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Geht die Globalisierung Bankrott? (Teil 2/2)

19.11.2012  |  Presse
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An diesem Punkt werden die politischen Debatten stärker von den weniger emotionalen und stärker rationalen Attacken von Globalisierungsgegnern wie Robert Wade beeinflusst - ein Professor für Volkswirtschaft an der London School of Economics, der mit Nachdruck die These vertritt, dass Globalisierung im Grunde zu stärkerer globaler Einkommensungleichheit und schlechteren Lebensbedingungen für die Armen führt.

Falls eine globale Liquiditätskontraktion einsetzt, werden die Argumente der Globalisierungsgegner stärkeren Nachhall finden, da sich schließlich die Warnungen vor der Gier der Wall Street und den Gefahren liberalen Reformen zu bewahrheiten scheinen.

Anscheinend unumkehrbare Trends werden sich plötzlich umkehren. Erneute Versuche, die wirtschaftlichen Reformen zu vertiefen, den Freihandel auszuweiten und die Kapital- und Arbeitskraftmobilität zu erhöhen, werden auf politischen Widerstand treffen. Er wird sich nur schwer überwinden lassen, weil gerade die Banker, und somit die entschiedensten Befürworter der Globalisierung, einen großen Teil ihres Prestiges verlieren könnten und nach einer Reihe schwerer Verluste an den Aktienmärkten zum Ziel populistischer Attacken werden. Da die Banker so stark mit der Globalisierung identifiziert werden, wird jede Kritik an der Wall Street implizit auch eine Kritik an den globalisierten Märkten sein.

Aber auch in den 1930ern waren Financiers keine Volkhelden, auch nicht während der 1920er, und die aktuellen Ereignisse scheinen die vergangenen Gegenreaktionen vorzuzeichnen. Schon jetzt untersucht die U.S. Securities and Exchange Commission, die während der Großen Depression der 1930er gegründet wurde, die Rolle der Banker und Analysten bei der Irreführung der Öffentlichkeit im Rahmen der Marktexzesse der 1990er. Im Juni 2001 schlug die Lobbygruppe des Finanzsektors, die Securities Industry Association, einen freiwilligen Regelkatalog vor, den sie euphemistisch als „Zusammenstellung optimaler Verfahrensweisen“ bezeichnet, "um die dauerhafte Integrität der Wertpapierberatung und - analyse sicherzustellen“ - hauptsächlich aber, um weiteren externen Regulierungen vorzubeugen. Immer mehr Experten bedauern die inhärenten Interessenkonflikte, die aus dem Wirken der Mega-Banken ergeben, welche das Finanzwesen der USA und der Welt dominieren.

Die Globalisierung selbst wird mit globaler Liquidität kommen und gehen. Anhänger weiterführender internationaler Integration innerhalb eines liberal-wirtschaftlichen Rahmens sollten aufgrund der vergangenen Erfolge nicht in Selbstgefälligkeit verfallen, denn die Bedingungen werden sich ändern und die Rückendeckung für liberale Expansionen wird schwinden. Denjenigen, die die im Rahmen der Globalisierung entstandenen sozioökonomischen Veränderungen rückgängig machen wollen, sei gesagt, dass die Zukunft möglicherweise weitaus mehr Fortschritt bringen wird, als sie gehofft hatten. Sollte die globale Liquidität schrumpfen und sollten sich die Märkte auf der ganzen Welt zurückziehen, dann wird sich unsere Vorstellungswelt wieder einmal auf die immer deutlicher hervortretenden Kosten der Globalisierung fokussieren und immer weniger auf das Potential, dass alle Völker von ihr profitieren könnten. Die Reaktion gegen die Globalisierung wird plötzlich unaufhaltbar erscheinen.

Beim erneuten Lesen des Artikels zeigte sich deutlich, dass ich etwas voreilig war. Ich war damals davon ausgegangen, dass wir nur noch zwei oder drei Jahre bis zur großen globalen Kontraktion haben würden, obwohl es noch fast sechs Jahre dauern sollte. Der "Greenspan Put” wurde erneut ausgeübt und die Märkte erhielten Finanzrettung; aber wie Hyman Minsky, wäre er noch unter den Lebenden, wahrscheinlich angemerkt hätte, würde das nur dafür sorgen, dass die Krise, wenn sie schließlich käme, nur noch schlimmer sein würde. Um ein Anpassung der Märkte an die 1990ern geschaffenen Ungleichgewichte zu verhindern, zwangen die Politiker im Grunde das Finanzsystem zur Anpassung, und zwar durch die Übernahme noch größerer Risiken, so wie es Minsky beschrieben hatte.

Wie sich in einer Diskussion der Studenten meines Seminars über Zentralbanken an der Peking University letzte Woche zeigte, lässt Minskys Analyse wichtige Schlussfolgerungen hinsichtlich China zu. Sie legen Folgendes nah: Wann immer Peking Maßnahmen zur Verhinderung von Volatilität im Finanzsektor unternimmt, wird letztendlich nur das Bankensystem zur Übernahme noch größerer Risiken gezwungen. Am Ende wird es immer schwerer, dass System von einer tiefgreifenden Reinigung abzuhalten, die aber kommen wird - allerdings mit viel größeren Risiken, eingebettet im System.

Wie dem auch sein, der Knackpunkt ist folgender: Veränderungen der Risikotoleranz (häufig ausgelöst durch Veränderungen der zugrundeliegende Liquidität) haben eine Reihe wichtiger Konsequenzen für die Bilanzen. In Phasen zunehmender Liquidität werden solche Konsequenzen gerne übersehen, da gerade die steigenden Vermögenspreise und die günstige Liquidität die Risiken verdecken; doch wenn die Kontraktion kommt, und sie muss kommen, sind wir häufig über die Reichweite der Veränderungen und der Heftigkeit der Veränderungen überrascht.



© Micheal Pettis
www.mpettis.com

Der Artikel wurde am 04.06.2012 auf www.mpettis.com veröffentlicht und exklusiv für GoldSeiten übersetzt.



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