Edelsteine: Fälschungen und Betrugsmanöver
09.08.2005 | Hans Jörg Müllenmeister
Jeder Edelstein ist ein einmaliger Informationsträger: Sein Inneres birgt eine verdichtete Nachricht aus der fernen Vergangenheit seiner Entstehung. Auf mikroskopisch kleinstem Raum finden sich die "Geburtsurkunden". Die Geheimsprache der Einschlüsse entlarvt auch Edelstein-Fälschungen als spezifische Corpus Delicti. Dazu muß man wissen, dass gezüchtete Edelsteine, so genannte Synthesen, im wesentlichen zwar die gleichen Eigenschaften besitzen wie die Natur-Edelsteine, nicht aber identische Einschlussbilder. Syntheseprodukte wachsen zeitgerafft heran, da der Nachahmer nicht wie die Natur über beliebig viel Zeit verfügt.
Vom billigen Straß zur perfekten Diamant-Imitation
Zuerst die gute Story: Einschlussbilder erzählen spannende Geschichten. Gar nicht so selten kann ein Diamant, der härteste Bote aus der Erdtiefe, einen älteren Artgenossen als Kristall-Oktaeder-Einschluss eingekerkert haben, der Milliarden Jahre alt ist. Selten räumt der Diamant auch einem anderen Mineraleinschluss, etwa einem roten Granat ein Gastrecht ein. Sogar atomar kleine "Wassertanks" wurden in Hohlräumen der echten Diamanten entdeckt.
Dem Engländer Ravenskroft gelang es 1676 ein hochlichtbrechendes Bleiglas herzustellen, dass der Wiener J. Strasser als Ausgangsprodukt für den ersten gelungenen Diamant-Ersatz benutzte. Dieser sog. Strass dient als Basis für den Modeschmuck. Heute im Hightech-Zeitalter muss der Fachmann täglich mit neuen Fälschungen rechnen. So übergab mir 1997 ein Grosshändler einen leicht grünlichen Diamanten zur Untersuchung. Nadelartige Einschlüsse erregten sofort meine Aufmerksamkeit, weil so ein Einschlussbild bei Diamanten nicht vorkommt. Ohne auf das Ergebnis der nachfolgend aufwendigen Untersuchung einzugehen, sei gesagt, dass es sich um eine neue Diamant-Imitation handelte: die perfekteste überhaupt. In nahezu allen Eigenschaften wie Härte, Lichtbrechung (allerdings doppelbrechend), Dichte und Wärmeleitfähigkeit glich das Hightech-Produkt dem Diamanten. Später wurde dieses Halbleitermaterial Siliziumcarbit SiC unter dem Namen "synthetischer Moissanit" im Edelsteinhandel bekannt.
Bereits im Ursprungsland der Rohdiamanten gehört Betrug zum Tagesgeschäft. Als ich 2001 einen Geschäftsmann nach Sierra Leone als fachliches Gewissen in puncto Diamanten begleitete, wurde uns ein Rohdiamant angeboten, ein prächtiger Fünfkaräter in Oktaederform. So etwas ist gesucht, weil sich ein Oktaeder zum Schleifen besonders gut eignet. Dieses "Prachtexemplar" erregte mein Mißtrauen, weil die Oktaederwinkel nicht ganz "diamant-like" waren. Außerdem fühlte sich der Kristall in der Hand nicht wie kühlender Diamant an (Diamant ist der beste Wärmeleiter in der Natur). Gern hätte ich dieses Exemplar meinem Stein-Kabinett mit den gesammelten Fälschungen einverleibt, aber 3.000 US$ war ein happiger Betrag für ein Stück Quarz.
