Trügerische Ruhe an der Finanzfront
23.12.2012 | Manfred Gburek
Vor einem Jahr bekam ich von einer esoterisch angehauchten Bekannten das Buch "Checkliste 2012" des Biophysikers Dieter Broers geschenkt. Es sollte wohl nur ein Gag sein. Doch immerhin handelte es sich bereits um die 9. Auflage. Da das Buch also offensichtlich viele Abnehmer gefunden hatte, holte ich es jetzt neugierig wieder aus dem Bücherregal. Das Ergebnis meiner neuerlichen Lektüre ist allerdings enttäuschend, denn die Qualität des 189 Seiten umfassenden Werks lässt sich am besten mit seinen beiden ersten und letzten Sätzen wiedergeben:
"Das Jahr 2012 wird ein Schicksalsjahr für unseren Planeten werden. Alles spricht dafür, dass sich in diesem Jahr Dinge ereignen werden, die für uns noch unvorstellbar sind. ….... Aus dem erwachten Bewusstsein werden Sie eine Welt der Freude erschaffen, allein deshalb, weil Sie wissen, wer Sie wirklich sind. Ein aktiver Teil einer Ganzheit, ein Schöpfer mit unbegrenztem Potenzial."
Die Frage sei erlaubt: Glaubt der Autor wirklich an das, was er schreibt, oder spinnt er nur provokativ, um die vielen Menschen innewohnende Neugier auf kommende Ereignisse am Ende mit salbungsvollen Worten zu befriedigen? Egal, allein schon die Tatsache, dass er es vor Jahresfrist bis zur 9. Auflage geschafft hat, spricht dafür, dass die Katastrophenindustrie gutes Geld mit schlechten Scherzen verdienen kann. Ebenso wie aktuell mit dem angeblichen Maya-Kalender: Der ganze Zirkus rund um den 21. Dezember, der so etwas wie das Ende der Welt bedeuten soll, spült jedenfalls viel Geld in die Kassen cleverer Geschäftemacher.
Er erinnert mich fatal an die Hysterie vor dem 1. Januar 2000, als es hieß, Computer würden gleich reihenweise ausfallen und eine Katastrophe verursachen. Aber nichts dergleichen geschah. Stattdessen jubelten Börsianer, Aktienkurse erreichten weltweit von Tag zu Tag neue schwindelerregende Höchstkurse, bevor sie drei Monate später zu fallen begannen und sich erst nach drei Jahren erholten. So funktionieren Märkte.
Und wie funktionieren sie jetzt? Da ich vermute, dass Sie vor allem an der Entwicklung der Edelmetallmärkte interessiert sind, folgen hier erst einige Überlegungen zu ihnen. Vorab: Mit den apokalyptischen Visionen der Maya-Kalender-Gläubigen haben sie nichts zu tun. Vielmehr mit Marktgegebenheiten, wie ich sie hier schon vor einer Woche beschrieben habe: Mittel- bis langfristig orientierte Optimisten kaufen, kurzfristig agierende Pessimisten verkaufen; und besonders an niedrigen Goldpreisen interessierte Kreise versuchen die Märkte mit der Verbreitung von Gerüchten zu manipulieren.
Das fällt ihnen umso leichter, je mehr mithilfe von Computerprogrammen arbeitende charttechnisch orientierte Trader ihnen in die Hände spielen. Der Handel geht wie folgt vonstatten: Wer "long“ ist, also auf steigende Preise setzt, und einen „Stop loss“-Auftrag gegeben hat, verkauft beim Erreichen des "Stop loss“-Preises automatisch. Dadurch treten weitere auf fallende Preise programmierte Computerprogramme in Aktion, sodass zusätzlicher Preisdruck entsteht. Nach dem Erreichen eines bestimmten Preisniveaus kommen schließlich Käufer zum Zuge, die nur darauf gewartet haben, um günstig zu kaufen: Fonds, Chinesen, Inder und Spekulanten aller Art.
Wir haben so etwas während der vergangenen Jahre bereits mehrfach erlebt, zuletzt besonders markant in diesem Jahr von März bis Mai: Ausgangspunkt war damals ein Goldpreis von nahezu 1800 Dollar. Er bewegte sich dann in mehreren Schüben bis unter 1550 Dollar, um anschließend bis Oktober wieder auf das Ausgangsniveau von fast 1800 Dollar zu steigen. Zwar ist nicht sicher, ob der Goldpreis nun wieder die damaligen Tiefen ausloten wird, aber eines erscheint sicher: Er sinkt nach demselben Schema, und er dürfte danach ebenso wieder steigen.
