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Zypern: Kleines Land, große Wirkung?

23.03.2013  |  Carsten Klude
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Zu diesem Umstand kommt hinzu, dass die zypriotische Wirtschaft gemessen an der Eurozone winzig anmutet: 2012 lag das Bruttoinlandsprodukt bei 14,8 Milliarden Euro und betrug damit lediglich knapp 0,2% des BIPs der Eurozone. Zum Vergleich: Die Wirtschaftsleistung Hamburgs lag 2011 mehr als fünfmal so hoch wie die der gesamten Republik Zypern. Wenn es schon ein Land mit dieser vergleichsweise geringen wirtschaftlichen Bedeutung schaffen sollte, noch weitreichendere Zugeständnisse von den anderen Euroländern zugebilligt zu bekommen, dann ist das Prinzip der Unterstützung gegen eigene Leistungen und wirtschaftliche Reformen offenkundig gescheitert. Andere Länder der Peripherie könnten dann - sogar mit einer gewissen Berechtigung - ebenfalls Hilfen durch die EZB und von anderen Euroländern fordern, ohne ihre Haushalte zu konsolidieren und ihre Wirtschaft auf Vordermann zu bringen.

Wir halten dies ohnehin für eine der größten Schwachstellen der gesamten Euro-Rettungslogik: Bei größeren Ländern kann eine Verweigerung von finanziellen Hilfen zu systemischen Risiken für die gesamte Eurozone führen, weshalb wir auf Dauer befürchten, dass die Haushaltsdisziplin mit der zunehmenden Vergemeinschaftung von Schulden nachlassen wird. Doch aus Sicht der Länder, die zusätzliche Lasten zu tragen haben, wäre es ein verheerendes Signal, wenn es noch nicht einmal möglich wäre, einen ausreichenden Eigenbeitrag von einem wirtschaftlich wenig bedeutsamen Mitglied zu fordern. Wir halten es daher für wahrscheinlich, dass die Eurogruppe bei ihrer harten Verhandlungslinie bleibt und Zypern allenfalls kosmetische Zugeständnisse macht.

Die zweite Option, eine stärkere Beteiligung Russlands, ist dagegen durchaus denkbar. Eine Ausweitung der bestehenden Kreditlinie an Zypern wäre dafür jedoch nicht ausreichend, weil dies die Staatsschulden weiter in die Höhe treiben würde. Das Verhältnis zwischen den Schulden und dem Bruttoinlandsprodukt liegt nach Schätzungen des Internationalen Währungsfonds im laufenden Jahr bei rund 92,5%, allerdings ohne das Hilfspaket der Eurogruppe, das der Verschuldung gegebenenfalls zugerechnet werden müsste. Aus zypriotischer Sicht muss das Ziel der Verhandlungen daher sein, direkt Geld aus Moskau überwiesen zu bekommen.

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Unseres Erachtens gibt es Gründe dafür, dass dieser Plan sogar aufgehen könnte. So ist der Anteil russischer Einlagen bei zypriotischen Banken vergleichsweise hoch. Ein Zahlungsausfall Zyperns oder ein Zusammenbruch zypriotischer Banken würde daher ebenfalls Belastungen für die russischen Einleger mit sich bringen. Diese lassen sich zwar noch nicht beziffern, doch sie dürften für die Einlagen jenseits der 100.000 Euro in jedem Fall deutlich höher liegen als die Belastung von 9,9%, die das zypriotische Parlament abgelehnt hat. Zudem könnte der russische Staat im Gegenzug für die Hilfen an Zypern darauf drängen, Bankdaten russischer Kunden zu erhalten und so mögliche Steuervergehen aufzudecken. In diesem Zusammenhang gab es bereits Gerüchte, dass ein russischer Investor eine zypriotische Bank kaufen könnte. Eine engere Verflechtung Zyperns mit Russland wäre auch geopolitisch für Russland attraktiv. Und zuletzt gäbe es auch noch darüber hinaus handfeste wirtschaftliche Interessen, die für eine stärkere Beteiligung Russlands an der Rettung Zyperns sprechen. So liegen größere Erdgasvorkommen vor der Küste Zyperns, die bisherigen Schätzungen zufolge ab 2018 kommerziell ausgebeutet werden können. Die Regierung in Nikosia könnte sowohl die Förderrechte als auch die Erträge an ihren Gasfeldern ganz oder teilweise an russische Energiekonzerne abtreten.

