Führer durch den Euro-Dschungel
27.03.2011 | Manfred Gburek
Wenn Politiker ein Problem nicht lösen können, verschieben sie die Lösung in die Zukunft und lassen verlautbaren, das sei die Lösung. So geschehen beim jüngsten EU-Gipfel, denn der hier ausgehandelte "Europäische Stabilitätsmechanismus" (ESM) soll erst von 2013 an wirksam werden. Er sieht vor, dass Deutschland 21,7 Milliarden Euro Grundkapital einschießen und mit 168,3 Milliarden Euro bürgen soll. Wofür bürgen? Das wird die Zukunft zeigen. Warum überhaupt bürgen? Damit der Euro erhalten bleibt - bis auf Weiteres, versteht sich, trotz Portugal, trotz Griechenland, Irland und demnächst womöglich Italien, Spanien, Belgien etc.
Alles in allem war der EU-Gipfel ein einziges politisches Manöver, was einmal mehr belegt, dass der Euro weniger eine ökonomische als eine politische Währung ist. Politiker hatten ihn gewollt, also wurde er über die Köpfe der Bürger hinweg eingeführt. Immerhin waren die Briten, Dänen, Norweger und Schweden so schlau, sich das nicht gefallen zu lassen. Also besteht die EU aus 27 Mitgliedsländern, von denen nur 17 den Euro als Währung haben. Von diesen 17 sind einige so schwach, dass sie von den starken immer wieder aufs Neue durchgepäppelt werden müssen.
Das kann noch viele Jahre so weiter gehen - aber auch abrupt enden, sobald ein neues internationales Währungssystem unter Beteiligung aller wirtschaftlich bedeutenden Länder näher rückt. Beide Alternativen sind möglich, doch die erste ist realistischer, weil sie eher dem Denk- und Verhaltensmuster von Politikern entspricht. Wobei anzumerken ist, dass die Notenbanker nur Staffage sind, sobald es darum geht, politische Ziele durchzusetzen. Das war am eindrucksvollsten zu beobachten, als Altkanzler Helmut Kohl gegen den Willen des damaligen Bundesbank-Präsidenten Karl Otto Pöhl die D-Mark in den neuen Bundesländern durchsetzte.
Welche Konsequenzen ziehen wir aus all dem? Erstens, dass nur Träumer und Scharlatane die Möglichkeit in Betracht ziehen, die Staatsschulden könnten auf absehbare Zeit abgebaut werden. Zweitens, dass Politiker weltweit schon längst mit dem Gedanken spielen, die Staatsschulden weg zu inflationieren. Und drittens, dass Ereignisse wie der Tsunami und die Atomkatastrophe in Japan oder der Libyen-Krieg den Politikern die Rechtfertigung dafür geben, noch mehr Schulden zu machen.
Nicht von ungefähr hat denn auch der Goldpreis zuletzt einen neuen Rekord erreicht, jedenfalls in Dollar. Und nicht von ungefähr haussieren Silber, Kupfer und andere Metalle, Erdöl und Agrarrohstoffe. Ihre Preise sind ja nicht allein das Ergebnis von Angebot und Nachfrage, sondern auch von Inflationsfurcht. Wobei ein Phänomen in letzter Zeit besonders beachtenswert ist: Der steigende Ölpreis verteuert die Produktion überall dort, wo in der Industrie schweres Heizöl eingesetzt wird. Er verteuert wichtige Endprodukte, für die Öl als Rohstoff dient, wie Kunststofffolien oder Autoreifen. Und er verteuert Lebensmittel, dies sogar auf zweifache Weise: durch höhere Treibstoffpreise für den Betrieb landwirtschaftlicher Maschinen und dadurch, dass die Anbauflächen für Biospritpflanzen die für Pflanzen zur Herstellung von Nahrungsmitteln verdrängen, weil die Gewinnung von Biosprit sich mit dem steigenden Ölpreis immer mehr lohnt.
Da behaupte noch jemand, die Inflation sei beherrschbar, und man könne das daran erkennen, dass sie sich immer noch im niedrigen einstelligen Bereich bewege. Doch was ist dann mit der Absicht der Europäischen Zentralbank, in diesem Jahr den Leitzins anzuheben? Handelt es sich hier nicht um eine Demonstration der Stärke, die schon bald in die Tat umgesetzt wird, damit Inflationsmentalität erst gar nicht aufkommt? So ist es, die Tat wird folgen, und das wohl nicht nur einmal in diesem Jahr. Aber ihre Wirkung wird verpuffen, weil es noch andere Notenbanken gibt, die durchaus konträre Interessen verfolgen (wie die Fed in den USA), und weil jeder noch so kleine Hauch von Rezession den Leitzins im Euro-Raum später wieder sinken lassen dürfte.
