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Inflation, Deflation und das kommende Jahr

20.12.2010  |  Clif Droke
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Das aktuell bestehende und weiter wachsende Missverhältnis zwischen "Habenden" und "Habenichtsen" befeuert zum Teil auch die gesellschaftlichen Bewegungen an der Basis, die sich gegen Staatsausgaben und Reflationierungsbestrebungen der Zentralbank richten. Allgemeine Sorge ist zudem, dass erhöhte Geldschöpfungsaktivität zu einer Entwertung der Währung und vielleicht sogar zu einer regelrechten Zerstörung des Dollars führen wird. Viele der führenden Köpfe innerhalb der Anti-Fed-Bewegung sind alt genug, um sich an die hohen US-Inflationsraten der 1970er Jahre zu erinnern, welche 1981 ihren Höhepunkt im zweistelligen Bereich fanden. Für sie ist die Inflation immer präsent.

Diese beständige Angst vor Inflation ist verständlich, schaut man auf die staatlichen Maßnahmen und die steigenden Verbraucherpreise. Diese künstliche Inflation der Endverbraucherpreise muss aber vom ökonomischen Phänomen der Inflation unterschieden werden. Wahre Inflation kann es nur dann geben, wenn es eine große und energisch arbeitende Bevölkerung gibt. Normalerweise geht sie mit einer erhöhten Geburtsrate einher, die deutlich über einem Niveau von 2,1 liegt, bei welchem der Erhalt der Bevölkerung (in entwickelten Ländern) gesichert ist. Wie schon an anderer Stelle erwähnt wurde, zeichnet sich die wahre Inflation durch eine steigende industrielle Produktion, steigende Löhne und steigende Zinssätze aus.

Das Phänomen, das wir gerade in den USA erleben (eine Vorschau dafür boten die Jahre 2003-2007) hatte ich zu einem früheren Zeitpunkt schon als "Retroflation" betitelt. Retroflation ist ein Nebenprodukt der global integrierten Ökonomie. Schwellenländer wie China, Indien und auch die indonesische Wirtschaft erleben gerade etwas, das der wahren Inflation (die sich mit hoher Industrieproduktion einstellt) sehr ähnlich ist. Da diese Länder eine hohe Nachfrage nach Öl, Metallen sowie anderen industriellen und landwirtschaftlichen Rohstoffen haben, treiben sie auch die Rohstoffpreise nach oben, was wiederum in den entwickelten Ländern für steigende Kosten für Güter und Dienstleistungen sorgt. Steigende Erzeugerpreis- und Verbraucherpreisindizes können leicht mit wahrer Inflation verwechselt werden, aber ohne die wirtschaftliche Untermauerung der Inflation (die in den USA fehlt) kann man das nicht Inflation bezeichnen.

Zu Retroflation kommt es in Ländern, die systemische Deflation erleben (d.h. sinkende Geburtenraten und sinkende Industrieproduktion). Deflation ist im Grunde ein demographisches Phänomen, und zu Retroflation kommt es in Ländern wie der heutigen USA, wo die demographischen Trends nicht günstig für einen Langwellen-Boom stehen - dennoch gibt es hier noch ausreichend produktiven Output, um steigende Einzelhandelspreise zu rechtfertigen. Retroflation ist der Punkt auf der ökonomischen Langwelle, der kurz vor dem Beginn der Hyperdeflation liegt, bei welcher die Preise, einhergehend mit einer sinkenden Nachfrage, schließlich stark zu fallen beginnen.

Übrigens habe ich kürzlich eine Email von einem Kollegen bekommen, in der er die Bedeutung demographischer Trends während der deflationären Phase der Langwelle hervorhebt. "Es ist kein Geheimnis", schreibt er, "dass das Verlorene Jahrzehnt Japans ein Vergleich ist, der sich für die heutige Situation in den USA anbietet. Zwei qualitative Ähnlichkeiten zum heutigen Amerika sind: Gefälligkeits- und Klientelkapitalismus sowie Misstrauen gegenüber der Regierung waren im japanischen verlorenen Jahrzehnt sehr weit verbreitet, und die rückläufige Demographie setzte in Japan zur Zeit des verlorenen Jahrzehnt ein."

Retroflation endet unausweichlich in einem deflationären Kollaps - was sich darauf zurückführen lässt, dass das Niveau der Gesamtnachfrage eines Landes, in dem Bevölkerung und Industrie zurückgehen, in einem Abwärtstrend begriffen ist, und dieses sinkende Nachfrageniveau muss am Ende Druck auf steigende Preise ausüben. Im deflationären Kollaps Ende 2008 finden wir eine recht plastische Vorschau. Dies müsste erneut passieren, bloß langwieriger, in den Jahren 2012 - 2014, wenn die finale "Hard-Down-Phase" des 120-Jahre-Kress-Zyklus läuft.

Den deflationären Trend der langen Welle in den USA kann man ebenfalls im Chart für die Kapazitätsauslastung sehen. Im diesem Chart zeigt sich ein klarer Abwärtstrend, geprägt von niedrigeren Hochs und niedrigeren Tiefs. Der abfallende Trend bei der Kapazitätsauslastung geht zudem recht deutlich mit der demographischen Spitze und dem anschließenden Rückgang einher, den die USA seit Ende der 60er Jahre erlebt. In den vergangenen 40 Jahre, die der Chart hier abdeckt, sank die Kapazitätsauslastung zu vier unterschiedlichen Zeiten unter die 75%-Marke: 1974, als der 40-Jahre-Zyklus seine Talsohle erreichte; 1982, in der Nähe der Spitze des 60-Jahre-Inflation/Deflation-Zyklus; 2002, als der 12-Jahre-Kress-Zyklus seine Talsohle erreichte; 2008/2009, in Folge des Kreditcrashs. Eine Kapazitätsauslastung von weniger als 75% wird als deflationär angesehen, und solche Stände sieht man normalerweise in den Tiefen einer Rezession. Eine direkte Lesart der langfristigen Kress-Zyklusreihen legt nah, dass die sich die Kapazitätsauslastung im Jahr 2014 unter dem Multidekaden-Tief des letzten Jahres befinden wird.




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