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Über "Krise" und "Krisenbereinigung"

19.01.2013  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
In der Öffentlichkeit herrscht die Sichtweise vor, dass eine Wirtschaftsrezession mit all ihren Begleiterscheinungen (wie zum Beispiel Unternehmenskonkurs, Produktionsrückgang und Arbeitslosigkeit) eine "Krise" darstellt, die "bekämpft" werden muss.

So wird es allgemein gutgeheißen, wenn bei einer Rezession zum Beispiel die Zentralbank die Zinsen senkt, um die Wirtschaft "anzukurbeln" und der Staat konjunkturstützende Ausgabenprogramme auflegt.

Der "Aufschwung" wird in der Regel als "Normalfall" angesehen, der "Abschwung" hingegen als unerwünschte Heimsuchung. Dabei wird üblicherweise jedoch nicht weiter hinterfragt, was den Aufschwung geschweige denn Abschwung ausgelöst hat. Stellt man aber diese Fragen, so werden die Antworten vermutlich viele überraschen.

Der aktuelle Abschwung ("Bust"), der in der Öffentlichkeit als "Krise" bezeichnet wird, ist eine Folge eines vorangegangenen künstlichen Aufschwungs. Dieser Aufschwung ("Boom") wurde mit immer mehr Geld und Kredit angetrieben, bereitgestellt von den Zentralbanken zu immer tieferen Zinsen.

Der Boom ist ein "Schein"-Aufschwung. Er sorgt zwar augenscheinlich für steigende Einkommen, wachsende Unternehmensgewinne und zunehmende Beschäftigung. Doch der Boom bringt gleichzeitig auch weitreichende Fehlentwicklungen mit sich.

Um was für Fehlentwicklungen handelt es sich? Es handelt sich zum Beispiel um Unternehmensinvestitionen, die nicht durchgeführt worden wären, wenn die Zinsen nicht künstlich gesenkt worden wären. Die knappen Ressourcen (wie zum Beispiel Arbeitskraft und andere Produktionsmittel) wären dann für andere Projekte verwendet worden.

Kehrt der künstlich gedrückte Marktzins auf sein "natürliches Niveau" zurück, dann merken Unternehmer, dass sie fehlinvestiert haben: Ihre Kalkulation geht nicht auf, sie erkennen, dass sie an den Marktbedürfnissen vorbei investiert haben, dass die Kunden nicht bereit sind, die Produkte zu den erhofften Absatzpreisen zu kaufen.

Die Folge ist, dass Investitionen liquidiert werden müssen. Die Unternehmen erleiden Verluste. Letztere zeigen, dass die gesamtwirtschaftliche Güterversorgung nicht der Bedarfsdeckung entspricht, die hätte erreicht werden können, wenn es nicht zu Fehlinvestitionen gekommen wäre.

Mit anderen Worten: Ein künstlicher Boom - angetrieben durch künstliches Ausweiten der Geld- und Kreditmengen bei gedrückten Zinsen - macht eine Volkswirtschaft nicht reicher, sondern im Gegenteil, er macht sie ärmer!

Während im Zuge eines künstlichen Booms die Fehlentwicklungen auflaufen, werden sie in der Phase des Abschwungs bereinigt. Der Abschwung sorgt also dafür, dass sich die Produktion wieder an die tatsächliche Nachfrage anpasst.

Nun wird auch deutlich, welche Folgen eine "Krisenbekämpfungspolitik" hat: Sie verhindert, dass sich die aufgelaufenen Fehlentwicklungen korrigieren können - etwa dadurch, dass Firmen Pleite gehen, die Verkaufspreise der Produktionsanlagen sinken, und es so anderen Unternehmern möglich wird, Produktionsmittel zu attraktiven Preisen aufzukaufen und in neue Investitionsvorhaben zu lenken.

Zudem befördert eine Politik der Krisenbekämpfung weitere Fehlentwicklungen. Zum Beispiel lässt ein künst-lich gesenkter Zins unrentable Investitionen plötzlich wieder rentabel werden - und ermutigt dadurch noch weitere Investitionen dieser Art.

Ein weiteres Beispiel sind auf Pump finanzierte Staatsausgaben zur Konjunkturstützung. Mit ihnen lässt sich eine Güternachfrage aufrechterhalten (etwa durch Transferzahlungen), die andernfalls gar nicht vorhanden wäre.

Die in der Öffentlichkeit vielfach gepriesenen "Rettungspolitiken" für in finanzielle Not geratene Staaten und Banken, aber auch die Stützungsmaßnahmen für die Konjunktur laufen folglich darauf hinaus, die Marktkräfte daran zu hindern, die ökonomisch notwendige Korrektur aufgelaufener Fehlentwicklungen zu bewerkstelligen.

Je "erfolgreicher" eine Krisenbekämpfungspolitik ausfällt, desto länger kann ein künstlicher Boom in Gang gehalten werden - und je länger der künstliche Boom in Gang gehalten wird, desto größer werden auch die durch ihn bewirkten Fehlentwicklungen ausfallen. Dadurch wächst das Ausmaß der künftigen "Bereinigungskrise" - in Form von künftigen Produktions- und Beschäftigungsausfällen.

Nicht selten wird das Argument vorgebracht, die Rettungspolitiken zielten darauf ab, "Zeit zu kaufen", um notwendige Wirtschaftsreformen bes-ser auf den Weg bringen zu können. Das klingt wohlmeinend, widerspricht aber nicht nur der ökonomischen Logik, sondern ist auch politökonomisch nicht überzeugend.

Wenn zum Beispiel staatliche Eingriffe verhindern, dass sich die Preise der Produktionsmittel gemäß den tatsächlichen Marktbedingungen bilden, bleiben auch Anpassungen im Wirtschaftsleben aus. Schließlich sind es ja die Güterpreise, die das Handeln der Marktakteure bestimmen!

Zudem eröffnen Staatseingriffe Fehler- und Mißbrauchsspielräume, etwa in der Form, dass Zinssenkungen von den Regierungen nicht genutzt werden, um die Haushalte zu sanieren, sondern im Gegenteil dazu genutzt werden, um sich noch billiger zu verschulden.

Zusammengefasst lässt sich also sagen: "Rettungspolitiken" sind ökonomisch gesehen gar keine Rettungspolitiken, sondern Politiken, die einer Korrektur der Fehlentwicklungen entgegenwirken. Und die ungeliebte Krise ist im Grunde eine "Bereinigungskrise", die zwar schmerzhaft, aber ökonomisch unumgänglich ist.


© Prof. Dr. Thorsten Polleit
Auszug aus dem Marktreport der Degussa Goldhandel GmbH



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