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Staaten und andere Gelddiebe

03.04.2011  |  Manfred Gburek
Immer wenn der Goldpreis im frühen New Yorker Handel vorübergehend einbricht, sind die Kommentatoren schnell mit haarsträubenden Begründungen zur Stelle. So auch am Freitag, als sie den kurzfristigen Preiseinbruch mit der niedrigen Arbeitslosenquote in den USA begründeten. Als der Goldpreis sich dann wieder schnell erholte, hätten sie konsequenterweise argumentieren müssen, dass eigentlich eine viel niedrigere Arbeitslosenquote erwartet worden war und der Goldpreis deshalb wieder stieg.

Natürlich sind solche und ähnliche Begründungen totaler Unsinn, weil eine unmittelbare Beziehung und damit Kausalität in diesem Fall an den Haaren herbeigezogen wird. Aber sie gibt mir Anlass für einige grundsätzliche Überlegungen nicht nur zum Gold, sondern auch zu sonstigen Anlagen. Dazu veranlasst hat mich unter anderem der steile Anstieg der deutschen Umlaufrendite: von 2,82 auf zuletzt 3,15 Prozent, und das innerhalb von nur knapp zwei Wochen.

Die Anleiherenditen steigen in den USA ebenfalls. Und wenn wir den Rückgang der Arbeitslosigkeit dort als positives Zeichen für die Konjunktur interpretieren, dann steigen sie zu Recht. Wer es sich nun einfach macht, zieht daraus den Schluss, dass 1. steigende Renditen Gift für Aktienkurse sind und dass 2. das unverzinsliche Gold unter den immer höher steigenden Anleiherenditen leiden könnte.

So weit die Theorie. Die Praxis zeigt indes, dass die Aktienkurse und der Goldpreis robust reagieren, also im Trend per Saldo eher ein wenig steigen statt zu fallen. Das wiederum lässt sich so erklären: Die erwarteten Gewinne der Aktiengesellschaften kompensieren deren höhere Fremdkapitalkosten, sprich Zinsen, sodass der Anstieg der Anleiherenditen nur als erstes Warnsignal, jedoch nicht als Grund wahrgenommen wird, sich von Aktien zu trennen - jedenfalls bis auf Weiteres. Und ob steigende Anleiherenditen dem Goldpreis wirklich etwas anhaben können, ist äußerst zweifelhaft, weil sie ja bedeuten, dass die Kurse der Anleihen fallen.

An dieser Stelle möchte ich auf ein Phänomen hinweisen, das man als Paradigmenwechsel bezeichnet, also als Wechsel von einer Grundauffassung zur anderen. Ich meine hier konkret den Gedankensprung, den Anleger zurzeit an allen Börsen vollziehen, indem sie Staatsanleihen zunehmend nicht mehr als sogenannten sicheren Hafen ansehen, sondern als havarierten Schrott. Das heißt, die steigenden Renditen werden weniger als willkommener Anlass wahrgenommen, mit Anleihen nach vielen Jahren endlich wieder mehr Ertrag zu erwirtschaften, sondern als Warnung vor immer schlechterer Anlagequalität. Irland, Portugal, Griechenland, Japan sowieso, sie und viele weitere lassen grüßen - die USA inbegriffen, und Deutschland kann sich dem Sog der anderen nicht mehr entziehen.

Anleger, die nicht aufpassen, können da ganz schlimm im die Bredouille geraten. Nehmen wir beispielsweise den einfachen Fall, dass jemand eine - in Deutschland aus unerfindlichen Gründen immer noch weit verbreitete - Kapitallebensversicherung abgeschlossen hat und deshalb mehr als zwei Jahrzehnte lang zu über drei Vierteln auf das Wohl und Wehe von Anleihen angewiesen ist, die in den Portfolios der Versicherer dominant vertreten sind. Denen scheinen steigende Renditen willkommen zu sein, können sie doch nun wieder mehr Ertrag erwirtschaften als in den langen Niedrigzinsjahren. Doch was machen sie mit den Kursverlusten der Anleihen, die sich im Zuge steigender Renditen automatisch ergeben? Nichts, sie sitzen sie einfach aus, bis die Anleihen auslaufen. Das war in der Vergangenheit so, und das wird auch in der Zukunft so sein – allerdings mit dem Unterschied, dass die zukünftigen Nominalwerte in mehr als zwei Jahrzehnten wegen der zu erwartenden Inflation gerade mal für die Butter aufs Brot reichen werden.