Vor Jahren gab es bei Christi’s in New York eine Edelstein-Auktion. Star war ein rosafarbener 250.000 US$ teurer Diamant. Darauf hatte sich ein Ganoven-Pärchen bestens präpariert. Wie sie es trotz Videoüberwachung schafften, den hinter Panzerglas abgeschirmten Diamanten zu entwenden, ist eine andere Geschichte. Der simple Clou dabei: Der Zugriff blieb bis zum Auktionstag deswegen unentdeckt, weil sie den Diamanten mit der seltenen Naturfarbe gegen einen gleich großen, aber farblosen austauschten: Dieser "Blender" hatte allerdings einen aufgesprühten Überzug aus Nagellack von gleicher Farbe.
Eine "Abreibung" mit Wiener Kalk brachte Farbe ans Licht
Vor einiger Zeit wurde ich zu einem Juwelier gerufen, der Tausend Karat an russischer Melé-Ware (kleine Besatzdiamanten) gekauft hatte. Äußerst preiswert versteht sich und hochqualitativ, denn die Diamanten gehörten alle der besten Farbqualität an (Top Wesselton bis River). In der Tat schnitten alle Diamant-Brillanten zunächst mit den Referenzsteinen bestens ab. Und doch hatte ich ein komisches Gefühl. So verpaßte ich einem Teil der "Schönlinge" eine oberflächliche "Abreibung" mit Wiener Kalk und siehe da: die farblosen Diamanten zeigten plötzlich eine deutliche unerwünschte Gelbsättigung (light Yellow). Welche Manipulation steckte dahinter? Die Diamanten waren mit einer bestimmten hauchdünnen Schicht optisch vergütet, so wie man sie bei Ferngläsern kennt. Dazu muss man wissen, dass zwischen dem hochfeinen Weiss und dem leichten Gelb Welten liegen, was den Preis anbelangt.
Rubin: das Blut der Erde und seine Synthesen
Schon immer lag es im Bestreben des Menschen, Kostbarkeiten der Natur nachzuahmen. Um 1890 gelang es dem französischen Physiker A. Verneuil erstmals synthetische Rubine herzustellen. Sie glichen verblüffend den edlen Natursteinen. Unter dem Mikroskop allerdings zeigte diese Synthese unnatürliche Strukturmerkmale: gebogene Anwachsstreifen und Gasblasen. Einer der besten Synthesen für Rubin ist die nach dem Flussmittelverfahren hergestellte Ramaura-Synthese; sie ahmt das Innere eines echten Rubins erschreckend gut nach. Hier stößt das normale Equipment eines Edelsteinkundlers (Gemmologe) an seine Grenzen.
Lassen Sie sich in Urlaubsstimmung nicht bluffen
Mit einem weitverbreiteten Irrglauben bei Fernreisenden muss man aufräumen, nämlich dass es im Erzeugerland besonders günstige Edelstein-Angebote gäbe. Weit gefehlt, denn die Gefahr der Täuschung oder Manipulation ist sehr groß. Mit Bluffs, die Synthesen als echte Steine vorgaukeln, müssen Sie als Tourist rechnen. Folgendes Beispiel mag das demonstrieren: Da schlägt ein thailändischer Edelsteinhändler mit einem Hammer zunächst auf rotes Glas, das er theatralisch als Rubin-Synthese vorstellt - es zerbirst. Anschließend drischt er auf einen synthetischen Rubin ein, den er als echt ausgibt. Mit der Überzeugungskraft des Hammerschlags verkauft der Gaukler dann diese Rubin-Synthese als echten Rubin - preiswert für ein paar hundert Dollar, versteht sich. In Sri Lanka dürfen naive Touristen ihren eigenen "Rubin" im Minenschlamm finden. Meist sind diese Glückssteine bereits sogar schon geschliffen. Die zuvor ausgelegten Fundstücke haben nur einen Nachteil: es sind samt und sonder Synthesen.
Auch Großinvestoren können geleimt werden, so geschah es in Madagaskar. Aus einem Umkreis von 250 km trug man Rohsaphire aus vielen Minen zusammen und türmte diese riesige "Ausbeute" auf einem Schautisch, und zwar direkt neben einem einzigen Minen-Bohrloch. Die Interessenten waren beeindruckt von der "Tagesausbeute" und sie waren überzeugte, daß sie ihr Geld als Minen-Teilhaber bestens angelegt hätten.
