: www.timepatternanalysis.de
© Klaus G. Singer
www.timepatternanalysis.de
Grund genug, sich einmal anzusehen, was es bisher gebracht hat, dass die Fed seit September 2008 ihre Bilanz um fast 1,5 Bill. Dollar verlängert hat. Die so in den Finanzsektor geflossenen Mittel haben dazu geführt, dass die Überschussreserven der Banken (Guthaben bei der Fed) immer noch bei knapp 1 Bill. Dollar liegen, etwas unter dem Hoch aus Februar bei 1,162 Bill. Dollar (siehe Chart!). Für 500 Mrd. Dollar wurden Treasuries und Hypothekenanleihen gekauft.
Bernanke hat erst kürzlich wieder reklamiert, dass durch die QE-Maßnahmen der Fed die Zinsen niedrig geblieben sind, was die wirtschaftliche Erholung gestützt hätte. Was erreicht wurde, das war der Fortbestand des seit 30 Jahren anhaltenden Falls der langfristigen Zinsen. Im Herbst 1981 lag die Rendite für 10jährige Staatsanleihen bei über 15%, das jüngste Tief lag bei 2,5% (siehe Chart!).
Aber was haben die Banken mit der Liquditätsschwemme angestellt? Das Verhältnis zwischen Überschuss- zu Gesamtreserven liegt seit November 2008 konstant über 90%, aktuell bei 93,6% nach einem Hoch im Februar bei 94,8% (siehe Chart!). In normalen Zeiten liegt die Quote bei unter 4%. Dies verdeutlicht das Kreditschöpungs-Potenzial der Banken. Aber es bleibt eben aktuell immer noch beim "Potenzial", die gesamten Ausleihungen der Banken sind seit September 2008 (9,18 Bill. Dollar) sogar um mehr als eine Bill. Dollar geschrumpft. Besonders stark sind dabei die Geschäftskredite zurückgegangen, nämlich von 1,61 auf 1,23 Bill. Dollar (oder um fast 24%).
Interessant auch die realwirtschaftliche Gegenseite: Moody"s zufolge horteten die US-Firmen bis zur Mitte dieses Jahres 943 Mrd. Dollar Bargeld, nicht eingerechnet die Unternehmen aus der Finanzbranche. Ende 2008 hatte der Bargeld-Bestand noch 775 Mrd. Dollar betragen.
Damit trifft zu, was Bill Gross, Pimco, schreibt: Wir befinden uns in einer Liquiditätsfalle. Es sei sehr fraglich, ob in einer solchen Situation niedrige Zinsen oder Billionen an Asset-Käufen die Kreditvergabe (oder Ausleihungen) stimulieren.
Da von der Fed-Liquidität bisher nichts in der Realwirtschaft angekommen ist, verwundert es auch nicht, dass das Vertrauen in der Real-Wirtschaft zu wünschen übrig lässt. Und wo kein Vertrauen der Unternehmen in eine stabile, berechenbare wirtschaftliche Zukunft besteht, wird weder in den Geschäftsaufbau investiert, noch erst recht in Arbeitsplätze.
Und so ist die Arbeitslosenquote seit September 2008 deutlich gestiegen, die Zahl der Jobs ist um gut sechs Millionen oder fast 4,5% gesunken (siehe Chart!). Ein typischer Rezessions-Verlauf zeigt einen Job-Verlust in der Größenordnung von 2%.
Das wiederum schlägt sich einerseits (zusammen mit der hohen Verschuldung) in mangelnder kaufkräftiger Nachfrage der Konsumenten, andererseits in geringem Konsumentenvertrauen nieder. Der entsprechende CCI-Index notiert immer noch unter dem historischen Mittelwert von 61, der Trend ist zudem abwärts gerichtet (siehe Chart!). Nicht viel anders ist es übrigens mit dem ISM-Index bestellt, der die Stimmung in der Wirtschaft widerspiegelt (siehe Chart!).
Man fragt sich, wie die Fed mit einem neuen QE-Programm das Ruder herum reißen und insbesondere die Stimmung bei Unternehmen und Verbrauchern so verbessern will, dass ein selbsttragender Aufschwung heraus kommt.
Gross vermutet, ein neues, großes QE-Programm werde wahrscheinlich das Ende des 30jährigen Bull-Marktes bei Anleihen besiegeln. Die Fed ziehe es vor, so sein Resümee, dem Patienten "Wirtschaft" eine Adrenalin-Spritze zu verpassen und ihn anschließend unter Morphium zu setzen, als zu riskieren, ihn sterben und in neuer Form auferstehen zu lassen.
