Nullzins bis St. Nimmerlein beflügelt
12.08.2011 | Klaus Singer
Wie zur Bestätigung des drastischen Aktienkursverfalls der zurückliegenden Tage, zeichnete die Fed auf ihrer FOMC-Sitzung am Dienstag dieser Woche ein trübes Bild der US-Konjunktur: Das Wachstum ist bislang in 2011 deutlich schwächer als erwartet ausgefallen, die Lage auf dem Arbeitsmarkt hat sich spürbar eingetrübt, auch die Konsumausgaben haben enttäuscht. Insgesamt haben sich die Abwärtsrisiken für die US-Konjunktur erhöht und die Unsicherheit in der Einschätzung der weiteren Entwicklung nimmt zu, heißt es.
Das Statement der Fed ist fundamental-realwirtschaftlich niederschmetternd. Ihr indirektes Eingeständnis ist, dass sie nichts ausrichten kann.
Ein wie immer geartetes QE-Programm, das mancher erwartet hatte, wird nicht angekündigt. Als Konsequenz des schwachen Ausblicks bleiben die Zinsen mindestens bis Mitte 2013 niedrig. Man beachte: Von den zehn FOMC-Mitgliedern sprachen sich drei gegen die konkrete Terminierung der Nullzinsphase aus. Ein solch hohes Maß an Gegenstimmen hatte es zuletzt in den frühen 1990ern gegeben.
Die Nullzinspolitik hält also bis zu St. Nimmerlein an. Und im Unterschied zu früheren vagen Verlautbarungen der Fed, die Zinsen über einen längeren Zeitraum tief zu halten, wird jetzt gleich ein Zeitraum von zwei Jahren versprochen. Das war der Punkt - die Banken dürfen weiter auf kostenlose Geldversorgung setzen. Damit lässt sich trefflich spekulieren.
Gesagt, getan - nach einem kurzen Durchbruch nach unten in unmittelbarer Folge des Veröffentlichung des Fed-Kommuniques folgte ein scharfer Ausbruch, der den S&P 500 bis Handelsende knapp an den wichtigen Pegel 1.173 heranführte. US-Bankaktien stiegen um bis zu 20%. Das hielt nicht lange, am Folgetag wurden die Gewinne gleich wieder ausradiert. Immerhin erwies sich im S&P 500 der Pegel von 1.120 als tragfähig und so ging es gestern erneut auf 1.173 hoch, intraday sogar darüber.
Wie geht es weiter? Nach einer Umfrage von Bloomberg sehen Analysten den Jahresendstand des S&P 500 im Schnitt bei 1388. Mal sehen!
Um den Pegel bei 1120 herum liegen im S&P 500 zwei wichtige Retracements, das 50er der Differenz zwischen Allzeithoch und Tief vom März 2009, sowie das 38er zwischen ebendiesem Tief und dem jüngsten Hoch (Mai). Das 50er Retracement des Bullruns seit März 2009 wiederum liegt im selben Bereich wie das "lange" 62er, nämlich bei rund 1020. Die Bedeutung dieser Pegel wird auch im folgenden Chart deutlich (siehe Chart!).
Die Politik unfähig und ohne Mittel, die Erholung der Realwirtschaft mit deutlichem Dynamikverlust, die Zentralbanken mit wenig Gestaltungsspielraum, gleichzeitig Liquidität im Überfluss - diese Gemengelage dürfte für weiter erhöhte Volatilität sorgen.
Gut möglich, dass sich diese Volatilität in der Spanne zwischen rund 1020 und 1220 austobt. Ein Ausbruch aus der Spanne nach oben könnte es dann entweder mit einem signifikanten Konjunkturaufschwung oder mit einem neuen QE-Programm geben. Während das erste doch zunächst recht unwahrscheinlich ist, steigt die Wahrscheinlichkeit für QE oder vergleichbare Maßnahmen. Umgekehrt könnte die Nachricht vom Zusammenbruch von Staaten für einen Ausbruch nach unten sorgen.
Nein, "Zusammenbruch" ist keine Anspielung auf die USA, deren Höchstbonität nach der Abstufung durch S&P nun erst einmal Geschichte ist. Dieser Schritt ist für die USA nahezu bedeutungslos, TBonds bleiben die sicherste Anleihe der Welt, die USA sind in ihrer eigenen Währung verschuldet und davon gibt es unendlich viel (wenn es sein muss - siehe QE).
Der Schritt von S&P hat jedoch erhebliche Konsequenzen für Europa. Wenn die Rating-Agentur konsistent und konsequent sein will, muss sie sich nämlich die Ratings einiger anderer Industriestaaten vornehmen. Da kommt dann ziemlich schnell Frankreich ins Visier und dann sofort einige französische und andere europäische Banken, wohl auch einige US-Institute. Angesichts der innerhalb der nächsten 24 Monate zu refinanzierenden 5,4 Bill. Euro, die der kürzlich erfolge Bankenstresstest für 90 europäische Banken ergeben hat, ist das schon in guten Zeiten eine gewaltige Belastung, in schlechten (wie diesen) wahrscheinlich zu viel. Das könnte dazu führen, dass es lange vor einer Staatspleite eine Krise von Banken und Versicherungen gibt.