Vorsicht bei farbschönen Saphiren
In den 90er Jahren konnte ich einen Betrugsskandal in Millionenhöhe mit angeblich natürlichen Saphiren aufdecken. Hier ging das Spiel so: farbblasse, weniger geschätzte Saphire aus Sri Lanka wurden in Hongkong in ihrer Farbe nach dem Diffusionsverfahren verbessert. Ohne näher auf das Verfahren einzugehen, sei aber gesagt, dass die Qualität der Saphire im wesentlichen nach dem Farboptimum bezahlt wird. Weder zu blass noch zu dunkel dürfen sie sein. Das legendäre Kornblumenblau gilt als Qualitätsspitze. Nun, wenn man blässliche, billige Natursaphiren eine schöne Farbe angedeihen lässt, sie also optisch und vor allem pekuniär um etwa den fünffachen Preis aufwertet, dann muss das im Handel eindeutig deklariert werden (heated, hitzebehandelt), sonst ist das Betrug. In dem vorliegenden Betrugsfall geschah das nicht. Tausende von Karat waren bereits nicht deklariert in die Schmuckindustrie nach Pforzheim gewandert und in Schmuckstücken verarbeitet worden.
Afrika, das Dorado der Diamanten-Gaukler
Mancher Afrika-Reisende liess sich am Strand von Kenia seine Urlaubskasse erleichtern, weil er glaubte einen preiswerten Diamanten erstanden zu haben. Die sog. Ritzprobe des einheimischen Verkäufers überzeugte den Urlauber vollends. Der über eine Glasscheibe gestrichene vermeintliche Diamant, in Wirklichkeit ein Topas, schneidet selbstverständlich auch das weiche Glas wie Butter. Zwischen beiden Edelsteinen liegt nicht nur ein großer Härteunterschied (8 zu 10), sondern auch ein beträchtlicher Preisunterschied.
In Tansania gab es seinerzeit ein "Kreislaufabkommen" zwischen einem Edelsteinhändler und dem Zoll. Das Spiel ging so: Der unbedarfte Tourist erwarb preiswert einen bildschönen blauen Tansanit. Der Verkäufer informierte daraufhin den Zoll - der Export von Tansanit war streng verboten. Man wurde bei der Durchsuchung des Geprellten fündig und konfiszierte das Corpus Delicti. Der Tourist durfte eine hübsche Strafe zahlen und der Kreisläufer wurde erneut "eingespeist".
Königliche Irrtümer
Es gab auch historische Irrtümer. König Gustav II. von Schweden glaubte, 1786 Katharina der Grossen von Russland einen großen Rubin zu schenken, der in Wirklichkeit ein roter Turmalin (Rubellit) war. Mit den heutigen Kenntnissen über Edelsteine wäre dieser "preiswerte" Irrtum ausgeschlossen. Unbeabsichtigt schlüpften feinrote Spinelle als historische Irrtümer in die noble Rolle des Rubins. Etwa die berühmte Rubinkette Heinrich des VIII. Auch galt lange Zeit der tropfenförmige Spinell der Wittelsbacher Krone von 1830 als Rubin. Selbst der Topas sorgte für einen historischen Irrtum, denn der 1680karätige Braganza-Diamant des portugiesischen Staatsschatzes ist ein farbloser Topas.
Farbstein-Irritationen und -Manipulationen
Der Turmalin besitzt eine ausgeprägte Richtungsabhängigkeit seiner Farbe, denn je nach Blickrichtung erscheint er hellgrün oder - senkrecht dazu - dunkelgrün. Seine Zweifarbigkeit ist so ausgeprägt, dass man ruhig sagen darf: ein Turmalin, der sich nicht so benimmt, entpuppt sich vielfach als Glasimitation. Übrigens ist der Turmalin der einzige kommerzielle Edelstein, den man bisher noch nicht synthetisieren konnte.