Aufpassen, das bedeutet: Fehler wie die langfristige Bindung an kollektive Geldanlagen mit ungewissem Ausgang vermeiden, neben Kapitallebensversicherungen auch die meisten geschlossenen Fonds und Immobilien in problematischen Lagen, etwa an Ausfallstraßen auf dem platten Land. Außerdem bedeutet Aufpassen: Einen großen Bogen um alles machen, was kompliziert ist. Dazu gehören neben vielen Zertifikaten leider auch gängige offene Fonds. Und aufpassen sollten Sie schließlich auf Anlageberater, Finanzplaner und ähnliche Berufsgruppen, denn in Deutschland hat sich - ebenso wie in den meisten anderen Ländern - von ein paar Ausnahmen abgesehen noch keine Beratungskultur für Geldanlagen bis zu 1 Million Euro entwickelt, vielfach sogar darüber hinaus.

Mehr als nur aufpassen, nämlich strategisch gegenhalten, müssen Sie bei allem, was mit Steuern zu tun hat. Der Griff des Staates nach Ihrem Geld wird nämlich immer unverschämter, ganz gleich, welcher Couleur die gerade regierenden Politiker sind. Dazu ein einfaches Beispiel: Sie haben Gehalt bezogen oder selbständige Einkünfte erzielt und davon einen Teil versteuert. Nun legen Sie das bereits versteuerte Geld an, und prompt kassiert der Staat schon wieder von Ihnen ab, indem er über die Abgeltungsteuer ein Viertel plus Soli von Ihren Kapitalerträgen oder Kursgewinnen direkt an der Quelle durch Banken und Sparkassen abziehen lässt.

Das Schlimme an der Abgeltungsteuer ist, dass sie alle Kursgewinne aus Wertpapieren erfasst, die seit Anfang 2009 gekauft wurden. Damit bestraft der Staat eine Geldanlage, die sich - langfristig betrachtet - bestens zur Altersvorsorge geeignet hätte. Stattdessen subventioniert er über die Riester- und die Rürup-Rente regelrechte Altersvorsorge-Blindflüge mit Finanzleuten im Cockpit, die es gut verstehen, an den Subventionen mitzuverdienen. Besonders einige Banker reiben sich die Hände, weil jetzt immer weniger Anleger auf die Idee kommen, ihr Geld langfristig in Aktien anzulegen und damit als Provisionsbringer zu entfallen. Dafür blüht umso mehr das Geschäft mit dem Glücksspiel, genannt Trading. Denn wer nicht mehr auf die früher übliche Spekulationsfrist von einem Jahr zu achten braucht, kauft und verkauft Aktien und Fonds, Zertifikate und sonstige Derivate im Zweifel von einer Minute zur nächsten, und das bringt den Bankern in der Summe hohe Provisionen.

Es grenzt schon an ein Wunder, dass für Gewinne aus Gold, Silber und den anderen Edelmetallen in physischer Form (Münzen und Barren) keine Abgeltungsteuer gilt, dagegen die unter dem Strich günstigere einjährige Spekulationsfrist. Da hat wohl jemand im Bundesfinanzministerium geschlafen. Ein Wachrüttler ist nicht mehr auszuschließen, zumal wenn die Edelmetallpreise - was mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist - weiter steigen. Der einzige Trost, der uns bleibt, besteht darin, dass eine rückwirkende Einführung der Abgeltungsteuer auf Gewinne aus Edelmetallen wohl kaum infrage kommt.


© Manfred Gburek
www.gburek.eu

Herr Gburek ist Fachjournalist und Buchautor. Seine letzten Werke waren: "Das Goldbuch" (2005), das Wörterbuch "Geld und Gold klipp und klar von A bis Z" (2007) und "Die 382 dümmsten Sprüche der Banker" (2008).



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