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Medien, Macher, Manipulationen

12.12.2010  |  Manfred Gburek
"Halt die Presse", das war zu Beginn der 60er Jahre der Titel eines Programms des Düsseldorfer Kabaretts Kom(m)ödchen. "Halt die New York Times", so könnte man jetzt die Kritik des US-Senators Joe Lieberman an dem renommierten amerikanischen Blatt betiteln, das zusammen mit dem Spiegel, dem britischen Guardian, Frankreichs Le Monde und El País aus Spanien WikiLeaks-Enthüllungen verbreitet hat. Schon in den 60er Jahren ging es um die journalistische Freiheit bei der Wahrheitsfindung und Meinungsäußerung. Heute ist das Thema wegen der rasanten Geschwindigkeit, mit der sich Informationen dank Internet verbreiten, tausendmal brisanter.

Wer nun glaubt, Lieberman sei ein Einzelkämpfer und der versuchte Maulkorb für die New York Times ein amerikanisches und kein deutsches Problem, irrt sich. So verlangte ausgerechnet der deutsche Bundespräsident Christian Wulff, der als Staatsoberhaupt eine Vorbildfunktion haben sollte, noch im September „quasi eine ISO-Norm für den Journalismus“. Und gut zwei Monate später forderte der CDU-Abgeordnete Siegfried Kauder von der Presse, "sich zurückzuhalten, wenn die Gefährdungslage wie jetzt hoch ist". Es ging wieder mal um die viel beschworene Terrorgefahr.

Die Einflussnahme durch Konzerne steht der durch Politiker in nichts nach. Früher war es die Hofberichterstattung über Siemens, Daimler und sogar die später untergegangene Metallgesellschaft, mit der die Tageszeitungen ihre Leser zwar langweilten, aber ihre Informanten aus den Chefetagen erfreuten. Vorstände nahmen sich mindestens aus Anlass der Bilanzpressekonferenz sehr viel Zeit, um Journalisten mit Menüs und edlen Tropfen abzufüllen. Sperrfristen für die Berichterstattung wurden vereinbart; wer sich nicht an sie hielt, bekam keine Einladung mehr. Medien mit geringer Verbreitung nahm man gerade so hin. Doch zu Pressereisen nach Nord- und Südamerika, nach Japan und Hongkong wurden sie nicht eingeladen.

Heute fallen von Politikern, Konzernen und Verbänden beauftragte PR-Agenturen als die eigentlichen Macher wie die Heuschrecken über Journalisten her, die sie für wichtig halten. Wer in diesem Sinn wichtig ist, ergibt sich in solchen Fällen zum größten Teil aus der Verbreitung der jeweiligen Medien und aus deren Durchschlagskraft in den Chefetagen, erst danach aus der journalistischen Qualität. Hin und wieder fällt auf, dass bestimmte Themen hochkochen, als hätte es sie nicht schon vorher gegeben, und man fragt sich, warum. Zum Beispiel Klimaschutz, Schweinegrippe, Terrorgefahr, Rentenerhöhung, Altersvorsorge, Zertifikate, demografische Entwicklung, Hartz IV-Sätze, Ratings, Griechenland, Irland u.a. Dann können Sie sicher sein, dass es sich jedes Mal nicht um neue journalistische Erkenntnisse, sondern um interessengesteuerte Kampagnen handelt.

Diesbezüglich sind die Fälle Griechenland und Irland besonders markant. Laut Finanzstabilitätsbericht der Bundesbank vom November beträgt die Bruttostaatsverschuldung Griechenlands 130,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts und die Irlands 98,6 Prozent. Zum Vergleich: Euro-Raum insgesamt 84,1, Deutschland 75,3 und USA 92,7 Prozent. Das heißt, das kleine Irland liegt nur wenig über den großen USA, der große Euro-Raum dagegen darunter.

So gesehen, müssten eigentlich die USA gescholten werden, weil sie schlechtere Zahlen ausweisen als der Euro-Raum. Stattdessen drehen und wenden US-Medien das Thema Irland, als hänge das Schicksal aller Euro-Länder davon ab. Damit lenken sie nebenbei von einer katastrophalen Kennzahl der USA ab, dem Finanzierungsbedarf. Er beträgt dort bis Ende 2011 satte 27,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts; das ist sogar mehr als Griechenland mit 24,6 Prozent, viel mehr als Irland mit 17,3 und fast doppelt so viel wie Deutschland mit 13,8 Prozent.