Die dritte Option - ein Einknicken der Regierung in Nikosia - halten wir für denkbar, aber nicht für wahrscheinlich. Nachdem das zypriotische Parlament die Forderungen der Eurogruppe geradeheraus abgelehnt hat, wird sie diesen im Nachhinein nur schwer zustimmen können, ohne dass das Angebot seitens der Eurogruppe noch einmal nachgebessert wurde. Wirtschaftlich gesehen wäre es für Zypern dennoch besser, den bisherigen Forderungskatalog zu akzeptieren, wenn die Verhandlungen mit Russland scheitern sollten. Schließlich stehen die zypriotischen Politiker vor der Wahl, eine von der Eurogruppe bestimmte Beteiligung der Einleger zu akzeptieren, oder eine noch stärkere Beteiligung der Einleger, die sich nach einem Zusammenbruch des Bankensektors in Zypern ergeben würde. Es handelt sich also um die Wahl zwischen zwei Möglichkeiten, nämlich einer schlechten und einer sehr schlechten.

Auch die vierte Option halten wir für denkbar: Die Verhandlungen könnten letztlich trotz aller Bemühungen scheitern. Es ist nicht ganz klar, was in diesem Fall passieren würde. Vermutlich wäre jedoch ein Zusammenbruch des Bankensystems in Zypern die unmittelbare Folge, weil die zypriotische Regierung die Banken ohne Unterstützung durch die Eurogruppe finanziell nicht ausreichend stützen kann, und weil es zudem zu einem massiven Abfluss von Einlagen kommen dürfte. Möglicherweise hilft die Eurogruppe Zypern dann dabei, seine insolventen Banken abzuwickeln, das Land verbleibt aber dennoch in der Eurozone. Wenn die Regierung in Zypern dagegen versuchen sollte, die Banken zu stützen, dann wird dies nur mit der Ausgabe einer eigenen Währung möglich sein - Zypern wäre in diesem Fall das erste Land, das die Eurozone tatsächlich verlässt.

Bislang ist die Reaktion der Kapitalmärkte auf die Vorgänge in und um Zypern bemerkenswert gelassen ausgefallen. Am Aktienmarkt gab es kaum nervöse Ausschläge, bei anderen südeuropäischen Ländern war kein markanter Anstieg der Renditen für Staatsanleihen zu verzeichnen. Dabei halten wir die Ausgestaltung des Rettungspaketes durch die Eurogruppe für höchst bedenklich. Immerhin war hier zum ersten Mal seit dem Ausbruch der Finanzkrise eine direkte Beteiligung der Einleger vorgesehen, auch jener, deren Einlagen weniger als 100.000 Euro betragen. Natürlich lassen sich gute Gründe dafür anführen, dass Zypern ein Sonderfall ist und auch bleiben wird. So wurden verschiedene offiziellen Stellen in den Tagen danach auch nicht müde, die Besonderheit des zypriotischen Falls zu betonen und darauf hinzuweisen, dass es sich um einen einmaligen Vorgang handele. Dennoch wurde hier in gefährlicher Art und Weise ein Tatbestand geschaffen, der in den Augen anderer (südeuropäischer) Anleger als Präzedenzfall eingeordnet werden könnte.

Auch die Verhandlungen selbst bergen negatives Überraschungspotenzial. Es wäre zwar im besten Interesse aller Beteiligten, wenn sich Zypern mit Russland und der Eurozone einigen könnte. Doch dies dürfte unseres Erachtens nicht mit deutlichen Zugeständnissen seitens der Eurogruppe erkauft werden. Letztlich kann daher auch nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden, dass die Verhandlungen doch noch scheitern. In der Folge dürfte die Risikoaversion an den Kapitalmärkten erneut zunehmen. Zypern ist zwar nur ein kleines Land, dennoch wäre dieses Ereignis ein ernsthafter Test, ob die Brandmauern um die Eurozone einem Feuer standhalten.


© Carsten Klude, Dr. Christian Jasperneite, Matthias Thiel, Martin Hasse, Darian Heede
M.M.Warburg Investment Research

Quelle: Auszug aus "Konjunktur und Strategie". Den Berichten, Tabellen und Grafiken liegen vertrauenswürdige Informationen aus öffentlichen Quellen zugrunde. Für die Richtigkeit können wir jedoch keine Gewähr übernehmen. Der Inhalt ist urheberrechtlich geschützt.



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