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Gewinner und Verlierer der großen Umverteilung

14.10.2012  |  Manfred Gburek
Wenn sich der Internationale Währungsfonds IWF und die Weltbank zu ihrer traditionellen Jahresversammlung treffen wie jetzt in Tokio, kommt entweder eine gravierende Entscheidung oder Zoff heraus. Dieses Mal ist es Zoff: IWF-Chefin Lagarde gegen Bundesfinanzminister Schäuble, Weltbank gegen IWF, Angelsachsen gegen den Euroraum, die Ratingagentur Standard & Poor's gegen Spanien usw. Ausgerechnet eine vorab veröffentlichte IWF-Studie hat die ohnehin schon nervöse Stimmung angeheizt. Sie beschäftigt sich mit den Staatspleiten von 1950 bis 2010 und birgt besonders durch zwei Aussagen Brisanz: 1. Anders als allgemein kolportiert brachten bei Weitem nicht alle mit tatkräftiger IWF-Unterstützung zustande gekommenen Restrukturierungen von Staatsschulden während der untersuchten 60 Jahre den erhofften Erfolg. 2. Sogar scheinbar geordnete Insolvenzverfahren für Staatspleiten versagten immer wieder.

Die IWF-Studie listet 447 Schuldenerlasse aus 88 Ländern auf. Die Gläubiger bzw. Anleger mussten in diesen Fällen durchschnittlich auf ein Drittel ihrer Forderungen verzichten. Vor allem die Banken unter den Gläubigern wehrten sich früher hartnäckig gegen den Forderungsverzicht. Und nun kommt der aktuelle Clou: Die meisten von Staatspleiten betroffenen Banken sind heute so schwach, dass sie ohne staatliche Hilfe kaum überleben können - ein Teufelskreis, der vor allem in den Fällen Griechenland und Spanien deutlich wird. Das heißt, Banken und Staaten sind wechselseitig darauf angewiesen, sich am Schopf aus dem Sumpf zu ziehen.

So weit die generelle Perspektive. Allerdings ist Bank nicht gleich Bank, also die vergleichsweise immer noch starke Deutsche Bank keinesfalls vergleichbar mit dem maroden spanischen Bankenkonglomerat namens Bankia, und Staat ist nicht gleich Staat, wie der Vergleich volkswirtschaftlicher Daten Deutschlands und Spaniens zeigt. Ein weiterer wichtiger Aspekt: Banken sind auch ihren Aktionären verpflichtet, also den Eigentümern, wohingegen Staaten keine Aktionäre und damit keine Eigentümer haben; an ihre Stelle treten die Steuerzahler.

Allein schon aus den hier angestellten wenigen Überlegungen ergibt sich, wie komplex das Problem der Staatsschulden ist. Und nun soll es irgendwie gelöst werden, aber niemand weiß wie. Folglich schiebt man es vor sich her und wartet darauf, welcher von den relevanten Verhandlungspartnern - IWF, EZB, Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, die gerade mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnete EU, das starke Deutschland, das schwache Spanien u.a. - bei dem regen Gedankenaustausch hinter verschlossenen Türen Schwächen zeigt oder einen gravierenden Fehler macht.

Tobias Just, früher bei der Deutschen Bank und jetzt Professor an der Uni Regenburg, ist überzeugt, dass die Spanier noch das vor sich haben, was den Deutschen mit der Agenda 2010 abverlangt wurde, also den Gürtel enger schnallen. Über die Eintrittswahrscheinlichkeit dieser Prognose mag man im Hinblick auf die spanische Mentalität streiten, über die dabei dem deutschen Staat zukommende Rolle nicht: Deutschland verkörpert die stärkste Macht im Euroraum und wird demzufolge nicht herumkommen, den Spaniern ebenso zu helfen wie bereits den Griechen. Jürgen Jerger, ebenfalls Professor an der Uni Regensburg, hat ermittelt, mit welchem Betrag Deutschland zur Kasse gebeten wird, falls die Krisenländer des Euroraums ihre Schulden nicht mehr zurückzahlen können: 795 Milliarden Euro.

