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Erkenntnisse aus der Panikwoche

07.08.2011  |  Manfred Gburek
Die Herabstufung der AAA-Bonität der USA durch die amerikanische Ratingagentur Standard & Poor's ist ohne Frage ein Meilenstein in der jetzigen Schuldenkrise. Sie wird die Unruhen an den Börsen verstärken und China als größten Gläubiger der USA zum Handeln zwingen. Zwei gravierende Folgen sind bereits absehbar: 1. Die Chinesen werden mehrfach - nicht nur verbal, wie spontan geschehen, sondern auch politisch - Druck auf die USA ausüben. 2. Gold wird seine Funktion als sicherer Hafen und als stabile Währungsreserve noch mehr als bisher ausüben.

In den Kommentaren zum Kurssturz an den Börsen war und ist zu Recht von Panik die Rede, und das, obwohl die Entscheidung von Standard & Poor's erst am Freitagabend nach Börsenschluss in den USA bekannt gegeben wurde. Für die Panikkommentare gibt es zwei Erklärungen: grottenschlechte Kommunikation von oberster Stelle und Rezessionsangst der Anleger in Verbindung mit der internationalen Schuldenkrise. Das Ganze bildet erst den Anfang und nicht das Ende einer Entwicklung, während der zunächst - unter heftigen Schwankungen - Aktien betroffen sind und zunehmend Anleihen betroffen sein werden. Diese Entwicklung wird auf unterschiedliche Weise auch andere Anlagen beeinflussen, nicht zuletzt Gold und Silber.

Wenden wir uns zunächst dem Kommunikationswirrwarr zu. Wenn das kein Grund zur Panik ist: Durch den Rat der Europäischen Zentralbank zieht sich ein tiefer Graben, zu erkennen daran, dass einige Ratsmitglieder, so auch Bundesbank-Präsident Jens Weidmann, gegen den von EZB-Präsident Jean-Claude Trichet durchgeboxten weiteren Kauf maroder Staatsanleihen sind. José Manuel Barroso, Chef der EU-Kommission, lässt mal eben verlauten, die Ergebnisse des jüngsten Schuldengipfels seien "unvollständig". Die italienische Justiz geht gegen die Ratingagenturen Standard & Poor's und Moody's vor, denn die könnten im Haushalt des überschuldeten Staats ja noch mehr Unrat entdeckt haben, als ohnehin schon bekannt ist. Derweil macht die deutsche Bundeskanzlerin Urlaub. Die von einer enormen Sprachverwirrung begleitete Führungslosigkeit in Europa setzt sich in Amerika fort, weil dort die Republikaner dem gerade erst 50 Jahre alt gewordenen Präsidenten vorzuschreiben versuchen, wo es lang geht. Und dann verlieren die USA auch noch ihre AAA-Bonität.

Kommen wir nun zur Geldanlage im Rahmen von Rezessionsangst und Schuldenkrise. Um diesbezüglich mehr richtig als falsch zu machen, braucht man verlässliche Indikatoren. Einer davon ist der Bund Future, ein Terminkontrakt auf Bundesanleihen und damit ein Angstindikator. Er hat zwischenzeitlich die Marke von 133 Punkten übersprungen, aber noch nicht wieder seinen alten Höchststand erreicht, und ist anschließend nach unten abgeprallt. Aus Letzterem folgt, dass Bundesanleihen für konservative Anleger nicht mehr das Nonplusultra sind.

Ein weiterer guter Indikator besteht aus der Dax-Indexfamilie: Dax für deutsche Standardaktien, MDax, SDax und TecDax für deutsche Aktien mit weniger hohen Börsenwerten, VDax für die Intensität der Kursschwankungen u.a. Die ganze Familie zeigt uns, dass deutsche Aktien einen Abwärtstrend begonnen haben, unter anderem zu erkennen daran, dass der bisherige Seitwärtstrend deutlich nach unten durchbrochen worden ist und dass der VDax mit dem aktuellen Zwischenhoch von 34 Punkten längst noch nicht das Angstniveau von 83 Punkten nach der Pleite der Lehman-Bank im Herbst 2008 erreicht hat. Was für die Dax-Familie gilt, lässt sich auch auf andere Indizes übertragen, etwa Stoxx für Europa oder Dow Jones und Standrad & Poor's für die USA.