Sieht man indes vom Leitzins ab, der eher symbolisch-psychologischen Charakter hat, sollten Sie unabhängig von seiner kommenden Entwicklung mit weiter steigenden Zinsen rechnen, und zwar in Gestalt der Umlauf- oder Zehnjahresrendite von Bundesanleihen. Diese Renditen steigen mit nur kleinen Unterbrechungen seit Juli 2010 quasi unter Ausschluss der Öffentlichkeit, das heißt, die wenigsten Anleger haben ihre Entwicklung verfolgt und registrieren erst jetzt, dass die Zinswende schon hinter uns liegt. Nun ergibt sich, wie immer in solchen Fällen, ein altbekannter Effekt: Potenzielle Kreditnehmer wollen die - im langjährigen Vergleich nach wie vor günstigen - Zinsen mitnehmen und treiben diese damit zusätzlich in die Höhe.
Würde es sich nur um private Kreditnehmer handeln, käme die Kreditnachfrage unter Rentabilitätsaspekten auf absehbare Zeit zum Stillstand. Doch dem ist nicht so. Denn die Staaten, für die jedwede Rentabilität zur Nebensache gerinnt, sind alles andere als zinssensibel. Die Folge: Sie verdrängen den privaten Sektor zunehmend von den Kapitalmärkten. Typisches Beispiel: Besonders die schlechten staatlichen Schuldner, im Euro-Raum unter Führung von Griechenland, bieten zweistellige Renditen.
Damit schließt sich der Kreis zum vergangenen EU-Gipfel, bei dem zur Abwechslung mal wieder das wirtschaftlich marode Euro-Land Portugal am Pranger stand. Also zu dem EU-Gipfel, bei dem Deutschland Kapital zugunsten eines Kunstgebildes namens ESM einzuschießen versprach und sich zu Bürgschaften verpflichtete, die mit größter Wahrscheinlichkeit eines Tages einzulösen sein werden. Daraus folgt, dass neben Anleihen maroder Länder - nicht nur Euro-Länder - auch deutsche Bundesanleihen und viele Rentenfonds auf die Verkaufsliste gehören. Weitere Überlegungen zu dieser Thematik finden Sie in meiner jüngsten Internet-Kolumne "Gbureks Geld-Geklimper" unter www.wiwo.de.
Und was gehört auf die Kaufliste? Ich setze voraus, dass Sie mit Gold, Silber, ggf. auch anderen Edelmetallen und Edelmetallaktien hinreichend eingedeckt sind. Wenn ich Ihnen empfehle, sie - zumindest in physischer Form - zunächst weiter zu halten, entspricht das eigentlich einer Kaufempfehlung, jedenfalls nach vorübergehenden Preisdellen. Darüber hinaus habe ich Sie schon auf deutsche Immobilienaktien und auf japanische Aktien hingewiesen. Ich komme auf beide Aktiengruppen noch zurück. Heute nur so viel: Immobilienaktien sind Konjunktur-Nachläufer, während japanische Aktien aus verschiedenen Branchen vom Wiederaufbau profitieren werden.
© Manfred Gburek
www.gburek.eu
Herr Gburek ist Fachjournalist und Buchautor. Seine letzten Werke waren: "Das Goldbuch" (2005), das Wörterbuch "Geld und Gold klipp und klar von A bis Z" (2007) und "Die 382 dümmsten Sprüche der Banker" (2008).
Alles in allem war der EU-Gipfel ein einziges politisches Manöver, was einmal mehr belegt, dass der Euro weniger eine ökonomische als eine politische Währung ist. Politiker hatten ihn gewollt, also wurde er über die Köpfe der Bürger hinweg eingeführt. Immerhin waren die Briten, Dänen, Norweger und Schweden so schlau, sich das nicht gefallen zu lassen. Also besteht die EU aus 27 Mitgliedsländern, von denen nur 17 den Euro als Währung haben. Von diesen 17 sind einige so schwach, dass sie von den starken immer wieder aufs Neue durchgepäppelt werden müssen.
Das kann noch viele Jahre so weiter gehen - aber auch abrupt enden, sobald ein neues internationales Währungssystem unter Beteiligung aller wirtschaftlich bedeutenden Länder näher rückt. Beide Alternativen sind möglich, doch die erste ist realistischer, weil sie eher dem Denk- und Verhaltensmuster von Politikern entspricht. Wobei anzumerken ist, dass die Notenbanker nur Staffage sind, sobald es darum geht, politische Ziele durchzusetzen. Das war am eindrucksvollsten zu beobachten, als Altkanzler Helmut Kohl gegen den Willen des damaligen Bundesbank-Präsidenten Karl Otto Pöhl die D-Mark in den neuen Bundesländern durchsetzte.
Welche Konsequenzen ziehen wir aus all dem? Erstens, dass nur Träumer und Scharlatane die Möglichkeit in Betracht ziehen, die Staatsschulden könnten auf absehbare Zeit abgebaut werden. Zweitens, dass Politiker weltweit schon längst mit dem Gedanken spielen, die Staatsschulden weg zu inflationieren. Und drittens, dass Ereignisse wie der Tsunami und die Atomkatastrophe in Japan oder der Libyen-Krieg den Politikern die Rechtfertigung dafür geben, noch mehr Schulden zu machen.