Die Verantwortlichen in der Fed sind eines gewiss nicht - blöd. Sie wissen, dass ihre normalen geldpolitischen Möglichkeiten weitgehend ausgeschöpft sind. Niedriger als Null kann der Leitzins nicht werden und der Fed wird ebenfalls nicht entgangen sein, dass der Abwärtstrend der langfristigen Zinsen nicht bis in alle Ewigkeit fortbestehen kann. Der Fed ist es ebenfalls nicht entgangen, dass trotz aller Liquiditätsflut weder Kredittätigkeit, noch Stimmung, noch Arbeitsmarkt eine nachhaltige Besserung der Lage anzeigen. Und schließlich kennt auch die Fed die "verlorenen Dekaden" in Japan seit den 1990er Jahren.
Daher einmal quer gedacht: Kann es sein, dass die Fed letztendlich steigende Zinsen nicht länger verhindern, wenn nicht sogar unterstützen will?
Der Hintergedanke könnte der sein, dass hiervon das Signal ausgehen soll, die Preise würden steigen. Bernanke hatte ja wiederholt darauf hingewiesen, die Inflations-Erwartungen steigern zu wollen und ein wesentlicher Bestandteil der Inflationserwartungen sind nun einmal langfristige Renditen. Zweitens kann das potenzielle Kreditgeber veranlassen, vermehrt Darlehen auszureichen, um an den steigenden Zinsen zu verdienen. Mit einem neuen QE-Programm will die Fed die Möglichkeit haben, den Umkehrprozess insgesamt, wie in seiner Struktur bezogen auf die einzelnen Gruppen von Kreditnehmern steuern zu können. Eine zunehmende Kredittätigkeit, so könnte die Hoffnung sein, stärkt die Investitionstätigkeit, aber auch die kaufkräftige Nachfrage.
Wenn es allerdings auch QE2 nicht schafft, die Kapitalmärkte zu reflationieren, zwei % Inflation zu produzieren und die Arbeitslosigkeit auf historische Werte zurückzuführen, dann ... "gute Nacht".
RGE/Roubini kommentiert: Zwar werde zusätzliche Liquidität nicht in der Lage sein, die zugrundeliegenden (Solvenz-)Probleme zu lösen, aber zumindest sinkt durch ein umfangreiches QE-Programm die Wahrscheinlichkeit eines Double-Dip in der näheren Zukunft. Der Wortlaut der Einschätzung ist im Diskussions-Forum eingestellt.
"Aufgeschoben ist nicht aufgehoben" - Klar ist auch: Selbst wenn dieses QE2 zunächst die gewünschten Effekte produzieren sollte, so folgt daraus eine weitere enorme Aufblähung der Kreditblase. Und damit wird der Grundstein gelegt zu einer noch viel verheerenderen Kreditkrise als gehabt.
Wenn die quer gedachte Überlegung hinsichtlich QE2 stimmt, so hat das gravierende Auswirkungen auf die Finanzmärkte. Gross schreibt zu Recht, aus QE2 erwächst für Asset-Manager die Notwendigkeit, sich auf neue Gegebenheiten einzustellen. Steigende Renditen wären gleichbedeutend mit sinkenden Kursen zumindest für Staatsanleihen, wahrscheinlich auch für andere Anleiheformen. Schaffen steigende langfristige Zinsen es tatsächlich, die Inflationserwartungen zu heben, dürfte eine (auch kreditfinanzierte) Flucht in dingliche Assets (Aktien, Immobilien, Edelmetalle, Rohstoffe usw.) einsetzen mit entsprechenden Kurssteigerungen. Die Inflationserwartungen haben sich zuletzt wieder auf das im April erreichte Niveau aufgeschwungen, der hiermit bereinigte S&P 500 steht unter einem wichtigen Pegel, der in den vergangenen sieben Jahre nicht überwunden werden konnte (siehe Chart!). Die Auswirkungen auf Währungen sind schwieriger zu prognostizieren, die Diskussion hierzu würde den Rahmen sprengen. Ich vermute, die Vielzahl gegenläufiger Einflussfaktoren auf den Dollar neutralisiert sich auf mittlere Sicht.
Erwähnte Charts können über diesen Link eingesehen werden: www.timepatternanalysis.de
© Klaus G. Singer
www.timepatternanalysis.de