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Die Hypothek von 2010

23.01.2011  |  Klaus Singer
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Die Stimmungsindikatoren sind überwiegend als leicht positiv einzuschätzen - Verbrauchersentiment (siehe Chart!) und Verbrauchervertrauen (siehe Chart!) in den USA mit leicht aufwärts gerichteter Tendenz jeweils unterhalb wichtiger Schwellen. Der ISM-Index deutlich über der 50%-Grenze, die Expansion und Kontraktion in der Einschätzung der Einkaufsmanager trennt (siehe Chart!). Alle drei zeigen jedoch seit Sommer 2010 kein starkes Aufwärtsmomentum mehr.

Das Niveau der Verschuldung in den USA und in der Euro-Zone ist langfristig nicht durchzuhalten. Hierzu müssten die Volkswirtschaften mindestens zu dauerhaften Wachstumsraten wie vor dem Ausbruch der Finanzkrise zurückkehren. Die Verschuldungsthematik wiegt in Europa besonders schwer, weil Ausgleichsprozesse durch die einheitliche Währung verhindert werden und dies deswegen politisch organisiert werden muss.

Die Euro-Länder versuchen dies mit einem "umfassenden Maßnahmenpaket". Dazu gehört auch, den Rettungsfonds für wackelnde Mitgliedstaaten schlagkräftiger zu machen, sowie ein Bekenntnis zur Haushaltssanierung, neue Stresstests für Banken im ersten Halbjahr und eine Verpflichtung, die Gesetzesvorschläge der Kommission zur Stärkung des Euro-Stabilitätspaktes bis zum Sommer zu verabschieden. Auch die Verlängerung der Rückzahlungsfristen der griechischen Milliarden-Kredite und niedrigere Zinsen für Krisenstaaten, die Hilfen in Anspruch nehmen, sind enthalten.

Debattiert wird noch, ob der europäische Rettungsfonds Staatsanleihen von Wackelkandidaten übernehmen darf („Flexibilisierung des Rettungsfonds“). Eine Erhöhung der EFSF-Obergrenze von nominal 440 Mrd. Euro ist vorerst nicht in Sicht, eine Erhöhung der effektiven Obergrenze von gegenwärtig 750 Mrd. Euro etwa durch Garantien ist noch nicht vom Tisch. Die EZB und Belgien pochen darauf, Deutschland und andere Staaten treten auf die Bremse.

Mit anderen Worten: Alles, bloß keinen "Haircut".

Ein "Haircut" ist aber in der langen Sicht unausweichlich. Griechenland und Irland, auch andere Euro-Länder mit mehr als 100% Staatsverschuldung, können durch reines Sparen nicht von solch hohen Schuldenbergen herunterkommen. Je weiter der Haircut herausgeschoben wird, je schlimmer sind die Konsequenzen. Die Finanzindustrie wird alles tun, um den Zeitpunkt so weit wie möglich hinauszuschieben, z.B. mit dem Argument, dass Basel III so viel frisches Kapital erfordert, dass sie sich "leider" einen Haircut nicht leisten könnten. Daneben wird sie alles tun, um ihre Belastungen durch einen solchen so gering wie möglich zu halten. Und im Einfordern von Steuerzahlers Rettungsgeld hat man ja jetzt schon Übung...

Dass ein Haircut in der Vergangenheit mittelfristig eher stimuliert hat, darauf hat u.a. Rogoff hingewiesen (vgl. Artikel vom 12.12.2010). Manche Beobachter gehen zu recht sogar weit, dass ihn mit einem Befreiungsschlag vergleichen, der Altlasten hinwegfegt und einen Neuanfang ermöglicht. Wenn der Haircut allerdings auf den Steuerzahler überwälzt wird, wäre das lediglich ein Schuldentausch, die Altlasten werden nicht beseitigt, sondern potenziert.

Um die Schuldenlast real zu verringern, bieten sich zwei Wege an. Der eine ist, die eigene Währung zu schwächen. So gesehen ist verständlich, warum die US-Seite sich so "rührend" um die Schuldenproblematik der Eurozone "sorgt". Ein starker Dollar als Konsequenz aus einer Euro-Schwäche passt der US-Seite nicht ins Konzept. So gesehen erfüllt das Brüsseler Gegacker seinen Zweck und hält den Euro flach. Aus all dem folgt, dass am Euro/Dollar immer heftiger hin- und hergezerrt wird.

Der zweite Weg besteht in Inflationierung. Die Teuerungsraten in Europa laufen derzeit vor, denn die Rohstoff-Hausse führt bei dem derzeit gedrückten Euro zu importierter Inflation. Auch in den USA zeigt sich in den vergangenen zwei Monaten ein leichter Preisauftrieb. Der wird nach wie vor vom PPI geschoben, der CPI läuft nach, was im Sinne einer Preisstruktur eher „ungesund“ ist (siehe Chart!).

In Zusammenhang mit der steigenden "Makro-Zuversicht" verlieren "sichere Häfen" an Zuspruch. Das nimmt Kurspotenzial aus dem Edelmetallkomplex, aber Inflationsphantasie dürfte zumindest für eine relativ gute Absicherung nach unten sorgen. Genau diese Inflationsphantasie führt dazu, dass festverzinsliche Wertpapiere unter Abgabedruck geraten, erst recht, wenn damit gerechnet wird, dass die realen Zinsen negativ werden. Auch für diesen Fall steht die Fed mit QE2 bereit und kann den Kursverfall bei Treasuries zumindest bremsen.

Ich spreche bewusst von "Inflationsphantasie". Aus meiner Sicht ist nämlich noch nicht ausgemacht, ob die sichtbaren ersten Inflations-Anzeichen Ausreißer oder Hinweise auf einen sich etablierenden Trend sind.

Die Hypothek des Jahres 2010 ist damit klar: Die entwickelten Volkswirtschaften produzieren bezogen auf ihren Verschuldungsgrad aus sich selbst heraus ein zu geringes Wachstum. Geldpolitische Lockerungen werden das nicht ändern, bestenfalls einige Konsequenzen abfedern mit der Folge, dass diese später umso stärker neu aufbrechen. Dazu zählt, dass durch die extreme Zentralbank-Liquidität spekulative Blasen entstehen. Die Finanzmärkte sind heute wieder so aufgebläht wie Mitte 2008 (siehe Chart!). Solche Übertreibungen haben mit der fundamentalen Basis nicht mehr viel zu tun, sie stellen eine gravierende Fehlallokation von Kapital dar, ihr unweigerliches Platzen wird erneut schwere makroökonomische Schäden verursachen.

Damit wird das globale Wachstum auch 2011 viel mehr auf der Asset-, als auf der Real-Seite stattfinden. So weit der Blick in den Rückspiegel, der Blick in die Glaskugel folgt.

Erwähnte Charts können über diesen Link eingesehen werden: www.timepatternanalysis.de


© Klaus G. Singer
www.timepatternanalysis.de



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