Die 10jährige TBond-Rendite ist im Laufe dieser Woche auf dem Niveau vom Herbst 2008 gelandet. Die hohe Bewertung dieser Assets legt nahe, dass hier bald zu einer Korrektur kommen könnte. Gleichzeitig warnen die Bond-Märkte aber vor einer schweren Rezession, als Warnschwelle würde ich den Pegel von 3,2% sehen (siehe Chart!).
Ein aktuelles Indiz für eine schwache Verfassung der Realwirtschaft ist das heute herausgekommene (vorläufige) Verbrauchersentiment für August. Der Wert fällt unter das Niveau von Herbst 2008, nur im Frühjahr 1980 wurden noch tiefere Werte erreicht. Natürlich wirkt in der Stimmung des US-Konsumenten das politische Hickhack der US-Politiker über die Heraufsetzung der Schuldengrenze im US-Etat wie auch die Bonitätsabstufung noch nach. Aber das Verbrauchersentiment befand sich schon vorher im Sturzflug, nachdem es im Juni unter eine wichtige Schwelle gerutscht war (siehe Chart!).
Man kann über die Relevanz von Makrodaten für die Kursentwicklung lange streiten, insbesondere angesichts der seit Mitte der 1990er Jahre zunehmenden Liquiditätsflut. Eines ist klar, die "Märkte" fahren auf immer kürzere Sicht, orientieren sind immer weniger "vorausschauend" an makroökonomischen Aussichten. Wie jetzt im "Schuldensündenfall" der USA gesehen, regieren sie immer öfter erst dann, wenn ein Tatbestand partout nicht mehr zu übersehen ist (und dann heftig).
Dass Gold im Zuge des jüngsten Ausbruchs der Schuldenkrise ein neues Allzeithoch vermeldet, ist nicht weiter verwunderlich. Der Goldpreis reagiert sowieso eher auf die Verschuldungsproblematik als auf Preissteigerungen. Aber so lange in den "Märkten" jetzt "Erholung" gespielt wird, dürfte Gold sich von seinen Hochs weiter zurückziehen und seine Überkauftheit abbauen. Übergeordnet, denke ich, wird Gold weiter steigen.
Die angesprochene Seitwärtsspanne im S&P 500 zwischen rund 1.020 und 1.220 könnte schon bald auf die Probe gestellt werden. Zur Stunde fehlen nicht mal 40 Punkte.
Erwähnte Charts können hier eingesehen werden: www.timepatternanalysis.de
© Klaus G. Singer
www.timepatternanalysis.de
Das Statement der Fed ist fundamental-realwirtschaftlich niederschmetternd. Ihr indirektes Eingeständnis ist, dass sie nichts ausrichten kann.
Ein wie immer geartetes QE-Programm, das mancher erwartet hatte, wird nicht angekündigt. Als Konsequenz des schwachen Ausblicks bleiben die Zinsen mindestens bis Mitte 2013 niedrig. Man beachte: Von den zehn FOMC-Mitgliedern sprachen sich drei gegen die konkrete Terminierung der Nullzinsphase aus. Ein solch hohes Maß an Gegenstimmen hatte es zuletzt in den frühen 1990ern gegeben.
Die Nullzinspolitik hält also bis zu St. Nimmerlein an. Und im Unterschied zu früheren vagen Verlautbarungen der Fed, die Zinsen über einen längeren Zeitraum tief zu halten, wird jetzt gleich ein Zeitraum von zwei Jahren versprochen. Das war der Punkt - die Banken dürfen weiter auf kostenlose Geldversorgung setzen. Damit lässt sich trefflich spekulieren.
Gesagt, getan - nach einem kurzen Durchbruch nach unten in unmittelbarer Folge des Veröffentlichung des Fed-Kommuniques folgte ein scharfer Ausbruch, der den S&P 500 bis Handelsende knapp an den wichtigen Pegel 1.173 heranführte. US-Bankaktien stiegen um bis zu 20%. Das hielt nicht lange, am Folgetag wurden die Gewinne gleich wieder ausradiert. Immerhin erwies sich im S&P 500 der Pegel von 1.120 als tragfähig und so ging es gestern erneut auf 1.173 hoch, intraday sogar darüber.
Wie geht es weiter? Nach einer Umfrage von Bloomberg sehen Analysten den Jahresendstand des S&P 500 im Schnitt bei 1388. Mal sehen!
