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Mit ruhig Blut durch unruhige Zeiten

11.11.2012  |  Manfred Gburek
Lassen Sie mich bitte heute ausnahmsweise mit einem Zitat aus meiner letzten Kolumne bei wiwo.de beginnen: "Der Deutsche Aktienindex Dax ist reif für eine Korrektur nach unten." Ich habe diese Aussage kurstechnisch, fundamental und - besonders wichtig - mit dem Streit zwischen EZB-Chef Mario Draghi und Bundesbank-Präsident Jens Weidmann begründet. Sie gilt - jedenfalls was die Kursentwicklung und die fundamentalen Daten angeht - auch für andere europäische und für amerikanische Aktien.

Damit sind wir an einem ganz entscheidenden Punkt angelangt: bei der Internationalität der jetzt erneut aufbrechenden Krise. Sie wird leider nicht nur den Dax und andere Aktienindizes betreffen, sondern sich über mehrere Bereiche erstrecken, die ich im Folgenden Revue passieren lasse, bevor ich am Ende zum Fazit für Anleger komme.

Besonders aufschlussreich ist, dass Draghi in weiten Kreisen der US-Regierung über seine nicht gerade unwichtige Rolle als starker Mann der EZB hinaus auch als eine Art heimlicher Präsident aller Europäer gilt. Klar, denn solange allein schon die Euroländer untereinander zerstritten sind, ist es für die Amerikaner einfacher, mit Draghi statt mit der deutschen Kanzlerin, dem französischen Präsidenten oder sonst wem zu verhandeln. Das schafft allerdings nicht den Streit um die europäische Geldpolitik zwischen Weidmann und Draghi aus der Welt, im Gegenteil.

Dieser Streit macht es zusammen mit dem Komplex, den angelsächsische Medien fälschlicherweise gern als Eurokrise bezeichnen, den Amerikanern umso leichter, eben diese Medien als negative Stimmungsmacher einzusetzen. Das geht im Zuge von Ablenkungsmanövern weitgehend subtil vor sich: Eine abfällige Bemerkung über Angela Merkel hier, wobei nicht gerade zufällig der Reporter eines amerikanischen Fernsehsenders sein Mikrofon eingeschaltet hat, eine Aufforderung zum Rausschmiss Griechenlands aus dem Euro da, hinausposaunt von irgendeinem bekannten Guru, der damit eigene Interessen verfolgt, und so weiter.

Wobei die Ablenkung allein schon deshalb nottut, weil die Amis die ihnen drohende, fiskalische Klippe genannte Schwachstelle soweit wie möglich aus der internationalen Diskussion heraushalten müssen. Diese Klippe, das sind automatische Steuererhöhungen und Ausgabenkürzungen in Höhe von über 4 Prozent der US-Wirtschaftsleistung, die von US-Präsident Barack Obama mithilfe der oppositionellen Republikaner in der extrem kurzen Zeit bis zum Jahresende irgendwie unter Dach und Fach gebracht werden müssen.

Allein naive Geister argumentieren nun: Lasst uns hier den Euro festzurren und drüben die Amis ihre fiskalische Klippe überwinden, dann wird alles wieder gut. Schön wär's. Doch der Euro bleibt in sich gespalten: Er ist eine schwache Währung für Deutschland (was unter anderem unsere Exportstärke belegt), dagegen eine viel zu starke für das Gros der anderen Euroländer (weshalb sie wirtschaftlich nicht zurande kommen, wie die Franzosen mit ihrer Autoindustrie). Und was die USA betrifft: Sie haben zwar kein Währungsproblem wie die Euroländer, aber eine ganze Reihe von gravierenden Missständen, die beseitigt werden müssen: beispielsweise die riesige Lücke zwischen Arm und Reich, eine zum Teil total marode Infrastruktur (was einmal mehr der Wirbelsturm Sandy mit seinen Folgen gezeigt hat), die trotz Reform unzureichende Krankenversicherung und eine zu hohe Staatsverschuldung, die in ihrer Summe viel dramatischer ist als das, was die schwachen Euroländer in dieser Hinsicht zu beklagen haben.

Es würde geradezu an ein Wunder grenzen, falls die hier beschriebene Konstellation ohne unangenehme Konsequenzen für das Verhältnis der USA zu Europa, aber auch zu China und anderen Ländern bliebe. Um ihre eigenen Probleme zu lösen, werden die Amerikaner zum Beispiel einen größeren Beitrag der Europäer für den Einsatz in Krisengebieten einfordern, sei es im Mittleren Osten, am Horn von Afrika oder in Mali. Sie werden sogenannte faire Handelspraktiken verlangen - im Klartext: das, was sie aus eigenem Interesse dafür halten -, hin und wieder ein Embargo verhängen und den Protektionismus auch sonst neu aufleben lassen, etwa durch technologische oder ökologische Vorschriften bei der Einfuhr von Waren aus Europa und China. Und was China betrifft, werden die Amerikaner so lange darauf beharren, dass die chinesische Währung Renminbi aufgewertet werden soll, bis sie diesbezüglich einen Kompromiss erreichen.

Das alles sind nur einzelne Beispiele. Ich bin weit davon entfernt, sie zu dramatisieren, aber man muss sich einfach die aktuelle Situation der USA vorstellen: Da wurde mit Barack Obama ein Hoffnungsträger breiter Bevölkerungsschichten als Präsident wiedergewählt, der nur eine Chance hat, Versäumtes nachzuholen und doch noch als starker Mann in die Geschichtsbücher einzugehen: Indem er 2013 und 2014 rigoros Reformen in Angriff nimmt und amerikanische Interessen gegenüber dem Ausland durchsetzt. Während des zweiten Teils seiner im kommenden Januar beginnenden neuen Amtsperiode, also in den Jahren 2015 und 2016, wird er es dagegen als Auslaufmodell, von Amerikanern lame duck genannt, langsamer angehen lassen. Das lehrt die Erfahrung mit den bisherigen US-Präsidenten.

Alles in allem brechen also, politisch wie auch wirtschaftlich gesehen, ein weiteres Mal unruhige Zeiten an. Sie beginnen sich bereits auf die verschiedenen Anlagemärkte auszuwirken. So lässt die Unruhe das Gros der Anleger gerade aus Aktien flüchten, die auf die Unruhe reagieren, indem ihre Kurse einknicken, was wiederum noch mehr Unruhe aufkommen lässt. Treten Sie jetzt also bei Aktien kurz, indem Sie den Großteil verkaufen, um später bei niedrigeren Kursen wieder einzusteigen. Begehen Sie aber auf keinen Fall den Fehler, im Gegenzug Anleihen zu kaufen, die - sofern das Rating stimmt - vom Nimbus als vermeintlich sichere Häfen profitieren. Setzen Sie umso stärker auf Gold und Silber: Auf Gold, weil es in unruhigen Zeiten der einzige sichere Hafen ist, und auf Silber, weil es trotz stärkerer Schwankungen mit Gold korreliert.


© Manfred Gburek
www.gburek.eu

Herr Gburek ist Fachjournalist und Buchautor. Seine letzten Werke waren: "Das Goldbuch" (2005), das Wörterbuch "Geld und Gold klipp und klar von A bis Z" (2007) und "Die 382 dümmsten Sprüche der Banker" (2008).



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