Vorige Woche riet ich Ihnen zu sukzessiven Gold- und Silberkäufen. Als Euro-Anleger haben Sie dabei den Vorteil, dass unsere Währung zurzeit im Vergleich zum Dollar recht hoch steht. Über die Ursachen kann man streiten: Während die einen die zwischenzeitliche relative Ruhe um Griechenland, Portugal, Spanien und weitere Länder des Euroraums anführen, behaupten die anderen, dass die USA über ihre sogenannte fiskalische Klippe (automatische Steuererhöhungen) stolpern und so den Dollar talwärts schicken könnten. Warten wir es ab, die Amis werden sich schon etwas einfallen lassen. Jedenfalls ist eines sicher: Im Gegensatz zum Gold - und auch zum Silber - basieren beide Währungen auf gigantischen Schuldenbergen, die nie abgebaut, sondern immer weiter wachsen werden.
Die Zahl der Euro-Optimisten hat in letzter Zeit auffallend zugenommen. Zu Recht? Man kann sich der Antwort auf verschiedene Weise nähern. Ich orientiere mich im Folgenden an einer vielsagenden Rede von Jörg Asmussen, Direktoriumsmitglied der Europäischen Zentralbank, vor dem Internationalen Club Frankfurter Wirtschaftsjournalisten am 18. Dezember. Er sprach über die erforderlichen Schritte zu einer echten Wirtschafts- und Währungsunion, also weniger über Fakten als über ein Programm, das noch zu bewältigen sei. Hier einige brisante Aussagen:
"Eine Finanzmarktunion muss einen einheitlichen Aufsichtsmechanismus und einen einheitlichen Abwicklungsmechanismus umfassen. Nur so kann sichergestellt werden, dass die Steuerzahler letztlich nicht für die Fehler des privaten Sektors einstehen müssen. Ein einheitlicher Abwicklungsmechanismus kann Risiken für Steuerzahler allerdings nicht komplett beseitigen. Nur wenn sie (die Banken) über ein profitables Geschäftsmodell verfügen, ist es sinnvoll, ihnen zusätzliches Kapital zur Verfügung zu stellen. Ist dies nicht der Fall, müssen sie abgewickelt werden. Das Teilen von Souveränität wird eine Reihe weiterer Änderungen in der Governance des Euroraums mit sich bringen. Die Tatsache, dass sich die Finanzmärkte etwas beruhigt haben, sollte nicht davon ablenken, dass die grundlegenden Herausforderungen des Euroraums dringend angegangen werden müssen. Wir werden alles tun, um den Währungsraum zusammenzuhalten."
Das liest sich allein schon in diesen wenigen Auszügen wie ein Wunschzettel, der gleichzeitig an das Christkind und an den Weihnachtsmann gerichtet ist. Besonders aufgefallen ist mir die Passage mit dem profitablen Geschäftsmodell der Banken: Hat etwa die unter staatlicher Kontrolle stehende Commerzbank, deren lächerlicher und gleichzeitig zum Weinen reizender aktueller Werbespot ein einziges Eingeständnis vergangener Misserfolge ist, ein profitables Geschäftsmodell? Oder die Deutsche Bank, deren diverse Zockereien sogar die Staatsanwälte beschäftigen? Wohl eher nicht, und Besserung ist kaum zu erwarten.
Die Last der Verantwortung liegt weiter auf der Europäischen Zentralbank mit ihrem obersten Boss Mario Draghi, dem ehemaligen Goldman Sachs-Banker, der im Prinzip eine ähnlich expansive Geldpolitik betreibt wie sein Pendant Ben Bernanke bei der US-Notenbank Fed. Das sorgt zwar erst einmal für Ruhe an der Finanzfront, schwächt aber den Euro und den Dollar - im Vergleich zu Gold und Silber, darüber hinaus aber auch im Vergleich zu allem, was sich einigermaßen als Sachwert einstufen lässt. Das Ergebnis dieser Entwicklung bezeichnet man dann üblicherweise als Inflation. Insofern nehmen Sie sich ein Beispiel an der vorweihnachtlichen Ausgabe der Wirtschaftswoche, deren Titel heißt: "Fest-Gold/So können Sie sich den Euro schenken“ - ein doppeldeutig-subtiles Plädoyer für das Edelmetall. In diesem Sinn wünsche ich Ihnen ein frohes Fest!
