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Das Währungschaos kommt, der Goldpreis zuckt, und das ist gut so

20.01.2013  |  Manfred Gburek
In den vergangenen Tagen musste ich über zwei Aussagen schmunzeln: Dass Kanzlerkandidat Peer Steinbrück angeblich Banken zwingen will, ihre Zinsen für Dispokredite drastisch zu senken, und dass Handelsblatt Online-Chefredakteur Oliver Stock sich am 15. Januar zu diesem Vorschlag hinreißen ließ: "Verkauft unser Gold!“ Steinbrücks Wahlkampfparolen haben inzwischen wenigstens einen hohen Unterhaltungswert, der mit seinen sinkenden Popularitätswerten steigt, was sich etwa so verhält wie der seit 2001 steigende Goldpreis in Relation zur schwindenden Kaufkraft von Euro und Dollar. Aber Stocks Verkaufsempfehlung? Immerhin reizt mich ein Vergleich: Am 5. März 2002 riet der ehemalige SPD-Sozialpolitiker Herbert Ehrenberg ebenfalls im Handelsblatt: "Verkauft das viele Gold!“ Hätte die Bundesbank seinen Rat befolgt, wäre Deutschland heute um zig Milliarden ärmer.

Wahrscheinlich werden Sie sich jetzt fragen: Was gibt es da zu schmunzeln? Zuerst kurz zu Steinbrück. Er will ja bekanntlich nicht nur die Dispozinsen, sondern auch die Mieten im Fall von Neuvermietungen deckeln, und zwar unter Hinzuziehung der ortsüblichen Vergleichsmieten, die in so einem Fall Steinbrück zufolge zukünftig nur um 10 Prozent überschritten werden dürfen. Liegen die, wie in den deutschen Metropolen üblich, weit unter dem Niveau bei Neuvermietungen, sind die Vermieter die Dummen, denn sie müssten dann Verluste in Kauf nehmen. Mögliche Folgen: Renovierungsstau wie früher vielfach in der DDR, Zwangsverkäufe und -versteigerungen, falls die finanzierende Bank den Geldhahn zudreht, Zusammenbruch der Wohnimmobilienpreise, Neubaustopp und schließlich Wohnungsnot. Zwar sind nicht diese Konsequenzen zum Schmunzeln, wohl aber die absurden Ideen der SPD.

Nun zu Stock. Er begründet seine Verkaufsempfehlung für Gold so: "130 Milliarden Euro ist der Schatz wert. Wenn allein die Hälfte in den Schuldenabbau gesteckt würde, bedeutete das eine gewaltige Entlastung für uns alle. Stattdessen lassen wir unser Gold rumliegen und bestaunen es wie eine ägyptische Mumie ... Wir müssen ja unser Gold nicht gleich in griechische Staatsanleihen investieren. Aber etwas Sinnvolleres, als es zu horten, dürfte auch dem konservativsten Staatsbanker noch einfallen.“ Es spricht wenig für die Koordination innerhalb des Handelsblatts, dass dessen Schlagzeile zu einem Beitrag des Autors Jan Mallien nur einen Tag später lautete: „Finger weg vom Goldschatz der Bundesbank!“ Dazu das Lob für die Bundesbank dafür, dass sie diesen Schatz bisher gegen alle Versuche, ihn zu verplempern, tapfer verteidigt hat.

Aus der ganzen Episode lernen wir zweierlei: Erstens, dass sich inzwischen jedermann aufgerufen fühlt, zum Thema Gold seine eigene Meinung beizusteuern. Und zweitens, dass dabei die Qualität der Argumente auf der Strecke bleibt. Ein Goldschatz in der Größenordnung, wie er Deutschland gehört, ist ja keine beliebige Ware, Aktie oder Anleihe, die man mal eben verkaufen kann. Sein Verkauf würde den Goldpreis entweder derart drücken, dass der tatsächliche Gewinn im Vergleich zum aktuellen Buchgewinn zusammenschmelzen müsste. Oder das viele deutsche Gold dürfte - die viel wahrscheinlichere Alternative - preisschonend bei der chinesischen und/oder einer anderen asiatischen Zentralbank landen. Schließlich ist es ja mehr als nur ein Handelsobjekt; es ist die einzige international uneingeschränkt akzeptierte Währungsreserve.