Wen wundert’s, dass der Mensch schon immer bestrebt war die teuerste Beryll-Varietät, den Smaragden, nachzuahmen. Er schuf Dubletten, deren Ober- und Unterteil aus farblosem billigem Beryll durch dunkelgrünes Kunstharz verkittet sind zu "Smaryll"; er überzog blasse, wertlose Berylle mit einer hauchdünnen synthetischen Smaragdschicht "Emerita". Schliesslich schuf der Mensch den synthetischen Smaragd - verglichen mit dem erdgeborenen Smaragd eine "Spottgeburt aus Dreck und Feuer".
Nur wenige Topase sind naturblau. Pekuniäre Gründe trieb "Findige" dazu, farblosen Topasen durch einen nützlichen Besuch im Kernreaktor eine tiefe Bläue (Strahlungsverfärbung) zu verpassen und diese gar als Aquamarine auszugeben. So kamen in den 80er Jahren dunkelblaue Topase erstmals in den Handel, die als wertvolle Aquamarine wegen ihrer intensiven Blaufärbung angepriesen wurden. Als einer der ersten konnte ich diese "Strahlemänner" aus Brasilien identifizieren. Als Aquamarin-Imitation täuschten diese strahlenbehandelten Topase nicht nur den 10fachen Wert vor: Collier- oder ringgefasst, strahlten sie intensiver und ausdauernder - allerdings zellschädigend - als die "Aquamarin-Beschenkte".
Das Kaleidoskop der Manipulationen auf dem Edelsteingebiet ist mannigfaltig. Die Begehrlichkeit mit Fälschungen das große Geld zu machen, wächst in dem Maße wie Fälschungen perfektioniert werden und die Moral der Gesellschaft sinkt. Immerhin entsteht weltweit auf allen Gebieten der Fälscherkunst der Volkswirtschaft ein Schaden von jährlich 450 Milliarden Euro.
Hier können Sie in Deutschland Ihre Diamanten und Edelsteine auf ihre Echtheit untersuchen lassen?
Deutsche Gemmologische Gesellschaft
Prof.-Schlossmacher-Str. 1
55743 Idar-Oberstein
Tel. 06781 - 50840; Fax: 06781 - 508419
© Hans Jörg Müllenmeister
Vom billigen Straß zur perfekten Diamant-Imitation
Zuerst die gute Story: Einschlussbilder erzählen spannende Geschichten. Gar nicht so selten kann ein Diamant, der härteste Bote aus der Erdtiefe, einen älteren Artgenossen als Kristall-Oktaeder-Einschluss eingekerkert haben, der Milliarden Jahre alt ist. Selten räumt der Diamant auch einem anderen Mineraleinschluss, etwa einem roten Granat ein Gastrecht ein. Sogar atomar kleine "Wassertanks" wurden in Hohlräumen der echten Diamanten entdeckt.
Dem Engländer Ravenskroft gelang es 1676 ein hochlichtbrechendes Bleiglas herzustellen, dass der Wiener J. Strasser als Ausgangsprodukt für den ersten gelungenen Diamant-Ersatz benutzte. Dieser sog. Strass dient als Basis für den Modeschmuck. Heute im Hightech-Zeitalter muss der Fachmann täglich mit neuen Fälschungen rechnen. So übergab mir 1997 ein Grosshändler einen leicht grünlichen Diamanten zur Untersuchung. Nadelartige Einschlüsse erregten sofort meine Aufmerksamkeit, weil so ein Einschlussbild bei Diamanten nicht vorkommt. Ohne auf das Ergebnis der nachfolgend aufwendigen Untersuchung einzugehen, sei gesagt, dass es sich um eine neue Diamant-Imitation handelte: die perfekteste überhaupt. In nahezu allen Eigenschaften wie Härte, Lichtbrechung (allerdings doppelbrechend), Dichte und Wärmeleitfähigkeit glich das Hightech-Produkt dem Diamanten. Später wurde dieses Halbleitermaterial Siliziumcarbit SiC unter dem Namen "synthetischer Moissanit" im Edelsteinhandel bekannt.
