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Es war einmal: Der Gold-Devisen-Standard

26.04.2013  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
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Doch die zunehmend inflationäre Geldpolitik Amerikas in den 50er und 60er Jahren änderte das. Die Sorge vor steigender Inflation veranlasste immer mehr Ausländer, ihre US-Dollar-Bestände in Gold einzutauschen. Als darauf-hin die amerikanischen Goldreserven zusehends abgezogen wurden, und Amerika drohte, seinem Goldeinlöseversprechen nicht nachkommen zu können, verkündete US-Präsident Richard Nixon am 15. August 1971, dass von nun an der US-Dollar nicht mehr in Gold eintauschbar sei. Spätestens ab diesem Zeitpunkt wurden alle wichtigen Währungen der Welt zu nicht einlösbarem Papiergeld.

Obwohl das System von Bretton Woods Anfang der 70er Jahre des vergangenen Jahrhunderts beendet wurde, ist der US-Dollar bis heute die Weltleitwährung geblieben. Das liegt zum einen an der wirtschaftlichen und politischen Weltmachtstellung der USA. Zum anderen ist der US-Dollar zur bedeutendsten Währungsreserven geworden, die viele ausländische Zentralbanken in der (Spät-)Zeit des Systems von Bretton Woods aufgehäuft haben. Es ist sicherlich nicht übertrieben zu sagen, dass viele Währungen immer noch auf dem US-Dollar aufgebaut sind.


Der heutige Dollar-Standard

Open in new windowDie heute vorherrschende Weltwährungs(un)ordnung hat (große) Ähnlichkeit mit dem Gold-Devisen-Standard in der Zeit 1925 bis 1931. Damals war das Britische Pfund die europäische Leitwährung, heute ist der US-Dollar die Weltleitwährung. Damals gab Großbritannien die Leitlinien für die europäischen Geldpolitiken vor, heute hat Amerika diese Führungsposition inne.

Die immer noch unbestrittene finanzwirtschaftliche Vormachstellung Amerikas lässt sich vor allem durch drei Faktoren erklären. Erstens: Die amerikanischen Finanzmärkte sind die weltweiten größten und bedeutendsten. Sie weisen die Richtung für die weltweite Zins- und Finanzmarktpreisbildung.

Zweitens: Die Geschehnisse auf den Finanzmärkten, die entscheidend von der amerikanischen Geldpolitik beeinflusst werden, haben in der Regel Rückwirkungen auf die internationalen Konjunkturen. Folglich verursacht die US-Geldpolitik "Zwänge“ für die Geldpolitiken in anderen Währungsräumen.

Und drittens: Die Finanzbranche hat sich unter der Führung des US-Dollar zusehends globalisiert. Vor allem für Geschäftsbanken ist die amerikanische Zentralbankpolitik "lebenswichtig“, und so fordern sie von ihren heimischen Zentralbanken eine Geldpolitik ein, wie sie von der US-Zentralbank praktiziert wird.


Der Hang zur Inflation

Es gibt jedoch auch einen entscheidenden Unterschied zwischen dem damaligen Gold-Devisen-Standard und dem heutigen US-Dollar-Standard: Im Gold-Devisen-Standard war noch eine Eintauschpflicht der nationalen Währungen in Pfund vorgesehen (zumindest theoretisch), und das Pfund konnte bei der Bank von England in Gold eingetauscht werden.

Weil aber die Bank von England die Pfund-Geldmenge immer stärker im Vergleich zu ihren verfügbaren Goldbeständen ausweitete, und andere Nationen ihr Geld auf der Basis der inflationierten, nicht mehr gedeckten Pfund-Geldmenge aufbauten, musste es irgendwann zu Zweifeln an der Goldeinlösbarkeit kommen - und damit zu Zahlungsunfähigkeit und Zusammenbruch des Gold-Devisen-Standards.

Als viele Banken zahlungsunfähig wurden und ihre Schalter schlossen, gingen Giroguthaben sprichwörtlich verloren. Die Geldmenge schrumpfte. Das führte zur Deflation. Die Kreditmärkte trockneten aus, die Zahl der Unter-nehmensausfälle stieg an, die Preise verfielen auf breiter Front, Massenar-beitslosigkeit stellte sich ein.

Heutzutage, unter dem Dollar-Standard, der im Grunde ein Papier- oder Fiat-Geld-Standard ist, ist nicht Deflation, sondern Inflation die Hauptgefahr. Denn anders als damals können heute Zahlungsausfälle von Banken und anderen großen Schuldnern, allen voran den Staaten, mit einem Ausweiten der Geldmengen jederzeit abgewendet werden: Die Zentralbanken sind ja in der Lage, im Grunde jederzeit die Geldmenge um jeden politisch erwünschten Betrag auszuweiten.

Und wenn Deflation stärker gefürchtet wird als Inflation - was heutzutage der Fall zu sein scheint -, ist absehbar, dass in Krisensituationen die Geldmenge unbegrenzt ausgeweitet wird, wenn es gilt, eine drohende Rezession-Deflation abzuwehren. Wird erst einmal in einer Geldmengenvermehrung die Politik des "kleinesten Übels“ erblickt, um den Problemen zu entkommen, die eine zuvor zu lockere Geld- und Schuldenpolitik verursacht haben, wird eine Inflationspolitik die absehbare Folge sein.

Der Gold-Devisen-Standard hatte der Inflationspolitik letztlich ein Ende gesetzt: Es gab ein "Ende mit Schrecken". Der Dollar-Papiergeld-Standard scheint bislang hingegen eher ein "Schrecken ohne Ende“ zu sein.


© Prof. Dr. Thorsten Polleit
Auszug aus dem Marktreport der Degussa Goldhandel GmbH



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