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Zweifel am Zentralbankengold

08.11.2012  |  John Browne
Seit Jahren habe ich warnend darauf hingewiesen, dass über die Eigentumsverhältnisse des in den Tresoren der großen Zentralbanken gelagerten Goldes wahrscheinlich nicht korrekt Rechenschaft abgelegt wird. Letzte Woche wurde nun in Deutschland ein Bericht veröffentlicht, der dieses Thema wieder in den Vordergrund rückte. In Zeiten wuchernder Geldschöpfung sowie Zweifeln an den Aktivitäten der Zentralbanken werden solche Unsicherheiten mit Sicherheit die Neugier einer wachsenden Zahl von Investoren wecken.

Seit dem Krisentief des Jahres 2008 haben Zentralbanken auf der ganzen Welt ihre Goldbestände ausgebaut. Nach Schätzungen des Internationalen Währungsfonds haben die offiziellen Goldreserven, nach Stand von Januar 2012, ein 6-Jahre-Hoch erreicht. Dieser Zuwachs geht zum großen Teil auf das Konto der Schwellen- und Entwicklungsländer, die ihre Goldreserven (nach Gewicht) seit 2008 um schätzungsweise 25% erhöhten. Vor nur wenigen Jahren kaufte Indien 200 Tonnen Gold an, das vom IWF angeboten wurde.

Wer bislang dachte, dass Zentralbanken in Zeiten der Rezession traditionell kein Gold akkumulieren würden, mag von diesem Anstieg überrascht sein. Die Tatsache, dass die Zentralbanken ihre Goldbestände aufstocken, birgt aber eine wichtige Botschaft für Privatinvestoren.

Die Vereinigten Staaten verfügen nach Stand von 2010 über 8.133,50 Tonnen Gold (mit einem aktuellen Marktwert von 420 Milliarden Dollar) und sind damit immer noch die mit Abstand größten Goldhalter der Welt. Deutschland hält mit 3.396 Tonnen die zweitgrößte Goldreserve - möglicherweise wegen der eingebrannten Erinnerungen an die sozialen Narben, die die Weimarer Republik hinterlassen hatte. Seltsamerweise hält Deutschland seinen Goldschatz im Ausland gelagert - 66% bei der New York Federal Reserve und 21% bei der Bank of England. Das Gold verließ Deutschland während des Kalten Krieges in den 1950ern aus Angst vor der Möglichkeit einer russischen Invasion in Westdeutschland.

Ende Oktober berichtete Ambrose Evans-Pritchard im britischen Daily Telegraph, dass der deutsche Bundesrechnungshof die Gesetzgeber in einem überarbeiteten Bericht in Kenntnis setzte, dass die im Ausland gelagerten Goldbestände Deutschlands nie physisch geprüft wurden. Der Bundesrechnungshof forderte zudem von der Bundesbank, sie möge für den Zugang zu den Lagerorten sorgen. Der Bericht beinhaltete auch die überraschende Erkenntnis, dass Deutschland seine von der Bank of England verwahrten Goldbestände in den Jahren 2000 sowie 2001 drastisch reduzierte.

Die aktiven Goldverkäufe durch die Regierung Großbritanniens hatten die Deutschen damals nervös gemacht. Nach Aussagen Evans-Pritchards fordert der Bundesrechnungshof ebenso die Repatriierung von 150 Tonnen Gold (verteilt über die nächsten drei Jahre), um diese auf Gewicht und Qualität prüfen zu können. Der Bericht gab zudem einer politischen Bewegung innerhalb Deutschlands Auftrieb, die die Rückholung der deutschen Goldreserven fordert. Aus meiner Sicht beleuchtet der Bericht zudem drei faszinierende Themenbereiche.

Erstens erhöhte Deutschland zwischen 2000 und 2009 seine Goldreserven deutlich; der in Gold gehaltene Anteil der nationalen Devisenreserven wurde mehr als verdoppelt. Den aus dem Jahr 2010 stammenden Zahlen des World Gold Councils zufolge machen die deutschen Goldreserven 74% der gesamten Devisenreserven Deutschlands aus. Die Goldbestände wurden trotz steigender Lagerkosten und dem drastisch gesunkenen Risiko einer russischen Invasion aufgestockt! Was brachte Deutschland dazu, so viel Gold zu akkumulieren? Diese Frage sollten sich Investoren auf jeden Fall stellen.

Zweitens zeigt der Bericht ein kaum vorstellbares Niveau der Kooperation und des Vertrauens unter den Zentralbanken. Die alliierten Staaten scheinen sich gegenseitig bei der Verwaltung nicht zugewiesener, und in manchen Fällen nicht einmal inventarisierter Goldbarren, im Wert von mehreren hundert Milliarden (blind) "vertraut“ zu haben. Diese Richtlinien grenzen schon an finanzielle Fahrlässigkeit.

Drittes veröffentlichen einige Zentralbanken, so auch die Fed, Zahlen für ihr gesamtes Goldinventar. Es werden jedoch keine Details zu den Eigentumsverhältnissen angegeben. Bekanntlich lagern einige Ländern bedeutende Anteile ihrer physischen Goldreserven bei der US Fed und der Bank of England. Detaillierte Angaben sind allerdings nicht verfügbar.

Von 1999 bis 2009 verfassten die Zentralbanken drei Goldabkommen und setzten diese in die Tat um; die erklärte Absicht der Abkommen war die weltweite Koordinierung ihrer Goldverkäufe. Viele Privatinvestoren sehen in diesen Abkommen einfach nur Versuche, Gold durch die Erzeugung strategischer Kursvolatilität - und somit Investitionsunsicherheit - zu "demonetisieren“. Die enormen Handelsaktivitäten, die zur Erreichung der gewünschten Preisbewegungen erforderlich waren, müssen zu relativen Veränderungen der Goldbestände der Zentralbanken geführt haben. Da die Banken jedoch nicht die Eigentümer ihrer Goldbestände offenlegen, lässt sich aufgrund fehlender Daten nichts beweisen.

Wir gehen davon aus, dass das allgemeine Interesse am Gold bezüglich seiner Wertspeicherfunktion in den kommenden Jahren steigen wird, bei gleichzeitig sinkendem Vertrauen in die Fiat-Währungen. Wenn sich dieser Trend durch zunehmendes Unbehagen hinsichtlich der Sicherheit und der wahren Eigentumsverhältnisse des Zentralbankengoldes verstärkt, so könnte das deutlich erhöhte Volatilität nach sich ziehen. Wenn sich der allgemeine Vertrauenseinbruch in das Fiat-Geld plötzlich durch Staatsschuldenkrisen, wie wir sie gerade in Südeuropa beobachten können, beschleunigt, könnten einige Zentralbanken sogar öffentlich Anspruch auf ihre im Ausland gelagerten Bestände erheben. In einem solchen Fall würde schließlich auch der Schattenmarkt für Zentralbankgold ans Tageslicht gezerrt werden.


© John Browne
Senior Market Strategist

Der Artikel wurde am 06.11.2012 auf www.safehaven.com veröffentlicht und exklusiv für GoldSeiten übersetzt.



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