Bereits im Ursprungsland der Rohdiamanten gehört Betrug zum Tagesgeschäft. Als ich 2001 einen Geschäftsmann nach Sierra Leone als fachliches Gewissen in puncto Diamanten begleitete, wurde uns ein Rohdiamant angeboten, ein prächtiger Fünfkaräter in Oktaederform. So etwas ist gesucht, weil sich ein Oktaeder zum Schleifen besonders gut eignet. Dieses "Prachtexemplar" erregte mein Mißtrauen, weil die Oktaederwinkel nicht ganz "diamant-like" waren. Außerdem fühlte sich der Kristall in der Hand nicht wie kühlender Diamant an (Diamant ist der beste Wärmeleiter in der Natur). Gern hätte ich dieses Exemplar meinem Stein-Kabinett mit den gesammelten Fälschungen einverleibt, aber 3.000 US$ war ein happiger Betrag für ein Stück Quarz.
Vor Jahren gab es bei Christi’s in New York eine Edelstein-Auktion. Star war ein rosafarbener 250.000 US$ teurer Diamant. Darauf hatte sich ein Ganoven-Pärchen bestens präpariert. Wie sie es trotz Videoüberwachung schafften, den hinter Panzerglas abgeschirmten Diamanten zu entwenden, ist eine andere Geschichte. Der simple Clou dabei: Der Zugriff blieb bis zum Auktionstag deswegen unentdeckt, weil sie den Diamanten mit der seltenen Naturfarbe gegen einen gleich großen, aber farblosen austauschten: Dieser "Blender" hatte allerdings einen aufgesprühten Überzug aus Nagellack von gleicher Farbe.
Eine "Abreibung" mit Wiener Kalk brachte Farbe ans Licht
Vor einiger Zeit wurde ich zu einem Juwelier gerufen, der Tausend Karat an russischer Melé-Ware (kleine Besatzdiamanten) gekauft hatte. Äußerst preiswert versteht sich und hochqualitativ, denn die Diamanten gehörten alle der besten Farbqualität an (Top Wesselton bis River). In der Tat schnitten alle Diamant-Brillanten zunächst mit den Referenzsteinen bestens ab. Und doch hatte ich ein komisches Gefühl. So verpaßte ich einem Teil der "Schönlinge" eine oberflächliche "Abreibung" mit Wiener Kalk und siehe da: die farblosen Diamanten zeigten plötzlich eine deutliche unerwünschte Gelbsättigung (light Yellow). Welche Manipulation steckte dahinter? Die Diamanten waren mit einer bestimmten hauchdünnen Schicht optisch vergütet, so wie man sie bei Ferngläsern kennt. Dazu muss man wissen, dass zwischen dem hochfeinen Weiss und dem leichten Gelb Welten liegen, was den Preis anbelangt.
Rubin: das Blut der Erde und seine Synthesen
Schon immer lag es im Bestreben des Menschen, Kostbarkeiten der Natur nachzuahmen. Um 1890 gelang es dem französischen Physiker A. Verneuil erstmals synthetische Rubine herzustellen. Sie glichen verblüffend den edlen Natursteinen. Unter dem Mikroskop allerdings zeigte diese Synthese unnatürliche Strukturmerkmale: gebogene Anwachsstreifen und Gasblasen. Einer der besten Synthesen für Rubin ist die nach dem Flussmittelverfahren hergestellte Ramaura-Synthese; sie ahmt das Innere eines echten Rubins erschreckend gut nach. Hier stößt das normale Equipment eines Edelsteinkundlers (Gemmologe) an seine Grenzen.
