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USA: Moderates Wachstum, keine Rezession

17.11.2010  |  Carsten Klude
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Schlechter sieht es dagegen bei den Unternehmen aus, die von der Binnennachfrage, beispielsweise dem Konsum und der Bauwirtschaft, abhängig sind. Das von der National Federation of Independent Business (NFIB) ermittelte Geschäftsklima bei kleinen US-Unternehmen befindet sich seit zwei Jahren im rezessiven Bereich. Allerdings hat sich die Stimmung zuletzt etwas verbessert. So wollen weniger Unternehmen als in den vergangenen Monaten Arbeitsplätze abbauen. Doch zu einem Beschäftigungsmotor werden die kleinen und mittleren US-Unternehmen in absehbarer Zeit wohl nicht. Denn das Hauptproblem ist unverändert, dass die Umsätze auf einem zu niedrigen Niveau verharren. Insofern werden keine neuen Arbeitsplätze geschaffen, und es gibt trotz niedriger Zinsen kaum einen Anreiz für Neuinvestitionen, mit denen eine ausreichende Rendite erzielt werden könnte.

Impulse für den Arbeitsmarkt kommen - wenn überhaupt - derzeit fast ausschließlich von den Großunternehmen. Ein kleiner Lichtblick war der Arbeitsmarktbericht aus dem Oktober. So wurden 151.000 neue Stellen geschaffen, dies war der stärkste Zuwachs seit dem Frühjahr. Allerdings blieb die Arbeitslosenquote mit 9,6% im Vergleich zum Vormonat unverändert, weil wieder mehr Personen einen Arbeitsplatz gesucht haben. Knapp 15 Millionen Arbeitslosen stehen in den USA derzeit gut 130 Millionen Beschäftigte gegenüber. Oftmals hört man die These, dass die hohe Arbeitslosigkeit dafür sorgt, dass der US-Konsum, der 70% der gesamten Wirtschaftsleistung ausmacht, nicht zunehmen kann und insofern das Rezessionsrisiko für die US-Wirtschaft unverändert hoch sei. Doch stimmt dieses Argument unseres Erachtens so nicht.

Richtig ist, dass während der Wirtschaftskrise fast 8,4 Millionen Amerikaner ihren Arbeitsplatz verloren haben. So wurden im Dienstleistungsbereich fast 3,6 Millionen Arbeitsplätze gestrichen, die meisten im Einzelhandel. In der gewerblichen Wirtschaft fielen im selben Zeitraum fast 4 Millionen Jobs weg, davon in der Bauwirtschaft 1,9 Millionen und im verarbeitenden Gewerbe 2,1 Millionen. Während in den 1970er Jahren noch 25% der gesamten Arbeitsplätze auf das verarbeitende Gewerbe entfielen, ist dieser Anteil aktuell auf 9% zurückgegangen. Dafür sind mittlerweile 86% der Jobs im Dienstleistungssektor zu finden, während dort vor 40 Jahren nur knapp 70% der gesamten

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Stellen anzutreffen waren. Seit Anfang 2010 hat sich die Situation am Arbeitsmarkt stabilisiert, und es wurden per Saldo knapp 900.000 neue Stellen geschaffen. Damit kann allerdings nicht von einer wirklichen Erholung am amerikanischen Arbeitsmarkt gesprochen werden, sondern nur von einer "jobless recovery". Dies ist jedoch kein neues Phänomen: Auch in den letzten beiden Rezessionen von 1990/91 und 2001/2002 dauerte es jeweils etwa 12 bzw. 24 Monate bis der Tiefpunkt am Arbeitsmarkt erreicht war und weitere rund 12 bzw. 6 Monate bevor die Unternehmen begannen, neue Arbeitsplätze zu schaffen.

Auch wenn sich die Zahl der Beschäftigten in den vergangenen Monaten nicht nennenswert erhöht hat, haben sich doch die Einkommen verbessert. Dies ist darauf zurückzuführen, dass sowohl die Stundenlöhne als auch die geleisteten Arbeitsstunden zugenommen haben. Somit ist die volkswirtschaftliche Lohn- und Gehaltssumme im Vergleich zum Vorjahr um 2% angestiegen. Da viele Privathaushalte außerdem noch staatliche Transferzahlungen erhalten, haben sich die verfügbaren Einkommen, die letztendlich entscheidend für das Ausgabeverhalten der Konsumenten sind, im Jahresvergleich um 3% erhöht. Selbst wenn man davon ausgeht, dass ein Teil der höheren Einkommen zur Schuldentilgung und/oder Erhöhung der Sparquote verwendet wird, kann der private Verbrauch dennoch in einer Größenordnung von etwa 2% pro Jahr wachsen, ohne dass es zu einer wesentlichen Belebung des Arbeitsmarktes kommt. Sollten die Unternehmen in den kommenden Monaten doch wieder neue Arbeitsplätze schaffen, wovon wir ausgehen, würden die Einkommen im Trend weiter ansteigen.

Selbst wenn davon auszugehen ist, dass der private Konsum in der nächsten Zeit nicht mehr so stark wachsen wird wie in den 1990er Jahren, wird er unter den gegebenen Annahmen in den nächsten Jahren einen Wachstumsbeitrag von 1,4 Prozentpunkten liefern können. Zudem sollten auch die Ausrüstungsinvestitionen und die Exporte das Wirtschaftswachstum unterstützen. Von daher ist unserer Meinung nach ein Szenario mit einem durchschnittlichen Wirtschaftswachstum von 2-2,5% für die nächsten Jahre wahrscheinlich. Dies ist zwar weniger als vor der Krise. Doch zu viel Skepsis die USA betreffend ist unserer Meinung nach fehl am Platz.


© Carsten Klude, Dr. Christian Jasperneite, Matthias Thiel
M.M.Warburg Investment Research

Quelle: Auszug aus "Konjunktur und Strategie" vom 11.11.2010



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