© Manfred Gburek
www.gburek.eu
Herr Gburek ist Fachjournalist und Buchautor. Seine letzten Werke waren: "Das Goldbuch" (2005), das Wörterbuch "Geld und Gold klipp und klar von A bis Z" (2007) und "Die 382 dümmsten Sprüche der Banker" (2008).
"Das Jahr 2012 wird ein Schicksalsjahr für unseren Planeten werden. Alles spricht dafür, dass sich in diesem Jahr Dinge ereignen werden, die für uns noch unvorstellbar sind. ….... Aus dem erwachten Bewusstsein werden Sie eine Welt der Freude erschaffen, allein deshalb, weil Sie wissen, wer Sie wirklich sind. Ein aktiver Teil einer Ganzheit, ein Schöpfer mit unbegrenztem Potenzial."
Die Frage sei erlaubt: Glaubt der Autor wirklich an das, was er schreibt, oder spinnt er nur provokativ, um die vielen Menschen innewohnende Neugier auf kommende Ereignisse am Ende mit salbungsvollen Worten zu befriedigen? Egal, allein schon die Tatsache, dass er es vor Jahresfrist bis zur 9. Auflage geschafft hat, spricht dafür, dass die Katastrophenindustrie gutes Geld mit schlechten Scherzen verdienen kann. Ebenso wie aktuell mit dem angeblichen Maya-Kalender: Der ganze Zirkus rund um den 21. Dezember, der so etwas wie das Ende der Welt bedeuten soll, spült jedenfalls viel Geld in die Kassen cleverer Geschäftemacher.
Er erinnert mich fatal an die Hysterie vor dem 1. Januar 2000, als es hieß, Computer würden gleich reihenweise ausfallen und eine Katastrophe verursachen. Aber nichts dergleichen geschah. Stattdessen jubelten Börsianer, Aktienkurse erreichten weltweit von Tag zu Tag neue schwindelerregende Höchstkurse, bevor sie drei Monate später zu fallen begannen und sich erst nach drei Jahren erholten. So funktionieren Märkte.
Und wie funktionieren sie jetzt? Da ich vermute, dass Sie vor allem an der Entwicklung der Edelmetallmärkte interessiert sind, folgen hier erst einige Überlegungen zu ihnen. Vorab: Mit den apokalyptischen Visionen der Maya-Kalender-Gläubigen haben sie nichts zu tun. Vielmehr mit Marktgegebenheiten, wie ich sie hier schon vor einer Woche beschrieben habe: Mittel- bis langfristig orientierte Optimisten kaufen, kurzfristig agierende Pessimisten verkaufen; und besonders an niedrigen Goldpreisen interessierte Kreise versuchen die Märkte mit der Verbreitung von Gerüchten zu manipulieren.
Das fällt ihnen umso leichter, je mehr mithilfe von Computerprogrammen arbeitende charttechnisch orientierte Trader ihnen in die Hände spielen. Der Handel geht wie folgt vonstatten: Wer "long“ ist, also auf steigende Preise setzt, und einen „Stop loss“-Auftrag gegeben hat, verkauft beim Erreichen des "Stop loss“-Preises automatisch. Dadurch treten weitere auf fallende Preise programmierte Computerprogramme in Aktion, sodass zusätzlicher Preisdruck entsteht. Nach dem Erreichen eines bestimmten Preisniveaus kommen schließlich Käufer zum Zuge, die nur darauf gewartet haben, um günstig zu kaufen: Fonds, Chinesen, Inder und Spekulanten aller Art.
Wir haben so etwas während der vergangenen Jahre bereits mehrfach erlebt, zuletzt besonders markant in diesem Jahr von März bis Mai: Ausgangspunkt war damals ein Goldpreis von nahezu 1800 Dollar. Er bewegte sich dann in mehreren Schüben bis unter 1550 Dollar, um anschließend bis Oktober wieder auf das Ausgangsniveau von fast 1800 Dollar zu steigen. Zwar ist nicht sicher, ob der Goldpreis nun wieder die damaligen Tiefen ausloten wird, aber eines erscheint sicher: Er sinkt nach demselben Schema, und er dürfte danach ebenso wieder steigen.