Lassen Sie sich in Urlaubsstimmung nicht bluffen
Mit einem weitverbreiteten Irrglauben bei Fernreisenden muss man aufräumen, nämlich dass es im Erzeugerland besonders günstige Edelstein-Angebote gäbe. Weit gefehlt, denn die Gefahr der Täuschung oder Manipulation ist sehr groß. Mit Bluffs, die Synthesen als echte Steine vorgaukeln, müssen Sie als Tourist rechnen. Folgendes Beispiel mag das demonstrieren: Da schlägt ein thailändischer Edelsteinhändler mit einem Hammer zunächst auf rotes Glas, das er theatralisch als Rubin-Synthese vorstellt - es zerbirst. Anschließend drischt er auf einen synthetischen Rubin ein, den er als echt ausgibt. Mit der Überzeugungskraft des Hammerschlags verkauft der Gaukler dann diese Rubin-Synthese als echten Rubin - preiswert für ein paar hundert Dollar, versteht sich. In Sri Lanka dürfen naive Touristen ihren eigenen "Rubin" im Minenschlamm finden. Meist sind diese Glückssteine bereits sogar schon geschliffen. Die zuvor ausgelegten Fundstücke haben nur einen Nachteil: es sind samt und sonder Synthesen.
Auch Großinvestoren können geleimt werden, so geschah es in Madagaskar. Aus einem Umkreis von 250 km trug man Rohsaphire aus vielen Minen zusammen und türmte diese riesige "Ausbeute" auf einem Schautisch, und zwar direkt neben einem einzigen Minen-Bohrloch. Die Interessenten waren beeindruckt von der "Tagesausbeute" und sie waren überzeugte, daß sie ihr Geld als Minen-Teilhaber bestens angelegt hätten.
Vorsicht bei farbschönen Saphiren
In den 90er Jahren konnte ich einen Betrugsskandal in Millionenhöhe mit angeblich natürlichen Saphiren aufdecken. Hier ging das Spiel so: farbblasse, weniger geschätzte Saphire aus Sri Lanka wurden in Hongkong in ihrer Farbe nach dem Diffusionsverfahren verbessert. Ohne näher auf das Verfahren einzugehen, sei aber gesagt, dass die Qualität der Saphire im wesentlichen nach dem Farboptimum bezahlt wird. Weder zu blass noch zu dunkel dürfen sie sein. Das legendäre Kornblumenblau gilt als Qualitätsspitze. Nun, wenn man blässliche, billige Natursaphiren eine schöne Farbe angedeihen lässt, sie also optisch und vor allem pekuniär um etwa den fünffachen Preis aufwertet, dann muss das im Handel eindeutig deklariert werden (heated, hitzebehandelt), sonst ist das Betrug. In dem vorliegenden Betrugsfall geschah das nicht. Tausende von Karat waren bereits nicht deklariert in die Schmuckindustrie nach Pforzheim gewandert und in Schmuckstücken verarbeitet worden.
Afrika, das Dorado der Diamanten-Gaukler
Mancher Afrika-Reisende liess sich am Strand von Kenia seine Urlaubskasse erleichtern, weil er glaubte einen preiswerten Diamanten erstanden zu haben. Die sog. Ritzprobe des einheimischen Verkäufers überzeugte den Urlauber vollends. Der über eine Glasscheibe gestrichene vermeintliche Diamant, in Wirklichkeit ein Topas, schneidet selbstverständlich auch das weiche Glas wie Butter. Zwischen beiden Edelsteinen liegt nicht nur ein großer Härteunterschied (8 zu 10), sondern auch ein beträchtlicher Preisunterschied.
