Parasitäre Systeme führen zum nächsten großen Knall
21.11.2010 | Manfred Gburek
Die folgende Geschichte beginnt am 18. November zunächst nüchtern-sachlich mit einer Rede von Deutsche Börse-Chef Reto Francioni. Anlass ist eine Konferenz des Kanzleichefs Wilhelm Haarmann in Frankfurts noblem Hotel Villa Kennedy. Es müsse zur "Reregulierung der Finanzmärkte kommen", fordert Francioni, "der Finanzsektor hat eine dienende Funktion." Doch leider hebe er von der Realwirtschaft ab. Der Eigenhandel der Banken sollte von ihrem anderen Geschäft abgespalten werden. Dann wird der Ton des Börsenchefs schärfer: Der außerbörsliche Handel, das seien doch nur "parasitäre Systeme".
Danach stellt Edgar Meister, früher Mitglied des Bundesbank-Direktoriums, eine Frage zur mangelnden Transparenz im außerbörslichen Derivatehandel. Da kann Francioni sich nicht mehr bremsen. Er redet sich in Rage, als gelte es, alte Rechnungen mit Bankern zu begleichen. Der Kern seiner Kritik: "In jeder Bank gibt es einen Interessenkonflikt." Der bestehe darin, dass der zuständige Risikomanager der Bank zur Abwicklung von Aufträgen ein Clearinghaus einschalten möchte, um seinen Handelspartner zu kennen und so das Risiko abschätzen zu können, während der Investmentbanker am liebsten rund um die Uhr im außerbörslichen Handel ohne Einschaltung eines Clearinghauses und ohne Kenntnis des Handelspartners möglichst unkontrolliert viele Deals abschließen will. Dass Letzteres nicht funktioniert, "hat der Markt der Kreditderivate gezeigt", resümiert Francioni.
Er wurde in letzter Zeit auffallend gezielt angeschossen. Wobei Diffamierungen über die Medien als Munition weit verbreitet sind. Das bekommt auch der Börsenchef zu spüren. Manchmal kann man sogar den Eindruck gewinnen, er allein sei der Meute der Investmentbanker ausgeliefert. Wo bleibt der Gesetzgeber? Er kann längst nicht mehr mithalten, wenn es darum geht, die Folgen der 2008 offen ausgebrochenen Krise zu bewältigen. Erst brachte er im Oktober 2008 das Finanzmarktstabilisierungsgesetz auf den Weg, dann musste er es schon im April 2009 durch ein Ergänzungsgesetz flankieren. Im Juli 2009 folgte das sogenante Bad Bank-Gesetz, im September 2009 der Regierungsentwurf zum Bankenrestrukturierungsgesetz und erst im Oktober 2010 dessen Billigung durch den Finanzausschuss. Das alles ad hoc mit der heißen Nadel gestrickt.
Dem eigentlichen Problem kann der Gesetzgeber gar nicht beikommen, denn er kann die parasitären Systeme ja nicht mehr nachträglich aus der Welt schaffen. Und was die Kreditderivate betrifft, wird die Bankenwelt Anfang 2011 nach Abschluss des Geschäftsjahrs 2010 durch sie erneut erschüttert werden. Denn diese Derivate, die permanent zu bewerten sind, gehören in die Bankbilanzen. Wie man sie bewertet, dazu haben allerdings weder Banken noch ihre Aufseher, weder die gesetzgebenden Organe noch internationale Organisationen die passenden Formeln. Und auch die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich als Bank der Zentralbanken kann die von ihr veröffentlichten Daten immer nur mit entsprechenden Warnungen versehen.
Der nächste große Knall in der Bankenwelt Anfang 2011 lässt sich zwar als solcher vorhersagen, aber weder sein Ausmaß noch das, was ihm zu folgen droht. Wahrscheinlich wird den Notenbanken wieder nichts anderes übrig bleiben, als mit kräftiger Unterstützung durch die Regierungen Geld in die Märkte zu pumpen. Dieses Geld wird dann ein weiteres Mal überwiegend oder sogar ganz der Finanz- statt der Realwirtschaft zugute kommen.
