Lüge und Rechtsbruch - Bullische Stärke oder Ignoranz
28.11.2010 | Klaus Singer
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Gestern plädierten führende Wirtschaftsexperten für eine deutliche Aufstockung des Euro-Rettungsschirms. Schon ist von einer Verdoppelung des Garantierahmens auf 1,5 Bill. Euro die Rede. (Darf es nicht ein bisschen mehr sein?) Die EZB und eine Mehrheit der Euro-Länder dringen jetzt offenbar darauf, dass auch Portugal wie Irland einen Antrag auf Hilfen stellt. Aber wie im Falle Irland stemmt sich die portugiesische Regierung bislang dagegen. Portugals Banken gelten nicht als überschuldet, hängen aber am Tropf der EZB. Durch den Druck auf die Regierung in Lissabon soll offenbar Spanien vor einer Rettungsaktion bewahrt werden, weil das Land in Portugal stark engagiert ist.Nouriel Roubini hat vor einigen Tagen angesichts der Entwicklung in der Euro-Zone gefragt, wer eines Tages die Retter rettet.
Diese jüngste Entwicklung hat Euro/Dollar heute unter den wichtigen Pegel von 1,33 gedrückt (siehe Chart!). Damit wird es jetzt kritisch. Schafft das Währungspaar hier keine Wende und fällt aus dem Aufwärtskanal heraus, drückt das starke Zweifel hinsichtlich der "All-Heilkraft" von QE2 der Fed aus. Die amerikanische Überschuss-Liquidität wird lieber zu Hause gehalten, als dass man sie in der Welt herum vagabundieren lässt. Die so zum Ausdruck kommende Risiko-Aversion zeigt sich schön auch im Chart des ETF "Currency_Carry" (siehe Chart!).
Auch an der verhaltenen Reaktion der Aktienmärkte auf die neuerlichen Schuldenprobleme der Euro-Zone lässt sich gut ablesen, wie weit diese sich von fundamentalen Gegebenheiten gelöst haben. Die Bewertungsniveaus sind so hoch, als würden fette Wachstumsjahre bevorstehen. Notorisch bullisch eingestellte Akteure verweisen auf bemerkenswerte Stärke der Märkte. Ich glaube aber, die Finanzmärkte haben sich von der realwirtschaftlichen Basis mittlerweile so weit abgehoben wie zumindest in den zurückliegenden 30 Jahren nicht. Negative realwirtschaftliche Entwicklungen werden so lange ignoriert, bis es gar nicht mehr geht und dann wird die Reaktion darauf in wenigen Tagen nachgeholt.
Bewirkt wird das durch ein Gemenge aus Liquiditätszufuhr, politischer Willfährigkeit und starken globalen Ungleichgewichten bei gleichzeitiger hoher Mobilität des Kapitals. Da alle diese Umstände letztlich zu Fehlallokation von knappen Ressourcen an Rohstoffen, von Produktionsmitteln und Arbeitskraft führt, entzieht diese Entwicklung sich auf Dauer selbst die Rechtfertigung für stetig steigende Asset-Preise.
Daher sieht z.B. Mohamed El-Erian, Pimco, den Lackmus-Test für das seiner Meinung nach bereits eingepreiste QE2 darin, ob sich die neuerliche Geldflutung diesmal als effizient erweist, die breite wirtschaftliche Entwicklung in den USA zu unterstützen.
In diesem Zusammenhang haben die Finanzmärkte am Mittwoch dieser Woche einige Makrodaten bejubelt. So sind die wöchentlichen Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe in den USA überraschend stark gefallen. Die Zahl liegt jetzt mit 407.000 so tief wie seit mehr als zwei Jahren nicht mehr. Allgemein wird 400.000 als Marke angesehen, unterhalb derer von einer Erholung des Arbeitsmarktes gesprochen werden kann (siehe Chart!).
Gleichzeitig sind die persönlichen Ausgaben (PCE) im Oktober im vierten Monat in Folge gestiegen (siehe Chart!). Die Sparquote liegt weiter unter dem Wert aus Juni (siehe Chart!). Die Trendauswertung der Zeitreihe zeigt kaum noch Aufwärtsdynamik, ein Sinken wird als Signal sich verbessernder Verbraucherstimmung gewertet. Und wie gerufen zeigte der endgültige Wert der Verbraucherstimmung für November ein Verbesserung auf 71,6 nach 69,3 im Oktober (siehe Chart!).
Diese Makronachrichten passten zu den recht hoch gesteckten Erwartungen hinsichtlich des Weihnachtsgeschäfts. Einige US-Einzelhändler haben inzwischen ihre Prognosen angehoben und hinsichtlich Konsum-Elektronik geht man davon aus, dass das Geschäft klar besser laufen wird als vor einem Jahr, mit Apple als "Front-Runner".
Es ist durchaus im Bereich des Möglichen, dass die US-Wirtschaft in den kommenden Wochen und Monaten noch etwas Tritt fasst, auch wenn daraus kein sich selbst tragender Aufschwung wird. Die Fed hatte vor einigen Tagen ihre Wachstumsprognosen für 2010 und 2011 nach unten revidiert. Damit kann dann später schön argumentiert werden, dass QE2 der Wirtschaft geholfen hat.
Die Aktienmärkte dürften eine solche Entwicklung vermutlich in noch weiter steigende Kurse umsetzen. Dadurch wird die Entfernung von der fundamentalen Basis nicht eben kleiner - und die Korrektur-Gefahr noch größer. Bleibt ein Argument, was einer solch divergenten Entwicklung eine gewisse Logik abgewinnen lässt: Investition in Sachwerte schützt vor dem Kollaps des Geldsystems.
Erwähnte Charts können über diesen Link eingesehen werden: www.timepatternanalysis.de
© Klaus G. Singer
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