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Silbermanipulation: Die Gegenargumente

10.10.2012  |  Theodore Butler
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Wenn nun behauptet wird, JP Morgan halte eine physische Silberposition, mit der die massive Short-Position am Terminmarkt gedeckt sei, so muss man sich fragen, warum die Chefin der Rohstoffabteilung bei JP Morgan dies in ihrem Fernsehauftritt im April eben nicht erwähnte? (Sie meinte hingegen, es handle sich dabei um Kundenpositionen.) JP Morgan hat in den letzten 2 Monaten knapp 80 Millionen Papierkontrakte an der COMEX leerverkauft, wodurch sich die gesamte Silber-Short-Position der Bank auf fast 150 Millionen Unzen erhöhte. Bedeutet das also, dass die Bank in den letzten 2 Monaten 80 Millionen physische Unzen gekauft hat, oder dass sie die ganze Zeit über schon 150 Millionen physische Unzen besessen hatte?

Nichts davon ergibt Sinn, denn wer würde schon eine solch gigantische physische Position kaufen und halten und dann superaggressiv und konzentriert den Markt shorten? Wer akzeptiert, dass JP Morgan aggressiv Papierkontrakte leerverkauft, um billig physisches Silber zu kaufen, akzeptiert auch, dass die Bank die Kurse manipuliert. Das wäre ein kriminelles Motiv, keine Entschuldigung oder Rechtfertigung. Selbst die Alternativerklärung, JP Morgan wäre eigentlich nur daran interessiert, eine große Silberposition abzusichern, ist einfach absurd und lächerlich. 150 Millionen Unzen Silber sind mehr, als die Hunt Brothers oder Warren Buffet jemals hielten, und wir sollen jetzt glauben, dass JP Morgan diese Position still und heimlich zusammengetragen hat? Oder hat JP Morgan sie von Bear Stearns? Hier muss man ein wenig den gesunden Menschenverstand bemühen. Hätte JP Morgan jemals 150 Millionen Unzen Silber besessen, ich würde wetten, die Bank hätte den Preis auf 500 $ getrieben - und den Markt nicht aggressiv geshortet.

Selbst wenn JP Morgan all das physische Silber tatsächlich besitzen würde (ich glaube nicht eine Sekunde daran), so würde das mit Blick auf die Manipulation und Marktkonzentration überhaupt keinen Unterschied machen. Es gibt aus ökonomischer Sicht kein legitimes Motiv für das parallele Halten einer solch großen physischen Long-Position und einer endlos fortgesetzten Papier-Short-Position, außer dass man mit dieser Position Kurskontrolle ausüben will; und das kann wohl kaum als legitim und rechtmäßig bezeichnet werden. Seit vier Jahren ist JP Morgan der dominante Leerverkäufer am COMEX-Silbermarkt.

Wäre JP Morgan tatsächlich nur an der „Absicherung“ einer großen physischen Long-Position interessiert, so wäre das für einen Nicht-Produzenten eine einmalige Transaktion, man würde die Papier-Short-Position nicht aktiv verringern und aufstocken. Die Marktaufsichtsbehörden würden es niemals zulassen, dass Exxon oder Saudi-Arabien eine konzentrierte Short-Position hielten, die 31 % des gesamten Marktes für Öl-Futures ausmachen würde - ganz gleich, was für blödsinnige Rechtfertigungen dafür auch vorgebracht würden. Wenn eine US-Bank am Mais- oder Weizenterminmarkt mit 31% beteiligt wäre, dann würden noch am selben Tag, an dem dies bekannt würde, Köpfe rollen. Hier geht es um übermäßige Konzentration, und nicht um an den Haaren herbeigezogene Rechtfertigungen.

Eine weitere Rechtfertigung, die bei näherer Betrachtung nicht standhalten kann, ist die Behauptung, JP Morgan würde nur für seine Kunden Absicherungsgeschäfte betreiben. (Diese Ausrede wurde von JP Morgan im Fernsehbeitrag vorgebracht.) Ist JP Morgan denn der weltweit einzige Broker, der für Kunden Absicherungsgeschäfte vornehmen kann? Natürlich nicht! Und trotzdem war die Bank im letzten Monat der einzige Silber-Leerverkäufer an der COMEX. Die Positionen für große Trader werden von der CFTC danach berechnet, wer die Trading-Konten kontrolliert.

Es besteht also die Möglichkeit, dass JP Morgan eine Reihe falscher Absicherungskonten arrangiert hat, von denen man schließlich behaupten kann, sie stünden hinter der gigantischen Short-Position. JP Morgan meldet aber korrekt an die CFTC, dass man diese Konten führt; ansonsten wären die Positionen auch nicht im Namen und unter der Kontrolle von JP Morgan. Und genau das ist auch der Knackpunkt - JP Morgans Kontrolle. Die gesetzlichen Regelungen für den Rohstoffsektor würden niemals Konzentration und Manipulation mit Verweis auf diese fadenscheinige Heding-Rechtfertigung erlauben.