Ob es je gelingen wird, den außerbörslichen Handel mit Derivaten und sonstigen Finanzinstrumenten einzuschränken, steht in den Sternen. Das liegt zum einen daran, dass die an ihm beteiligten Banken in den USA, in Großbritannien, auf dem Festland, in Asien und anderswo auf der Welt beheimatet sind, sodass sie nicht alle zusammen einer einzigen Finanzaufsicht unterworfen sind. Zum anderen muss man sich fragen, ob überhaupt irgendeine internationale Organisation jemals in der Lage sein kann, den außerbörslichen Handel rund um die Uhr zu überwachen.
Daraus folgt zunächst, dass die nächste Finanzkrise unausweichlich ist. Dass sie die Realwirtschaft in Form eines Konjunktureinbruchs nach sich ziehen wird, ist zwar zu erwarten, aber heute noch nicht eindeutig vorherzusagen. Viel hängt zum Beispiel davon ab, ob wir es dann womöglich schon mit der dritten Euro-Krise zu tun haben werden (nach der ersten wegen Griechenland und der zweiten wegen Irland), ob die USA wirklich den Druck auf China ausüben werden, den sie angedroht haben, oder ob der schwelende Konflikt Israel/Iran eskalieren wird - um nur drei Einflussfaktoren zu nennen.
Nun werden Sie sich zu Recht fragen, wie Sie mit der Aussicht auf die hier beschriebenen möglichen Ereignisse Ihr Geld am besten anlegen bzw. in Sicherheit bringen sollen. Dies auch deshalb, weil jedes von diesen Ereignissen zusätzlich den Fiskus auf den Plan rufen wird; er wird jedenfalls alles daransetzen, um Sie zur Kasse zu bitten. Einen Vorgeschmack liefern ja bereits viele Kommunen mit ihren abartigen Steuern auf Übernachtungen, Sonnenstudios, Polizeieinsätze und Hundedreck. Oder um nochmals auf die Haarmann-Konferenz zurückzukommen: Da hatte Thomas Eisgruber vom Bayerischen Finanzministerium wegen einer Wortschöpfung die Lacher auf seiner Seite, als er behauptete, seine Finanzbeamten hätten aus Anlass von Betriebsprüfungen zuletzt über 4 Milliarden Euro "erprüft" - ein Ausdruck, der verrät, wie der Fiskus tickt. Die (leid)geprüften Unternehmer finden das nicht zum Lachen.
Mein grundsätzlicher Vorschlag für Ihr Geld: Konzentrieren Sie sich auf einfache Anlagen und meiden Sie komplizierte. Zu den ersten gehören Gold- und Silberbarren bzw. -Anlagemünzen, ein Eigenheim oder eine Eigentumswohnung in bevorzugter Lage (beide möglichst schuldenfrei), Bargeld, mit dem Sie im Zweifel einen Monat lang über die Runden kommen, und nach einem Kurseinbruch Aktien. Komplizierte Anlagen umfassen fast alles, was in Zertifikaten und anderen Derivaten oder in Fonds einschließlich Fonds- und Kapitalpolicen gebündelt ist, außerdem hoch finanzierte Immobilien und - das muss leider wieder einmal betont werden - alle Altersvorsorgeprodukte, deren Kosten die staatlichen Subventionen auffressen und die überwiegend als Riester-Renten verkauft werden.
Zum Schluss noch ein Hinweis in eigener Sache auf die soeben erschienene Dezember-Ausgabe der Zeitschrift €uro mit dem anspruchsvollen Titel "Die Wahrheit über Gold". Dahinter verbirgt sich eine ganze Sammlung von Beiträgen, die ich zu allen wesentlichen Aspekten des Themas beigetragen habe, also einschließlich Barren, Münzen, Aktien, Fonds, Steuern, Prognosen, Goldgeschichten u.v.a.m.
