Suche
 
Folgen Sie uns auf:

Was wird, wenn QE2 zur Jahresmitte ausläuft?

29.05.2011  |  Klaus Singer
- Seite 2 -
Allgemein wird davon ausgegangen, dass die Investoren US-Treasuries gegenüber immer zurückhaltender werden. Es wird darauf verwiesen, dass S&P kürzlich davor gewarnt hat, den Ausblick auf die Bonität auf "negativ" zu setzen. US-Treasuries werden aktuell mit der Bestnote geratet. Dass die Schuldensituation der USA nicht eben günstig ist, weiß jeder. Aber darin unterscheidet sich das Land nicht von vielen anderen Industrieländern.

Der Punkt, dass die Akteure US-Treasuries meiden wie der Teufel das Weihwasser, ist bisher nicht erreicht. Und so lange das so ist, bleiben Staatsanleihen und Aktien alternative Anlageklassen.

Die sich momentan abzeichnende Makrolage untermauert eine kommende Schwäche bei Aktien. In vielen Zeitreihen von Makrodaten zeichnet sich ein Tempoverlust ab. Das gilt auch für "weiche" Sentiment-Indikatoren. Beispielhaft dafür die sei der Verlauf des ISM-Index gezeigt (siehe Chart), der die Stimmung im produzierenden Gewerbe der USA widerspiegelt. Die danach im Mai herausgekommenen Werte weiterer regionaler US-Stimmungsindikatoren in der Produktion zeigen sämtlich bestenfalls eine flache, in der Regel eine abwärts gerichtete Tendenz.

Der wichtigste Punkt: Das US-BIP hat im ersten Quartal annualisiert nur um 1,8% zugelegt hat nach plus 3,1% im Vorquartal. Das ist ein sehr deutlicher Abfall. (Das deutsche BIP ist im Quartalsvergleich hingegen um 1,5% angestiegen - mithin etwa dreimal so stark.)

"Tempoverlust bei vielen Makrozeitreihen", das bedeutet zunächst nur, dass sich die Steigerungsraten abschwächen, teilweise im April auch stagniert haben. Eine nachhaltige Abwärtsrichtung hat bisher keine der von mir verfolgten Zeitreihen eingeschlagen.

Der WLI (weekly leading index) des ECRI (siehe Chart!) sinkt seit fünf Wochen. Der Index kann eine eindrucksvolle Erfolgsgeschichte vorweisen, hat sechs von sieben Rezessionen seit den1960er Jahren richtig vorweggenommen, bei einer lief er etwas hinterher. Sein Einbruch in 2010 zeigt klar, dass die Gefahr eines double dip bestand, dem die Fed mit QE2 begegnen konnte (fügen wir besser "zeitweilig" ein). Der WLI bestätigt damit die Diagnose "Durchhänger", zunächst nicht mehr.

Der Rohstoff-Crash von Anfang des Monats wird häufig in Zusammenhang mit sinkender globaler Nachfrage gebracht. Auf jeden Fall war der Bereich, QE2 sei dank, spekulativ überhitzt. Ob das die alleinige Ursache war, ist noch schwer zu beurteilen. Tatsache ist, dass sich die Preise für industrielle Rohstoffe insgesamt mit einer Erholung nach dem Crash gegenwärtig schwer tun - ein Warnzeichen. Edelmetalle zeigen sich da fester, was aber wohl wesentlich mit ihrer Funktion als "safe-heaven" zu tun hat.

Angesichts des hohen Verschuldungsgrades wiegt nachlassendes Wachstum besonders schwer. Schon bei einem BIP-Wachstum von unter 2% steigt die Wahrscheinlichkeit einer Rezession schnell an. Daher reagieren die "Märkte" auf nachlassendes Momentum, "Tempoverlust", bei der wirtschaftlichen Erholung gegenwärtig auch besonders empfindlich.

Eine gewisse Abkehr von allzu großer Risikoausrichtung hat sich schon seit Anfang April offenbart. Seit diesem Zeitpunkt laufen defensive Aktien-Sektoren, wie Gesundheitswesen, Versorger, Versicherungen, und bestimmte Konsum-nahe Bereiche (z.B. Nahrungsmittel) mit relativer Stärke. "Laufen" oder "liefen"? Gegenwärtig zeigen nämlich auch diese Ermüdungserscheinungen - möglicherweise Vorbote umfassenderer Risikoaversion.