In Tansania gab es seinerzeit ein "Kreislaufabkommen" zwischen einem Edelsteinhändler und dem Zoll. Das Spiel ging so: Der unbedarfte Tourist erwarb preiswert einen bildschönen blauen Tansanit. Der Verkäufer informierte daraufhin den Zoll - der Export von Tansanit war streng verboten. Man wurde bei der Durchsuchung des Geprellten fündig und konfiszierte das Corpus Delicti. Der Tourist durfte eine hübsche Strafe zahlen und der Kreisläufer wurde erneut "eingespeist".
Königliche Irrtümer
Es gab auch historische Irrtümer. König Gustav II. von Schweden glaubte, 1786 Katharina der Grossen von Russland einen großen Rubin zu schenken, der in Wirklichkeit ein roter Turmalin (Rubellit) war. Mit den heutigen Kenntnissen über Edelsteine wäre dieser "preiswerte" Irrtum ausgeschlossen. Unbeabsichtigt schlüpften feinrote Spinelle als historische Irrtümer in die noble Rolle des Rubins. Etwa die berühmte Rubinkette Heinrich des VIII. Auch galt lange Zeit der tropfenförmige Spinell der Wittelsbacher Krone von 1830 als Rubin. Selbst der Topas sorgte für einen historischen Irrtum, denn der 1680karätige Braganza-Diamant des portugiesischen Staatsschatzes ist ein farbloser Topas.
Farbstein-Irritationen und -Manipulationen
Der Turmalin besitzt eine ausgeprägte Richtungsabhängigkeit seiner Farbe, denn je nach Blickrichtung erscheint er hellgrün oder - senkrecht dazu - dunkelgrün. Seine Zweifarbigkeit ist so ausgeprägt, dass man ruhig sagen darf: ein Turmalin, der sich nicht so benimmt, entpuppt sich vielfach als Glasimitation. Übrigens ist der Turmalin der einzige kommerzielle Edelstein, den man bisher noch nicht synthetisieren konnte.
Wen wundert’s, dass der Mensch schon immer bestrebt war die teuerste Beryll-Varietät, den Smaragden, nachzuahmen. Er schuf Dubletten, deren Ober- und Unterteil aus farblosem billigem Beryll durch dunkelgrünes Kunstharz verkittet sind zu "Smaryll"; er überzog blasse, wertlose Berylle mit einer hauchdünnen synthetischen Smaragdschicht "Emerita". Schliesslich schuf der Mensch den synthetischen Smaragd - verglichen mit dem erdgeborenen Smaragd eine "Spottgeburt aus Dreck und Feuer".
Nur wenige Topase sind naturblau. Pekuniäre Gründe trieb "Findige" dazu, farblosen Topasen durch einen nützlichen Besuch im Kernreaktor eine tiefe Bläue (Strahlungsverfärbung) zu verpassen und diese gar als Aquamarine auszugeben. So kamen in den 80er Jahren dunkelblaue Topase erstmals in den Handel, die als wertvolle Aquamarine wegen ihrer intensiven Blaufärbung angepriesen wurden. Als einer der ersten konnte ich diese "Strahlemänner" aus Brasilien identifizieren. Als Aquamarin-Imitation täuschten diese strahlenbehandelten Topase nicht nur den 10fachen Wert vor: Collier- oder ringgefasst, strahlten sie intensiver und ausdauernder - allerdings zellschädigend - als die "Aquamarin-Beschenkte".
Das Kaleidoskop der Manipulationen auf dem Edelsteingebiet ist mannigfaltig. Die Begehrlichkeit mit Fälschungen das große Geld zu machen, wächst in dem Maße wie Fälschungen perfektioniert werden und die Moral der Gesellschaft sinkt. Immerhin entsteht weltweit auf allen Gebieten der Fälscherkunst der Volkswirtschaft ein Schaden von jährlich 450 Milliarden Euro.
Hier können Sie in Deutschland Ihre Diamanten und Edelsteine auf ihre Echtheit untersuchen lassen?
Deutsche Gemmologische Gesellschaft
Prof.-Schlossmacher-Str. 1
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© Hans Jörg Müllenmeister