Setzen wir die Interpretation der Indikatoren mit den Edelmetallen fort. Hier zeigt sich durchaus ein gemischtes Bild: Silber hinkt dem Gold hinterher, und die Kurse der Minenaktien bleiben hinter den Preisen der Edelmetalle zurück. Daraus folgt nach den einschlägigen Erfahrungen aus den vergangenen Jahren, ja Jahrzehnten: Die Edelmetalle könnten eine Pause im Aufwärtstrend gut vertragen. Dass ihre Preise ebenso einbrechen wie die Kurse der Aktien aus Dax, Dow Jones & Co., ist indes unwahrscheinlich, solange die internationale Schuldenkrise als Preistreiber erhalten bleibt - was ja noch lange der Fall sein wird.

An dieser Stelle drängt sich ein Rückblick zum Herbst 2008 auf. Als damals nach der Lehman-Pleite die Aktienkurse einbrachen, erwischte es auch Gold, viel stärker Silber, dessen Preis sich mehr als halbierte, und Edelmetallaktien, deren Kurse zwischenzeitlich zum Teil auf Crashniveau sanken. Kann es wieder so weit kommen? Nein, denn abgesehen von permanenten Goldkäufen aus Mittel- und Ostasien sprechen drei Gründe dagegen:
  • 1. Die Schuldenkrise als Preistreiber erhält die Edelmetallphantasie aufrecht.

  • 2. Anleihen, die 2008 in Konkurrenz zum Gold noch als sichere Häfen galten, haben diesen Status nicht nur wegen der Euro-Krise eingebüßt, sondern auch wegen der drohenden Gefahr einer Herabstufung der US-Kreditwürdigkeit durch Ratingagentguren.

  • 3. Anleger haben in doppelter Hinsicht aus der Zeit nach Lehman gelernt: Weil sie erlebt haben, wie rasant sich damals die Edelmetallpreise und mit ihnen die Minen- und sonstigen Aktien erholen konnten, und weil sie nun ganz sicher sein können, dass die ganze Welt nach der nächsten großen Pleite mit Geld geflutet wird.

Es ist zurzeit schwer vorhersehbar, in welchem Rhythmus die Preise von Gold und Silber weiter nach oben ziehen werden. Dass die Reise sich mit Unterbrechungen fortsetzen wird, steht jedoch aus den genannten Gründen außer Frage. In solchen Zeiten empfiehlt es sich, einen - je nach sonstigem Vermögen größeren oder kleineren - Betrag auf dem Tagesgeldkonto zu belassen und während temporärer Preisdellen zuzugreifen. Damit das optimal gelingt, sollte man mindestens ein Mal wöchentlich ausrechnen, ob sich zum Beispiel der Goldpreis in Dollar oder die Kurse von großen Goldminenaktien wie Barrick, Newmont oder Goldcorp (alternativ: die Indizes XAU und HUI) besser entwickeln. Solange der Goldpreis vorn liegt, kann man getrost abwarten. Sobald allerdings die Kurse der Minenaktien oder die beiden Indizes relative Stärke zeigen, ist der Einstieg in Goldbarren und -münzen wie auch in Minenaktien empfehlenswert.

Das lässt sich analog ebenfalls mit Silber und Silberminenaktien vom Typ Pan American Silver, Fresnillo oder Silver Wheaton realisieren. Wobei, was den Kauf von physischem Silber betrifft, die Mehrwertsteuer von 7 Prozent auf Anlagemünzen und 19 Prozent auf Barren zu beachten ist, während Gold von der Mehrwertsteuer befreit ist. Immerhin wird nach einem Jahr weder auf Gewinne aus Gold noch aus Silber die Abgeltungsteuer fällig.

Noch einige Anmerkungen zur Kaufpsychologie: Wer immer einen mehr oder weniger hohen Betrag auf dem Tagesgeldkonto für Käufe bereit hält und ein relativ breites Anlagespektrum verfolgt (nicht allein Edelmetalle und ihre Aktien, sondern auch Aktien aus Dax, Dow Jones & Co., außerdem Bund Future, Rohstoffe u.a.), bewahrt einen neutralen Blick für alles. Das zahlt sich im Lauf der Zeit doppelt und dreifach aus, vor allem dann, wenn die Börsen wie zuletzt panisch reagieren oder wenn später einmal die favorisierten Anlagen wechseln.


© Manfred Gburek
www.gburek.eu

Herr Gburek ist Fachjournalist und Buchautor. Seine letzten Werke waren: "Das Goldbuch" (2005), das Wörterbuch "Geld und Gold klipp und klar von A bis Z" (2007) und "Die 382 dümmsten Sprüche der Banker" (2008).



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