Aus der Währungsecke kommen Signale, die ebenfalls zu Vorsicht mahnen. Zwar konnte Euro/Dollar (ECW) vor einigen Tagen den Pegel von 1,40 verteidigen und zum Wochenschluss über 1,4230 steigen, dem Pegel von Anfang November, als QE2 startete (siehe Chart!). Dem entspricht, dass der Dollar-Index unter 75,80 sank (siehe Chart!).

Betrachtet man "dahinter" aber z.B. Euro/Yen (EYN) und Dollar/Yen (JPY) so ergibt sich kein "starkes" Bild. Der festere Euro/Dollar ging zuletzt wesentlich von einem schwachen Dollar/Yen aus (ECW=EYN/JPY). Momentaufnahme? Ja, aber eine, die zur Vorsicht mahnt. Nachhaltig bullische Aktien-Phasen waren in den zurückliegenden Jahren stets begleitet von festeren Euro/Yen UND Dollar/Yen.

Zeigt demnächst Euro/Dollar Schwäche (kommt oberhalb 1,4230 nicht weiter) und vor allem der Dollar-Index Stärke (steigt über 75,80), so ist das ein weiteres Warnzeichen für eine Kontraktion der Finanzmärkte. Das gilt erst recht, wenn die Marke von 1,40 beim Euro/Dollar fällt.

Wenn die Eigendynamik der Märkte wegen fehlender bullischer Phantasie nachlässt, dann werden sie anfällig für schlechte Nachrichten und externe Schocks. Die momentan labile Gesamtverfassung der "Märkte" kann die Euro-Schuldenkrise kaum so ignorieren, wie das im Herbst beim "Schuldenfall" Irlands war. Zumal die Lage heute wesentlich ernster ist - ein weiteres Land, Portugal, ist zum akuten Notfall geworden. Und Spanien könnte der nächste Dominostein sein. Nie vergessen: Es geht bei der Euro-Staatsschuldenkrise "eigentlich" um die Rettung des europäischen Bankensystems.

Die Voraussetzung des oben skizzierten Szenarios ist, wie erwähnt, dass die Investoren Vertrauen in die Bonität des Schuldners, den US-Staat, haben. Auch hier steht eine Belastungsprobe an: Die Verschuldungsgrenze ist erreicht und die Regierung wird Anfang August zahlungsunfähig, wenn man sich im US-Kongress nicht einigt, diese anzuheben.

Genug Stolpersteine für die Bullen. Die werden darauf setzen, dass die Notenbanken zu gegebener Zeit die Geldschleusen erneut aufreißen. Zu recht? Ja. Ob das wieder hilft, eine Rezession zu verschieben? Mal sehen.

Erwähnte Charts können hier eingesehen werden: www.timepatternanalysis.de


© Klaus G. Singer
www.timepatternanalysis.de



Bewerten 
A A A
PDF Versenden Drucken

Für den Inhalt des Beitrages ist allein der Autor verantwortlich bzw. die aufgeführte Quelle. Bild- oder Filmrechte liegen beim Autor/Quelle bzw. bei der vom ihm benannten Quelle. Bei Übersetzungen können Fehler nicht ausgeschlossen werden. Der vertretene Standpunkt eines Autors spiegelt generell nicht die Meinung des Webseiten-Betreibers wieder. Mittels der Veröffentlichung will dieser lediglich ein pluralistisches Meinungsbild darstellen. Direkte oder indirekte Aussagen in einem Beitrag stellen keinerlei Aufforderung zum Kauf-/Verkauf von Wertpapieren dar. Wir wehren uns gegen jede Form von Hass, Diskriminierung und Verletzung der Menschenwürde. Beachten Sie bitte auch unsere AGB/Disclaimer!




Alle Angaben ohne Gewähr! Copyright © by GoldSeiten.de 1999-2024.
Die Reproduktion, Modifikation oder Verwendung der Inhalte ganz oder teilweise ohne schriftliche Genehmigung ist untersagt!

"Wir weisen Sie ausdrücklich auf unser virtuelles Hausrecht hin!"