Bullen stark genug?
27.02.2011 | Klaus Singer
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Ich denke, El-Erian hat recht. Sollte der Ölpreis jetzt dauerhaft über 120 Dollar (Brent) vorstoßen, besteht tatsächlich die Gefahr, dass das Bisschen Aufschwung erstickt. Für diesen Fall hat die Fed zwar schon angekündigt mit "QE3" bis "QEx" bereit zu stehen, aber ob das dann den gleichen Effekt wie "QE2" haben wird, steht erst einmal dahin.Sollte sich die Unruhen im arabischen Raum noch ausweiten oder auch nur längere Zeit anhalten, kommt natürlich ein Effekt hinzu: Diese Länder fallen dann als Nachfrager für westliche Industrieerzeugnisse aus, was dort wiederum Wachstum kostet.
Makro-Zuversicht und Phantasie einer Inflation in der Frühphase - diese oben so genannten notwendigen positiven Rahmen-Bedingung für die Aktienmärkte könnten also durch die geopolitischen Ereignisse sehr wohl negativ tangiert werden. Bei der Inflationsthematik ist entscheidend, dass die Schere zwischen den Zuwachsraten von PPI und CPI nicht zu weit aufgeht, weil sie die Unternehmensgewinne insgesamt schmälert. Und die gehören zu den hauptsächlichen Triebkräften der Aktienkurse.
Andererseits liegt das Aktien-KGV nach Abschluss der Quartalssaison für den S&P 500 bei rund 17 (siehe Chart!). Das liegt zwar im oberen Drittel des Bereichs, der zwischen den 1920er und den frühen 1990er Jahren gültig war. Betrachtet man aber die Zeit seit 1995, so liegt 17 an der Untergrenze des Wertebereichs. Ich will mich hier nicht darüber auslassen, wie die Gewinne an Wall-Street buchhalterisch zustande kommen, auch nicht darüber, ob "Lug und Betrug" heute größer sind als früher. Wichtig sind mir in dieser Betrachtung lediglich die Relationen, so wie die Akteure an den Finanzmärkten das sehen. Und da kommt man nicht um den Schluss herum, dass die Unternehmen aus dieser Sicht jedenfalls nicht hoch bewertet sind. Das sollte mithin zumindest stützend auf die Kurse wirken.
Was die hinreichende Bedingung für eine bullische Bewegung an den Märkten angeht, die Liquiditätsausstattung, so zeigt die Entwicklung der Reserven im US-Bankensystem, dass diese seit November, dem Startpunkt von "QE2" wieder ansteigt (siehe Chart!). Der Anteil der Überschussreserven liegt seit Herbst 2008 bei über 90%, auch aktuell. Die Fed hat dürfte mittlerweile ein gutes Drittel des QE2-Volumens von 600 Mrd. Dollar für Bond-Käufe ausgegeben haben. Realiter wird sie noch deutlich mehr neu investiert haben, weil sie ja durch Fälligkeit von Anleihen rückfließende Mittel neu investiert.
In Zusammenhang mit den geopolitischen Ereignissen der vergangenen Tage fällt auf, dass der "Safe-heaven"-Reflex bisher ausbleibt. Regelmäßig erstarkt der Dollar, wenn besondere geopolitische Probleme auftreten - diesmal nicht. Der Dollar-Index hat sich Mitte Februar bei über 78,50 erneut auf den Weg nach unten gemacht, jetzt notiert er bei 77, an einem wichtigen Support-Pegel (siehe Chart!). Gleiches gilt für Euro/Dollar - üblicherweise tendiert das Währungspaar in solchen Phasen schwach. Aktuell nicht - ebenfalls seit Monatsmitte steigt es von 1,3460 bis auf heute 1,3830, einem wichtigen Widerstand. Auffallend auch, dass im Euro/Dollar zuletzt immer wieder scharfe Einbrüche auftraten, die sehr schnell wieder gekauft wurden.
Vielleicht ist dieses unnormale Verhalten ein Zeichen, dass die US-"Märkte" die gegenwärtigen Turbulenzen nicht als so gravierend ansehen, vielleicht sogar als Chance für rentierliche Dollar-Investitionen.
In diesem Zusammenhang ein wenig "Verschwörungstheorie": Die Idee zum Projekt "Greater Middle East" geht auf die Ära von Bush jr. zurück. Neuerdings umgetauft in "New Middle East" wird damit eine Strategie bezeichnet, die Staaten der Region von Marokko bis Afghanistan zu destabilisieren. Sie ist die im Rahmen der Bekämpfung der aus US-Sicht bestehenden Terrorgefahr logisch nächste Stufe: Dem Einsatz militärischer Mittel folgt der Einsatz politisch-subversiver Mittel. Wie zuletzt vor zwanzig Jahren, als die USA die Regimewechsel in Osteuropa unterstützten, hat Washington jetzt wieder in mehreren Ländern einer Region zugleich solche Operationen angeschoben. Man setzt an den Beweggründen an, die Millionen im Nahen Osten und in Nordafrika auf die Straße treibt, und will steuern, wie die Destabilisierung in der gesamten islamischen Welt ausgeht. Der "Safe-heaven"-Reflex ist vielleicht auch deshalb bisher ausgeblieben, weil man keine "Turbulenzen", sondern in diesem Sinne "frohes Schaffen" von Obama & Co zu erkennen glaubt. Ende der "Verschwörungstheorie".
Die Chance, dass der in dieser Woche erfolgte geopolitische Dip als unmittelbare Kaufgelegenheit gesehen wird, besteht noch. Allerdings geht das Fenster hier schnell zu. Hierzu muss erstens tunlichst zumindest per Tagesschlusskurs die EMA50 bei den großen Aktienindices respektiert werden. Sie liegt im S&P 500 aktuell bei 1287. Der NDX hat seinige gestern unterschritten und ist interessanterweise mit relativer Stärke aus der gestrigen Sitzung hervorgegangen. Der DAX hat gestern an seiner EMA50 ein "Kreuz ausgebildet". Zweitens müssen rasch und dynamisch die Pegel von 1312 im S&P 500, bzw. 2318 im NDX überwunden werden und es per EoD auch bleiben.
Im größeren Bild glaube ich, dass die "Märkte" erst im Mai wieder, kurz vor Auslaufen von "QE2" über die weiteren Perspektiven "nachdenken". Vorausgesetzt, die Geopolitik sendet keinen Schock aus, wie etwa die Destabilisierung von Saudi-Arabien.
Erwähnte Charts können über diesen Link eingesehen werden: www.timepatternanalysis.de
© Klaus G. Singer
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