© Manfred Gburek
www.gburek.eu
Herr Gburek ist Fachjournalist und Buchautor. Seine letzten Werke waren: "Das Goldbuch" (2005), das Wörterbuch "Geld und Gold klipp und klar von A bis Z" (2007) und "Die 382 dümmsten Sprüche der Banker" (2008).
Danach stellt Edgar Meister, früher Mitglied des Bundesbank-Direktoriums, eine Frage zur mangelnden Transparenz im außerbörslichen Derivatehandel. Da kann Francioni sich nicht mehr bremsen. Er redet sich in Rage, als gelte es, alte Rechnungen mit Bankern zu begleichen. Der Kern seiner Kritik: "In jeder Bank gibt es einen Interessenkonflikt." Der bestehe darin, dass der zuständige Risikomanager der Bank zur Abwicklung von Aufträgen ein Clearinghaus einschalten möchte, um seinen Handelspartner zu kennen und so das Risiko abschätzen zu können, während der Investmentbanker am liebsten rund um die Uhr im außerbörslichen Handel ohne Einschaltung eines Clearinghauses und ohne Kenntnis des Handelspartners möglichst unkontrolliert viele Deals abschließen will. Dass Letzteres nicht funktioniert, "hat der Markt der Kreditderivate gezeigt", resümiert Francioni.
Er wurde in letzter Zeit auffallend gezielt angeschossen. Wobei Diffamierungen über die Medien als Munition weit verbreitet sind. Das bekommt auch der Börsenchef zu spüren. Manchmal kann man sogar den Eindruck gewinnen, er allein sei der Meute der Investmentbanker ausgeliefert. Wo bleibt der Gesetzgeber? Er kann längst nicht mehr mithalten, wenn es darum geht, die Folgen der 2008 offen ausgebrochenen Krise zu bewältigen. Erst brachte er im Oktober 2008 das Finanzmarktstabilisierungsgesetz auf den Weg, dann musste er es schon im April 2009 durch ein Ergänzungsgesetz flankieren. Im Juli 2009 folgte das sogenante Bad Bank-Gesetz, im September 2009 der Regierungsentwurf zum Bankenrestrukturierungsgesetz und erst im Oktober 2010 dessen Billigung durch den Finanzausschuss. Das alles ad hoc mit der heißen Nadel gestrickt.
Dem eigentlichen Problem kann der Gesetzgeber gar nicht beikommen, denn er kann die parasitären Systeme ja nicht mehr nachträglich aus der Welt schaffen. Und was die Kreditderivate betrifft, wird die Bankenwelt Anfang 2011 nach Abschluss des Geschäftsjahrs 2010 durch sie erneut erschüttert werden. Denn diese Derivate, die permanent zu bewerten sind, gehören in die Bankbilanzen. Wie man sie bewertet, dazu haben allerdings weder Banken noch ihre Aufseher, weder die gesetzgebenden Organe noch internationale Organisationen die passenden Formeln. Und auch die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich als Bank der Zentralbanken kann die von ihr veröffentlichten Daten immer nur mit entsprechenden Warnungen versehen.
Der nächste große Knall in der Bankenwelt Anfang 2011 lässt sich zwar als solcher vorhersagen, aber weder sein Ausmaß noch das, was ihm zu folgen droht. Wahrscheinlich wird den Notenbanken wieder nichts anderes übrig bleiben, als mit kräftiger Unterstützung durch die Regierungen Geld in die Märkte zu pumpen. Dieses Geld wird dann ein weiteres Mal überwiegend oder sogar ganz der Finanz- statt der Realwirtschaft zugute kommen.