Vorige Woche riet ich Ihnen zu sukzessiven Gold- und Silberkäufen. Als Euro-Anleger haben Sie dabei den Vorteil, dass unsere Währung zurzeit im Vergleich zum Dollar recht hoch steht. Über die Ursachen kann man streiten: Während die einen die zwischenzeitliche relative Ruhe um Griechenland, Portugal, Spanien und weitere Länder des Euroraums anführen, behaupten die anderen, dass die USA über ihre sogenannte fiskalische Klippe (automatische Steuererhöhungen) stolpern und so den Dollar talwärts schicken könnten. Warten wir es ab, die Amis werden sich schon etwas einfallen lassen. Jedenfalls ist eines sicher: Im Gegensatz zum Gold - und auch zum Silber - basieren beide Währungen auf gigantischen Schuldenbergen, die nie abgebaut, sondern immer weiter wachsen werden.
Die Zahl der Euro-Optimisten hat in letzter Zeit auffallend zugenommen. Zu Recht? Man kann sich der Antwort auf verschiedene Weise nähern. Ich orientiere mich im Folgenden an einer vielsagenden Rede von Jörg Asmussen, Direktoriumsmitglied der Europäischen Zentralbank, vor dem Internationalen Club Frankfurter Wirtschaftsjournalisten am 18. Dezember. Er sprach über die erforderlichen Schritte zu einer echten Wirtschafts- und Währungsunion, also weniger über Fakten als über ein Programm, das noch zu bewältigen sei. Hier einige brisante Aussagen:
"Eine Finanzmarktunion muss einen einheitlichen Aufsichtsmechanismus und einen einheitlichen Abwicklungsmechanismus umfassen. Nur so kann sichergestellt werden, dass die Steuerzahler letztlich nicht für die Fehler des privaten Sektors einstehen müssen. Ein einheitlicher Abwicklungsmechanismus kann Risiken für Steuerzahler allerdings nicht komplett beseitigen. Nur wenn sie (die Banken) über ein profitables Geschäftsmodell verfügen, ist es sinnvoll, ihnen zusätzliches Kapital zur Verfügung zu stellen. Ist dies nicht der Fall, müssen sie abgewickelt werden. Das Teilen von Souveränität wird eine Reihe weiterer Änderungen in der Governance des Euroraums mit sich bringen. Die Tatsache, dass sich die Finanzmärkte etwas beruhigt haben, sollte nicht davon ablenken, dass die grundlegenden Herausforderungen des Euroraums dringend angegangen werden müssen. Wir werden alles tun, um den Währungsraum zusammenzuhalten."
Das liest sich allein schon in diesen wenigen Auszügen wie ein Wunschzettel, der gleichzeitig an das Christkind und an den Weihnachtsmann gerichtet ist. Besonders aufgefallen ist mir die Passage mit dem profitablen Geschäftsmodell der Banken: Hat etwa die unter staatlicher Kontrolle stehende Commerzbank, deren lächerlicher und gleichzeitig zum Weinen reizender aktueller Werbespot ein einziges Eingeständnis vergangener Misserfolge ist, ein profitables Geschäftsmodell? Oder die Deutsche Bank, deren diverse Zockereien sogar die Staatsanwälte beschäftigen? Wohl eher nicht, und Besserung ist kaum zu erwarten.
Die Last der Verantwortung liegt weiter auf der Europäischen Zentralbank mit ihrem obersten Boss Mario Draghi, dem ehemaligen Goldman Sachs-Banker, der im Prinzip eine ähnlich expansive Geldpolitik betreibt wie sein Pendant Ben Bernanke bei der US-Notenbank Fed. Das sorgt zwar erst einmal für Ruhe an der Finanzfront, schwächt aber den Euro und den Dollar - im Vergleich zu Gold und Silber, darüber hinaus aber auch im Vergleich zu allem, was sich einigermaßen als Sachwert einstufen lässt. Das Ergebnis dieser Entwicklung bezeichnet man dann üblicherweise als Inflation. Insofern nehmen Sie sich ein Beispiel an der vorweihnachtlichen Ausgabe der Wirtschaftswoche, deren Titel heißt: "Fest-Gold/So können Sie sich den Euro schenken“ - ein doppeldeutig-subtiles Plädoyer für das Edelmetall. In diesem Sinn wünsche ich Ihnen ein frohes Fest!
© Manfred Gburek
www.gburek.eu
Herr Gburek ist Fachjournalist und Buchautor. Seine letzten Werke waren: "Das Goldbuch" (2005), das Wörterbuch "Geld und Gold klipp und klar von A bis Z" (2007) und "Die 382 dümmsten Sprüche der Banker" (2008).