Die Einflussnahme auf die Berichterstattung zur Geldanlage ist nicht minder ausgeprägt als auf die zu politischen und unternehmerischen Themen. Beispielsweise lässt sich feststellen, dass sehr viel über Fonds und Zertifikate analysiert, geschrieben, kommentiert, diskutiert und prämiert wird. Hier gibt es einen nahezu perfekten Schulterschluss zwischen den Anbietern und bestimmten Medien, wohingegen man das Thema Aktien einigen spezialisierten Zeitschriften und Börsenblättern überlässt. Die Ursache liegt auf der Hand: Banken, Sparkassen und weitere Anbieter verdienen an der Konstruktion von und am Handel mit Fonds und Zertifikaten, aber kaum am Aktienhandel mit privaten Anlegern - es sei denn, bei denen handelt es sich um krankhafte Zocker.

So kommt es, dass normale Anleger zu ihrer Bank oder Sparkasse in der festen Absicht gehen, sich über Aktien beraten zu lassen, und prompt bei einem hauseigenen Aktienfonds landen, für den sie dann auch noch 5 Prozent Ausgabeaufschlag zahlen müssen. Wofür, etwa für die Beratung, die in Wahrheit keine ist? Nein, für das Institut, bei dem sie womöglich schon seit Jahren treue Kunden sind. Noch schlimmer wird es, wenn Anleger Gold oder Silber kaufen wollen. Dann werden sie mit größter Sicherheit in ein Zertifikat oder in einen börsengehandelten Fonds mit dem Kürzel ETF (Exchange Traded Fund) hineingedrängt.

Apropos Börsenhandel: Banken und Broker forcieren dieses Geschäft nach Kräften. Denn je mehr gehandelt wird, desto besser verdienen sie daran, Hauptsache, ihre Kunden betreiben Trading, bis sie alles verspielt haben. Und schließlich: Am allerschlimmsten ist es, wenn Anleger etwas für ihre Altersvorsorge tun wollen. Dann bekommen sie in der Regel eine hauseigene Riester-Rente aufgeschwatzt und, falls sie nicht aufpassen, obendrein noch einen Fondssparplan aus demselben Haus. Warum der Staat die Riester-Rente subventioniert, obwohl deren Kosten in die Altersarmut zu führen drohen, ist ein Kapitel für sich.

Die Alternative heißt, die eigenen Finanzen einschließlich der Altersvorsorge selbst planen. Das ist für Sie, wenn Sie schon länger zu meinen Lesern gehören, zwar nicht neu, muss aber in Anbetracht der turbulenten Entwicklungen an den Märkten noch einmal betont werden. Wobei die größten Turbulenzen der Finanzwirtschaft noch bevorstehen. Wer es nicht glaubt, sei auf die folgenden Aussagen hingewiesen, geschrieben von zwei Insidern in der November-Ausgabe der Zeitschrift "Die Bank", Organ des Bankenverbandes: "Banken werden zunehmend speziell für besondere Fragestellungen ausgesucht und erfüllen weniger die Funktion eines Vollversorgers in Finanzfragen." Im Übrigen "ist häufig ein Paradigmenwechsel notwendig." Daraus folgt: Wenn Sie Ihre Finanzen selbst planen, sind Sie mindestens schon einen Schritt weiter als Ihre Bank.

P.S. Da ich in der vorwöchigen Kolumne auf die Anlagestrategie mit Edelmetallen eingegangen bin und die Interpretation der jüngsten Preiskorrekturen vorweggenommen habe, möchte ich noch auf "Silberjunge" Thorsten Schulte verweisen, der die Korrekturen aufgrund ganz anderer Recherchen, als ich sie angestellt habe, zum Ergebnis gekommen ist, "dass oftmals im Umfeld wichtiger Auktionen von US-Staatsanleihen, Fed-Sitzungen, Auftritten von Bernanke etc. vorübergehende Schwächen der Edelmetalle einsetzen können." Eine wichtige Auktion fand am 7. Dezember statt, also an dem Tag, als der Aufwärtstrend der Edelmetalle unterbrochen wurde. Lassen Sie sich davon nicht beeindrucken.


© Manfred Gburek
www.gburek.eu

Herr Gburek ist Fachjournalist und Buchautor. Seine letzten Werke waren: "Das Goldbuch" (2005), das Wörterbuch "Geld und Gold klipp und klar von A bis Z" (2007) und "Die 382 dümmsten Sprüche der Banker" (2008).







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