Geht es Ihnen, wenn Sie derartige Zahlen wahrnehmen, nicht auch so, dass Sie sich kaum etwas Konkretes darunter vorstellen können? Wie ebenfalls unter 9,4 Billionen Dollar an addierter Bilanzsumme der Zentralbanken des Euroraums, Großbritanniens, der USA und Japans, grafisch aufbereitet in der letzten Ausgabe des Magazins Der Spiegel? Oder unter der in derselben Ausgabe erwähnten Staatsverschuldung der USA in Höhe von 16 Billionen Dollar? Der Spiegel gelangt immerhin zum Ergebnis, den Bürgern würden ihre Ersparnisse geraubt und es komme zur Umverteilung von unten nach oben. Wie die Sparer sich dagegen wehren können, lässt er dagegen weitgehend offen.

Umverteilung von unten nach oben, das bedeutet auf jeden Fall: Sparer sind die Verlierer. Oder konkret formuliert: Wer auf einem der üblichen Tagesgeldkonten jährlich 1 bis 2 Prozent Zinsen kassiert, erzielt eine negative Realrendite, macht also bei Inflationsraten zwischen 2 und 3 Prozent ein Verlustgeschäft - vorausgesetzt, das aktuelle Missverhältnis von Zinsen und Inflationsraten bleibt auch in Zukunft bestehen. Das ist jedoch nicht so sicher, wie es inzwischen allgemein verbreitet wird. Außerdem können Tagesgeldsparer ihr Geld jederzeit anders als in mickrige Zinsanlagen investieren und sich so mit etwas Gespür für das richtige Timing - etwa bei Aktien, Edelmetallen oder Immobilien - der Umverteilung entziehen.

Wer alles zu den Gewinnern gehört, darüber kann man sich streiten; es kommt halt wieder sehr auf das Gespür für das richtige Timing an. Dazu ein einfaches Beispiel: Als IWF und Weltbank 1999 in Washington tagten, überraschten sie die Anleger mit dem legendären Washington Agreement on Gold, das den damals lebhaften Verkauf des Edelmetalls durch Zentralbanken einschränken sollte. Daraufhin reagierte der Goldpreis zwar für zwei Tage mit einem steilen Anstieg, aber danach fiel er wieder zurück und begann seinen nachhaltigen Aufwärtstrend erst im Frühjahr 2001.

Um auf unser heutiges Thema zurückzukommen: Nahm er damit etwa schon die aktuelle Umverteilung in Form negativer Realrenditen vorweg? Wohl eher nicht, denn damals und in den Jahren danach dürften vor allem solche Anleger Gold gekauft haben, die rechtzeitig das eklatante Missverhältnis zwischen seinem niedrigen Preis und den übertrieben hohen Kursen von Technologiewerten erkannt hatten.

Damit schließt sich die nächste Frage an: Besteht heute bereits ein Missverhältnis zwischen dem seit 2001 versiebenfachten Goldpreis und den Aktienkursen? Die Antwort ergibt sich weniger aus der Relation dieser beiden Größen als aus den hohen und immer höher werdenden Schuldenbergen: Gold (einschließlich Silber) und Aktien, zum Teil auch Wohnimmobilien, machen im Vergleich zu den Schulden, repräsentiert durch Anleihen und sonstige Schuldtitel sowie durch direkte Verbindlichkeiten, erst einen Bruchteil aus. Oder umgekehrt: Alle Schulden der Welt bilden, in Dollar, Euro oder einer anderen großen Währung gerechnet, ein Mehrfaches der realen Werte. Da die genaue Höhe der Schulden und der realen Werte jedoch nur ansatzweise zu ermitteln ist, lässt sich vorerst nur dieses Fazit ziehen: Die Preise von Gold, Silber & Co. haben, auch wenn der eine oder andere Rücksetzer wie in den vergangenen Tagen dazwischenkommt, noch Spielraum nach oben.


© Manfred Gburek
www.gburek.eu

Herr Gburek ist Fachjournalist und Buchautor. Seine letzten Werke waren: "Das Goldbuch" (2005), das Wörterbuch "Geld und Gold klipp und klar von A bis Z" (2007) und "Die 382 dümmsten Sprüche der Banker" (2008).



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