Gerade dieser Aspekt gewinnt in letzter Zeit enorm an Bedeutung. Auslöser ist zur Abwechslung Japan. Dort hat zuletzt nicht etwa die Zentralbank die Initiative ergriffen, um das Land aus der Depression zu befreien, sondern der neue Regierungschef Shinzo Abe. Auf sein Geheiß soll die Geldmenge des Landes nun uneingeschränkt wachsen. Negative Leit- und Realzinsen gehören ohnehin schon zum Repertoire der japanischen Depressionsbekämpfer. Und anders als aus ähnlichen Anlässen in den vergangenen Jahren kommt dieses Mal die Yen-Abwertung hinzu.

Kann es zum Abwertungswettlauf wie in den 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts kommen? Eine knifflige Frage, denn die heutigen Interessengegensätze unterscheiden sich doch stark von den damaligen, und die ökonomische Weltkarte sieht anno 2013 anders aus als 1933. Damals fand ein Abwertungswettlauf statt, allerdings stark konzentriert auf Europa. Der Dollar war zwar dabei, das britische Pfund als wichtigste Währung vom Thron zu stoßen, aber bis zur endgültigen Ablösung im Rahmen des Weltwährungssystems von Bretton Woods im Jahr 1944 verging noch mehr als ein Jahrzehnt. Dass der Euro in absehbarer Zeit dem Dollar als Weltwährung ernsthaft Konkurrenz macht, ist ebenso unwahrscheinlich wie eine schnelle Integration des chinesischen Yuan in ein neues Währungssystem.

Aus all dem folgt, dass wir heute - wenn auch unter anderen Vorzeichen - eine Fortsetzung des Wirrwarrs erleben, der mit dem Scheitern des Goldpools in den 60er Jahren begann, mit dem Ende der Einlösungspflicht des Dollars gegen Gold 1971 einen ersten unrühmlichen Höhepunkt erreichte und sich seitdem bis heute in immer neuen Währungskrisen bemerkbar macht.

Dazu nur zwei aktuelle Beispiele, die ganz verschiedene Problemfelder aufzeigen, doch im Endeffekt beide einen tiefen Einblick in den Währungswirrwarr erlauben: 1. Die Amerikaner müssen einerseits, um international wettbewerbsfähig zu bleiben, den Dollar im Vergleich zu anderen Währungen unten halten. Aber sie müssen andererseits penibel darauf achten, dass der Dollar als Welt- und Handelswährung Nummer eins nicht zu sehr abgleitet, weil sie dann womöglich viel weniger Schatzanweisungen im Ausland platzieren könnten. 2. Der Euro ist ein schwaches Bindeglied zwischen reichen und armen Ländern. Das zeigt sich unter anderem im Gezänk um die Reformen, die den armen von den reichen Ländern aufgezwungen wurden. Jetzt jammern die armen, weil sie dem Reformdruck nicht standhalten können, und die reichen, weil die Reformen ihnen nicht schnell genug vorankommen. Dass der Euro als schwaches Bindeglied da ständig in Gefahr ist, kann kaum noch verwundern.

Wer die möglichen Konsequenzen aus den hier angestellten Überlegungen zieht, dürfte immer wieder aufs Neue irritiert sein, wenn Journalisten, aber auch Banker, Gurus und technische Analysten dem Gold die Funktion als Währungsreserve absprechen, das Ende seines Preisanstiegs nahen sehen, zweifelhafte Preisprognosen abgeben oder sogar von einer Goldblase philosophieren. Lassen Sie sich dadurch nicht irritieren, denn dahinter stecken meistens nur vage Gedankenspiele, die nicht im Entferntesten das Währungschaos berücksichtigen, das schon jetzt herrscht und immer schlimmer zu werden droht. Die wilden Zuckungen des Goldpreises während der vergangenen Tage, ohne dass sie ihm schaden konnten, sind dafür ein untrüglicher Indikator. Sie werden bald in den nächsten Aufwärtstrend übergehen.


© Manfred Gburek
www.gburek.eu

Herr Gburek ist Fachjournalist und Buchautor. Seine letzten Werke waren: "Das Goldbuch" (2005), das Wörterbuch "Geld und Gold klipp und klar von A bis Z" (2007) und "Die 382 dümmsten Sprüche der Banker" (2008).



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