Ob es je gelingen wird, den außerbörslichen Handel mit Derivaten und sonstigen Finanzinstrumenten einzuschränken, steht in den Sternen. Das liegt zum einen daran, dass die an ihm beteiligten Banken in den USA, in Großbritannien, auf dem Festland, in Asien und anderswo auf der Welt beheimatet sind, sodass sie nicht alle zusammen einer einzigen Finanzaufsicht unterworfen sind. Zum anderen muss man sich fragen, ob überhaupt irgendeine internationale Organisation jemals in der Lage sein kann, den außerbörslichen Handel rund um die Uhr zu überwachen.
Daraus folgt zunächst, dass die nächste Finanzkrise unausweichlich ist. Dass sie die Realwirtschaft in Form eines Konjunktureinbruchs nach sich ziehen wird, ist zwar zu erwarten, aber heute noch nicht eindeutig vorherzusagen. Viel hängt zum Beispiel davon ab, ob wir es dann womöglich schon mit der dritten Euro-Krise zu tun haben werden (nach der ersten wegen Griechenland und der zweiten wegen Irland), ob die USA wirklich den Druck auf China ausüben werden, den sie angedroht haben, oder ob der schwelende Konflikt Israel/Iran eskalieren wird - um nur drei Einflussfaktoren zu nennen.
Nun werden Sie sich zu Recht fragen, wie Sie mit der Aussicht auf die hier beschriebenen möglichen Ereignisse Ihr Geld am besten anlegen bzw. in Sicherheit bringen sollen. Dies auch deshalb, weil jedes von diesen Ereignissen zusätzlich den Fiskus auf den Plan rufen wird; er wird jedenfalls alles daransetzen, um Sie zur Kasse zu bitten. Einen Vorgeschmack liefern ja bereits viele Kommunen mit ihren abartigen Steuern auf Übernachtungen, Sonnenstudios, Polizeieinsätze und Hundedreck. Oder um nochmals auf die Haarmann-Konferenz zurückzukommen: Da hatte Thomas Eisgruber vom Bayerischen Finanzministerium wegen einer Wortschöpfung die Lacher auf seiner Seite, als er behauptete, seine Finanzbeamten hätten aus Anlass von Betriebsprüfungen zuletzt über 4 Milliarden Euro "erprüft" - ein Ausdruck, der verrät, wie der Fiskus tickt. Die (leid)geprüften Unternehmer finden das nicht zum Lachen.
Mein grundsätzlicher Vorschlag für Ihr Geld: Konzentrieren Sie sich auf einfache Anlagen und meiden Sie komplizierte. Zu den ersten gehören Gold- und Silberbarren bzw. -Anlagemünzen, ein Eigenheim oder eine Eigentumswohnung in bevorzugter Lage (beide möglichst schuldenfrei), Bargeld, mit dem Sie im Zweifel einen Monat lang über die Runden kommen, und nach einem Kurseinbruch Aktien. Komplizierte Anlagen umfassen fast alles, was in Zertifikaten und anderen Derivaten oder in Fonds einschließlich Fonds- und Kapitalpolicen gebündelt ist, außerdem hoch finanzierte Immobilien und - das muss leider wieder einmal betont werden - alle Altersvorsorgeprodukte, deren Kosten die staatlichen Subventionen auffressen und die überwiegend als Riester-Renten verkauft werden.
Zum Schluss noch ein Hinweis in eigener Sache auf die soeben erschienene Dezember-Ausgabe der Zeitschrift €uro mit dem anspruchsvollen Titel "Die Wahrheit über Gold". Dahinter verbirgt sich eine ganze Sammlung von Beiträgen, die ich zu allen wesentlichen Aspekten des Themas beigetragen habe, also einschließlich Barren, Münzen, Aktien, Fonds, Steuern, Prognosen, Goldgeschichten u.v.a.m.
© Manfred Gburek
www.gburek.eu
Herr Gburek ist Fachjournalist und Buchautor. Seine letzten Werke waren: "Das Goldbuch" (2005), das Wörterbuch "Geld und Gold klipp und klar von A bis Z" (2007) und "Die 382 dümmsten Sprüche der Banker" (2008).