Manchmal wird auch eine andere Version dieser Hedging-Rechtfertigungen angeführt. Es geht dabei um die Rolle des Marktmachers und die Behauptung, JP Morgan verkaufe nur deshalb mehr Silber leer, um bei Spekulativkäufen anderer Marktakteure als Gegenpartei dienen zu können. Würde JP Morgan keine zusätzlichen Leerverkäufe mehr vornehmen, so die Argumentationslinie, würden auch die Silberpreise drastisch in Höhe schießen. Hallo? Genau das sage ich doch! Würde JP Morgan nicht in Erscheinung treten, lägen die Silberpreise drastisch höher.

Der Rohstoffterminmarkt ist ein offener Auktionsmarkt - kein Expertenmarkt, wie einst die New York Stock Exchange. Das heißt, dass die Silberkurse und die Kurse anderer Rohstoffe durch ein offenes Zusammentreffen legitimer Käufer, Verkäufer, Spekulanten und Hedger festgestellt werden, und nicht durch einen dominanten Trader, der die Kurse glättet und kontrolliert. Keiner hat festgelegt, dass JP Morgan der Kontrolleur der Silberpreise sein soll, und diese Marktmacher-Rechtfertigungen sind Unsinn.

Es gibt noch eine letzte Rechtfertigung für die grotesk große und konzentrierte Short-Position am COMEX-Silbermarkt: Diese COMEX-Position würde nur einen kleinen Teil der Gesamtposition JP Morgans ausmachen, zieht man den viel größeren OTC-Markt mit in die Betrachtung ein. Mit anderen Worten: JP Morgans Short-Position an der COMEX wird durch OTC-Positionen (vermutlich Long-Position) ausgeglichen, die COMEX-Short-Position wird saldiert und neutralisiert. Der OTC-Markt mag in vielen Bereichen größer sein, aber beim Silber ist die COMEX Tonangeber. Der COMEX-Silbermarkt ist sozusagen der Urquell der globalen Silberkurse, und der Übergang zum nahezu 24-stündigen Globex-Handel stärkt die Dominanz der COMEX nur noch zusätzlich. Auch hier braucht es wieder ein wenig gesunden Menschenverstand.

Aufgrund ihrer Short-Position am Silbermarkt hat JP Morgan in den vergangenen 4 Jahren viel negative Publicity bekommen (einschließlich Zivilrechtsklagen wegen Manipulation des Silbermarktes); und die Bank müsste eigentlich ein Interesse daran haben, dass diese Negativberichterstattung aufhört. Sollte der OTC-Silbermarkt so viel größer als die COMEX sein, so dürfte es JP Morgan nicht schwer fallen, die COMEX-Leerverkäufe glattzustellen und die Geschäfte der Bank nur noch auf den (angeblich) viel größeren OTC-Markt zu beschränken.

Würde die Bank ihre Aktivitäten allein auf den OTC-Markt beschränken, ließe sich die konzentrierte Short-Position der Bank gar nicht mehr genau bestimmen und anprangern, es gäbe also auch keine negative Publicity mehr. Trotzdem hält JP Morgan seit 4 Jahren an seiner COMEX-Short-Position fest und setzt sich somit der negativen Publicity aus, die den Finanzinstitutionen so verhasst ist. Und zwar aus einem einfachen Grund: Die COMEX ist der Tonangeber, JP Morgan kann seine Positionen nicht an den OTC-Markt transferieren, die Bank kommt von der Position und der damit einhergehenden negativen Publicity nicht los.

Ich gebe zu, dass das Schweigen JP Morgans, der CFTC und der CME Group bezüglich der konzentrierten Short-Position JP Morgans natürlich Fragen aufkommen ließ, die nach Erklärungen verlangen. Das heißt jedoch nicht, dass wir jede Rechtfertigung gleich als Erklärung akzeptieren sollten, besonders dann nicht, wenn diese Erklärungsversuche bei genauerer Betrachtung nicht stichhaltig sind. Bis heute hat es keine seriöse und legitime Erklärung für JP Morgans enorm konzentrierte Short-Position gegeben, und ich bezweifle, dass es die jemals geben wird. Ich gehe allerdings davon aus, dass JP Morgan, die CFTC und die CME am Ende irgendeinen Vorstoß wagen werden, und an diesem Punkt wird die ernsthafte Diskussion beginnen. Aber an diesem Punkt sind wir noch nicht.


© Theodore Butler


(Diese Abhandlung wurde vom Silberanalysten Theodore Butler, einem unabhängigen Berater, verfasst. Investment Rarities teilt seine Ansichten nicht notwendigerweise, diese können sich als richtig oder falsch herausstellen.) Exklusiv übersetzt für GoldSeiten.de. Das Original wurde am 01.10.2012 auf der Website www.silverseek.com veröffentlicht.

Informationen zum Abonnement finden Sie unter www.butlerresearch.com.


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