Um den Pegel bei 1120 herum liegen im S&P 500 zwei wichtige Retracements, das 50er der Differenz zwischen Allzeithoch und Tief vom März 2009, sowie das 38er zwischen ebendiesem Tief und dem jüngsten Hoch (Mai). Das 50er Retracement des Bullruns seit März 2009 wiederum liegt im selben Bereich wie das "lange" 62er, nämlich bei rund 1020. Die Bedeutung dieser Pegel wird auch im folgenden Chart deutlich (siehe Chart!).
Die Politik unfähig und ohne Mittel, die Erholung der Realwirtschaft mit deutlichem Dynamikverlust, die Zentralbanken mit wenig Gestaltungsspielraum, gleichzeitig Liquidität im Überfluss - diese Gemengelage dürfte für weiter erhöhte Volatilität sorgen.
Gut möglich, dass sich diese Volatilität in der Spanne zwischen rund 1020 und 1220 austobt. Ein Ausbruch aus der Spanne nach oben könnte es dann entweder mit einem signifikanten Konjunkturaufschwung oder mit einem neuen QE-Programm geben. Während das erste doch zunächst recht unwahrscheinlich ist, steigt die Wahrscheinlichkeit für QE oder vergleichbare Maßnahmen. Umgekehrt könnte die Nachricht vom Zusammenbruch von Staaten für einen Ausbruch nach unten sorgen.
Nein, "Zusammenbruch" ist keine Anspielung auf die USA, deren Höchstbonität nach der Abstufung durch S&P nun erst einmal Geschichte ist. Dieser Schritt ist für die USA nahezu bedeutungslos, TBonds bleiben die sicherste Anleihe der Welt, die USA sind in ihrer eigenen Währung verschuldet und davon gibt es unendlich viel (wenn es sein muss - siehe QE).
Der Schritt von S&P hat jedoch erhebliche Konsequenzen für Europa. Wenn die Rating-Agentur konsistent und konsequent sein will, muss sie sich nämlich die Ratings einiger anderer Industriestaaten vornehmen. Da kommt dann ziemlich schnell Frankreich ins Visier und dann sofort einige französische und andere europäische Banken, wohl auch einige US-Institute. Angesichts der innerhalb der nächsten 24 Monate zu refinanzierenden 5,4 Bill. Euro, die der kürzlich erfolge Bankenstresstest für 90 europäische Banken ergeben hat, ist das schon in guten Zeiten eine gewaltige Belastung, in schlechten (wie diesen) wahrscheinlich zu viel. Das könnte dazu führen, dass es lange vor einer Staatspleite eine Krise von Banken und Versicherungen gibt.
Die 10jährige TBond-Rendite ist im Laufe dieser Woche auf dem Niveau vom Herbst 2008 gelandet. Die hohe Bewertung dieser Assets legt nahe, dass hier bald zu einer Korrektur kommen könnte. Gleichzeitig warnen die Bond-Märkte aber vor einer schweren Rezession, als Warnschwelle würde ich den Pegel von 3,2% sehen (siehe Chart!).
Ein aktuelles Indiz für eine schwache Verfassung der Realwirtschaft ist das heute herausgekommene (vorläufige) Verbrauchersentiment für August. Der Wert fällt unter das Niveau von Herbst 2008, nur im Frühjahr 1980 wurden noch tiefere Werte erreicht. Natürlich wirkt in der Stimmung des US-Konsumenten das politische Hickhack der US-Politiker über die Heraufsetzung der Schuldengrenze im US-Etat wie auch die Bonitätsabstufung noch nach. Aber das Verbrauchersentiment befand sich schon vorher im Sturzflug, nachdem es im Juni unter eine wichtige Schwelle gerutscht war (siehe Chart!).
Man kann über die Relevanz von Makrodaten für die Kursentwicklung lange streiten, insbesondere angesichts der seit Mitte der 1990er Jahre zunehmenden Liquiditätsflut. Eines ist klar, die "Märkte" fahren auf immer kürzere Sicht, orientieren sind immer weniger "vorausschauend" an makroökonomischen Aussichten. Wie jetzt im "Schuldensündenfall" der USA gesehen, regieren sie immer öfter erst dann, wenn ein Tatbestand partout nicht mehr zu übersehen ist (und dann heftig).
Dass Gold im Zuge des jüngsten Ausbruchs der Schuldenkrise ein neues Allzeithoch vermeldet, ist nicht weiter verwunderlich. Der Goldpreis reagiert sowieso eher auf die Verschuldungsproblematik als auf Preissteigerungen. Aber so lange in den "Märkten" jetzt "Erholung" gespielt wird, dürfte Gold sich von seinen Hochs weiter zurückziehen und seine Überkauftheit abbauen. Übergeordnet, denke ich, wird Gold weiter steigen.
Die angesprochene Seitwärtsspanne im S&P 500 zwischen rund 1.020 und 1.220 könnte schon bald auf die Probe gestellt werden. Zur Stunde fehlen nicht mal 40 Punkte.
Erwähnte Charts können hier eingesehen werden: www.timepatternanalysis.de
© Klaus G. Singer
www.timepatternanalysis.de