Nicht von ungefähr hat denn auch der Goldpreis zuletzt einen neuen Rekord erreicht, jedenfalls in Dollar. Und nicht von ungefähr haussieren Silber, Kupfer und andere Metalle, Erdöl und Agrarrohstoffe. Ihre Preise sind ja nicht allein das Ergebnis von Angebot und Nachfrage, sondern auch von Inflationsfurcht. Wobei ein Phänomen in letzter Zeit besonders beachtenswert ist: Der steigende Ölpreis verteuert die Produktion überall dort, wo in der Industrie schweres Heizöl eingesetzt wird. Er verteuert wichtige Endprodukte, für die Öl als Rohstoff dient, wie Kunststofffolien oder Autoreifen. Und er verteuert Lebensmittel, dies sogar auf zweifache Weise: durch höhere Treibstoffpreise für den Betrieb landwirtschaftlicher Maschinen und dadurch, dass die Anbauflächen für Biospritpflanzen die für Pflanzen zur Herstellung von Nahrungsmitteln verdrängen, weil die Gewinnung von Biosprit sich mit dem steigenden Ölpreis immer mehr lohnt.
Da behaupte noch jemand, die Inflation sei beherrschbar, und man könne das daran erkennen, dass sie sich immer noch im niedrigen einstelligen Bereich bewege. Doch was ist dann mit der Absicht der Europäischen Zentralbank, in diesem Jahr den Leitzins anzuheben? Handelt es sich hier nicht um eine Demonstration der Stärke, die schon bald in die Tat umgesetzt wird, damit Inflationsmentalität erst gar nicht aufkommt? So ist es, die Tat wird folgen, und das wohl nicht nur einmal in diesem Jahr. Aber ihre Wirkung wird verpuffen, weil es noch andere Notenbanken gibt, die durchaus konträre Interessen verfolgen (wie die Fed in den USA), und weil jeder noch so kleine Hauch von Rezession den Leitzins im Euro-Raum später wieder sinken lassen dürfte.
Sieht man indes vom Leitzins ab, der eher symbolisch-psychologischen Charakter hat, sollten Sie unabhängig von seiner kommenden Entwicklung mit weiter steigenden Zinsen rechnen, und zwar in Gestalt der Umlauf- oder Zehnjahresrendite von Bundesanleihen. Diese Renditen steigen mit nur kleinen Unterbrechungen seit Juli 2010 quasi unter Ausschluss der Öffentlichkeit, das heißt, die wenigsten Anleger haben ihre Entwicklung verfolgt und registrieren erst jetzt, dass die Zinswende schon hinter uns liegt. Nun ergibt sich, wie immer in solchen Fällen, ein altbekannter Effekt: Potenzielle Kreditnehmer wollen die - im langjährigen Vergleich nach wie vor günstigen - Zinsen mitnehmen und treiben diese damit zusätzlich in die Höhe.
Würde es sich nur um private Kreditnehmer handeln, käme die Kreditnachfrage unter Rentabilitätsaspekten auf absehbare Zeit zum Stillstand. Doch dem ist nicht so. Denn die Staaten, für die jedwede Rentabilität zur Nebensache gerinnt, sind alles andere als zinssensibel. Die Folge: Sie verdrängen den privaten Sektor zunehmend von den Kapitalmärkten. Typisches Beispiel: Besonders die schlechten staatlichen Schuldner, im Euro-Raum unter Führung von Griechenland, bieten zweistellige Renditen.
Damit schließt sich der Kreis zum vergangenen EU-Gipfel, bei dem zur Abwechslung mal wieder das wirtschaftlich marode Euro-Land Portugal am Pranger stand. Also zu dem EU-Gipfel, bei dem Deutschland Kapital zugunsten eines Kunstgebildes namens ESM einzuschießen versprach und sich zu Bürgschaften verpflichtete, die mit größter Wahrscheinlichkeit eines Tages einzulösen sein werden. Daraus folgt, dass neben Anleihen maroder Länder - nicht nur Euro-Länder - auch deutsche Bundesanleihen und viele Rentenfonds auf die Verkaufsliste gehören. Weitere Überlegungen zu dieser Thematik finden Sie in meiner jüngsten Internet-Kolumne "Gbureks Geld-Geklimper" unter www.wiwo.de.
Und was gehört auf die Kaufliste? Ich setze voraus, dass Sie mit Gold, Silber, ggf. auch anderen Edelmetallen und Edelmetallaktien hinreichend eingedeckt sind. Wenn ich Ihnen empfehle, sie - zumindest in physischer Form - zunächst weiter zu halten, entspricht das eigentlich einer Kaufempfehlung, jedenfalls nach vorübergehenden Preisdellen. Darüber hinaus habe ich Sie schon auf deutsche Immobilienaktien und auf japanische Aktien hingewiesen. Ich komme auf beide Aktiengruppen noch zurück. Heute nur so viel: Immobilienaktien sind Konjunktur-Nachläufer, während japanische Aktien aus verschiedenen Branchen vom Wiederaufbau profitieren werden.
© Manfred Gburek
www.gburek.eu
Herr Gburek ist Fachjournalist und Buchautor. Seine letzten Werke waren: "Das Goldbuch" (2005), das Wörterbuch "Geld und Gold klipp und klar von A bis Z" (2007) und "Die 382 dümmsten Sprüche der Banker" (2008).