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Deutschlands heimlicher Sieg über die EZB

15.09.2012  |  John Browne
Letzte Woche verkündetete die Europäische Zentralbank das, worauf viele internationale Beobachter gehofft hatten: ein Plan, der es der Zentralbank erlauben würde, für die Stützung des Euro "alles erdenklich Mögliche“ unternehmen zu können. Wie fast zu erwarten war, hatten die Aktienmärkte in Europa und den USA in der Folge deutliche Kursgewinne zu verbuchen. Die Nachricht vermittelte den Eindruck, die EZB habe sich jetzt auf die Seite der Fed gestellt, um nun auch ihre Wirtschaftszone mittels Geldschöpfung zu "reflationieren“. Viele Beobachter und Kommentatoren aus den etablierten Medien stellten die EZB-Positionierung kurzerhand als fundamentale Niederlage der Bundesbank, die noch an solide und strenge Geldpolitik glaubt, dar. Die Wirklichkeit scheint sich jedoch ein wenig anders auszusehen.

Im EZB-Vorstoß stecken tatsächlich viele Zugeständnisse an die deutsche Sichtweise. Das wahrscheinlich wichtigste Zugeständnis ist, dass die EZB ihr ursprüngliches Ziel, den Anstieg der Anleiherenditen von Euro-Mitgliedsländern "begrenzen“ zu wollen, fallen ließ. Ursprünglich sollte die EZB uneingeschränkt als "Käufer der letzten Instanz“ auftreten, um die Staatsanleiherenditen problembelasteter Euro-Mitglieder auf niedrigem Niveau zu halten. Diese umfassenden Befugnisse wichen aber größerer Selektivität und weitaus strengeren Konditionen - und hier zeigt sich der deutsche Stil. Und das waren noch nicht alle größeren Zugeständnisse.

Erstens: Alle Mitglieder der Eurozone, die für ihre nationalen Anleihen im Sekundärmarkt Unterstützung von der EZB wünschen, müssen diese nun formell beantragen. Ein solch öffentlicher Antrag wird wahrscheinlich nicht ohne politische Kosten bleiben und könnte Beschämung oder sogar Stigmatisierung auslösen. Da die Kurse von Vermögensanlagen, wie beispielsweise Aktien oder Anleihen, sehr stark durch Wahrnehmungen beeinflusst sind, werden sich viele Mitgliedsstaaten nach Möglichkeit nicht für diesen Weg entscheiden.

Zweitens muss jedes Land, das diesen Antrag stellt, gleichzeitig auch einer Defizitsenkung und wirtschaftlichen Restrukturierungsprogrammen im deutschen Stil zustimmen, was wahrscheinlich gewaltige politische Kosten und vorrübergehende wirtschaftliche Probleme verursachen wird.

Drittens wird die Unterstützung durch die EZB über den Sekundärmarkt nur dann gewährt, wenn gleichzeitig auch die (einigermaßen unterkapitalisierten) Stützungsfonds - die Europäische Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF) und der Europäische Stabilitätsmechanismus – gemeinsam ihre Mittel freigeben. Die Bundesbank ist seit Langem der Auffassung, dass es der EZB nicht erlaubt sein sollte, ihre Macht durch die Schöpfung synthetischen Geldes zu missbrauchen, wenn sie die Kosten nicht auch auf den Rest Europas und - via IWF - auch international verteilt.

Viertens: Die Stützungsmaßnahmen der EZB beschränken sich allein auf Anleihen mit einer maximalen Laufzeit von 3 Jahren. Die betreffenden Mitgliedsländer werden ihr exzessives Schuldenproblem niemals allein durch kurzfristige Kreditaufnahmen in den Griff bekommen.

Und fünftens werden alle Anleiheankäufe durch die EZB ausschließlich am Sekundärmarkt stattfinden. Damit ist auch ein weiteres Ziel der Deutschen erreicht: Der EZB-Grundsatz, dass kein Mitgliedsland ein anderes direkt finanzieren darf, bleibt gewahrt.

Viele gehen davon aus, die Deutschen hätten den keynesianischen Forderungen nach einer Politik des billigen Geldes und Kredits nachgegeben. Doch in Wirklichkeit scheint es eher so, als ob Deutschland dem Rest der Eurozone die eigenen "Finanzvorstellungen“ mit großem Erfolg aufgezwungen hat.

In der allgemeinen Medienlandschaft ist aber so gut wie gar nichts über diese wichtigen Zugeständnisse an Deutschland zu erfahren. Hier zeichnet sich also bei Weitem keine unmittelbare Entlastung für die überschuldeten Länder der Eurozone ab. Das neue EZB-Paket deutet eher auf strengere Spar- und Haushaltskonsolidierungsmaßnahmen im deutschen Stil hin. Und in dieser Hinsicht wäre auch eine anhaltende Rezession für Gesamteuropa wahrscheinlicher, zumindest vorübergehend. Damit steigt wiederum auch die Wahrscheinlichkeit, dass Europa und die USA ihre Wirtschaftsräume mit mehr synthetischem Geld fluten werden. Und das dürfte eine gute Nachricht für Edelmetallinvestoren sein.

Eine anhaltend schwache Wirtschaftsentwicklung in Europa würde wiederum die Politiker und wählenden Völker Europas dazu bringen, im Austausch gegen Finanzmittel eine verstärkte politische Kontrolle durch Deutschland zu akzeptieren; und innerhalb der Eurozone wird man den Fluss dieser Geldmittel wohl zunehmend als direkte "Überlebensfinanzierung“ durch Deutschland betrachten. Die vorläufig wichtigste Konsequenz dieses deutschen Erfolgs wird eine anhaltende Rezession sein, da die strenge Spar- und Haushaltskonsolidierungspolitik ihre Wirkung zeigen wird. Die langfristigen Konsequenzen verstärkter deutscher Kontrolle auf dem europäischen Kontinent lassen sich hingegen viel schwieriger vorhersagen.

Investoren, die die politischen, ökonomischen und finanziellen Winkelzüge in der Eurozone und der Europäischen Union verstehen möchten, sind gut beraten, genauer auf das Verhalten Deutschlands zu achten. Und das zeigt sich häufig versteckt hinter den Aussagen der EZB. In den Mainstream-Medien werden die wirklich entscheidenden Positionen und Maßnahmen meistens völlig übergangen.


© John Browne
Senior Market Strategist

Der Artikel wurde am 13.09.2012 auf www.24hgold.com veröffentlicht und exklusiv für GoldSeiten übersetzt.



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