Wie Zentralbanken den Goldpreis auf Umwegen hochtreiben
14.08.2011 | Manfred Gburek
Als ich am vergangenen Donnerstag an einem Zeitungsstand vorbeikam und die Schlagzeile der Bild-Zeitung auf Seite eins las, begann ich zu grübeln. "100 Goldbarren zu gewinnen", stand da, das Stück immerhin 20 Gramm schwer. Grübeln deshalb, weil Schlagzeilen im führenden deutschen Boulevardblatt primär die Masse ansprechen sollen, sonst wäre die Bild-Zeitung ja nicht führend. Und die Masse macht bei der Geldanlage, speziell an der Börse, nach bisheriger Erfahrung so gut wie immer alles falsch. Auch jetzt? Immerhin entfernte sich der Goldpreis unmittelbar nach der Bild-Aktion von seinem Hoch.
Um es kurz zu machen: Das Ergebnis der Grübelei hat zu keinen wesentlich neuen Erkenntnissen geführt. Warum, liegt auf der Hand: 1. Auch wenn man das Schlagzeilensignal als Warnung ernst nehmen sollte, überwiegen weiterhin die Argumente, die für Gold sprechen (dazu gleich mehr). 2. Die Bild-Redaktion ist gut beraten, Ereignisse wie die jüngste Rekordjagd des Goldpreises umso präsenter auf ihrer Titelseite auszubreiten, je mehr sie der Masse unter die Haut gehen. Und das trifft auf den Preisanstieg des Edelmetalls zu, abgesehen von dessen mythischer Bedeutung allein schon wegen der Gegenbewegung zu den Aktienkursen und insbesondere, weil das Bewusstsein für die nicht mehr zu bewältigende internationale Schuldenkrise endlich auch in der breiten Bevölkerung angekommen ist. Die sagt sich dann halt, dass Gold der beste Schutz vor Staatsschulden und Papiergeld ist.
Wägen wir also ab, was für und was gegen Gold auf dem aktuellen Preisniveau spricht. Zunächst das Für: wie gerade erwähnt die Schuldenkrise, grenzenlose Geldschwemme weltweit im Gegensatz zum begrenzten Goldangebot, sehr tiefe Nominal- und damit negative Realzinsen, per Saldo Käufe der Zentralbanken, speziell chinesische Käufe (offizielle und private), im Trend - abgesehen von temporären Unterbrechungen - fast stetiger Geldzufluss durch börsengehandelte Fonds (vor allem SPDR Gold Trust), Nachholbedarf an Käufen der Versicherer und Pensionskassen.
Nun das Gegen: Liquiditätsbeschaffung durch Goldverkäufe von Anlegern, die damit anderweitige Verluste (zum Beispiel am Aktienmarkt) kompensieren, zwischenzeitliche Mittelrückflüsse börsengehandelter Fonds, auf China übergreifende Weltrezession, stark zunehmende Altgoldverkäufe, politisch motivierte konzertierte Preismanipulation über Terminmärkte, Verkäufe durch Länder mit hohen offiziellen Goldreserven, wie Italien (laut World Gold Council 2451,8 Tonnen/entsprechend 71,4% der Währungsreserven), Portugal (382,5 Tonnen/84,8%) oder Griechenland (111,5 Tonnen/79,5%).
Wie steht es um die Qualität der Für- und Gegen-Argumente? Beim Für dominieren die starken Argumente mit geringfügigen Ausnahmen. Diese betreffen zeitweise die börsengehandelten Fonds und den möglicherweise nur eingeschränkten Goldappetit der Versicherer und Pensionskassen.
Beim Gegen sind die beiden zuerst genannten Argumente relativ stark, wobei sich Mittelrückflüsse der Fonds, wie erwähnt, aufgrund bisheriger Erfahrungen eher nur zeitlich begrenzt negativ auswirken. Altgoldverkäufe sind zwar im Kommen (im vergangenen Jahr 1657 Tonnen von insgesamt 4253 Tonnen am weltweiten Angebot), ersetzen aber bei stark steigender Nachfrage nur mehr oder weniger das kaum wachsende Angebot der Minen. Preismanipulationen wirken immer nur kurzfristig. Und wenn eines der Länder mit relativ hohen Goldreserven Bestände verkauft, können Sie sicher sein, dass der Deal - anders als bisher vom Internationalen Währungsfonds praktiziert - nicht lange angekündigt wird und dass vor allem potenzielle Käufer unter Führung von China nur darauf warten zuzugreifen.
Die hier genannten sowie einige weitere Für- und Gegen-Argumente wirken sich - bei anhaltendem Aufwärtstrend - natürlich in Schwankungen des Goldpreises aus, wie wir sie gerade erleben und wie sie besonders gern von Hedgefonds genutzt werden. Das muntere Treiben dieser weitgehend unregulierten Fonds hat ja von Seiten Frankreichs, Italiens, Spaniens und Belgiens in einem ersten Schritt zum begrenzten Verbot von Leerverkäufen geführt. Doch das hat nichts mit dem Goldpreis zu tun, sondern ist eine populistische Aktion, um dem eigenen Volk zu demonstrieren, dass man es den ach so bösen Spekulanten mal richtig gegeben habe - Erfolg gleich Null, ebenso wie nach dem kürzlichen Geschimpfe von US-Präsident Barack Obama auf den Euro.
Beides, die Aktion und die Schimpfkanonade, lenkt vom Mangel an politischer Führung ab. Und ausgerechnet deren zurzeit besonders wichtige Sparte, die Fiskalpolitik, ist inzwischen zu einem erheblichen Teil auf die Zentralbanken übergegangen. Denn die kaufen Staatsanleihen auf und übernehmen damit die Finanzierung von Defiziten angeschlagener Länder. Das gilt gleichermaßen für die Euro-Länder wie auch für die USA.
Wenn das so weiter geht, dürfte schon bald die Zeit gekommen sein, in der die Zentralbanken sich endgültig zwischen der Stabilität des Geldwerts und der Funktionsfähigkeit der Finanzmärkte entscheiden müssen. Aktuell bevorzugen sie die zweite Alternative. Würden sie zur ersten überwechseln, etwa indem sie der Geldschwemme Einhalt gebieten und den Kauf von Staatsanleihen reduzieren oder sogar stoppen, käme es zu einem Crash an den Finanzmärkten, gegen den der jüngste Einbruch der Aktienkurse sich wie ein laues Lüftchen ausnähme.
Fazit: Die Bemühungen um die Erhaltung der Geldwertstabilität weichen zunehmend den Versuchen zur Rettung der Finanzmärkte. Das kann dauerhaft nur auf Kosten der Kaufkraft bzw. des Werts betroffener Währungen gehen, vorrangig Euro und Dollar. Achten Sie diesbezüglich auf die für den 18. August zur Veröffentlichung vorgesehenen Daten und Kommentare zur US-Inflation.
Am Ende führt also kein Weg an der - üblicherweise als Inflation bezeichneten - Teuerung vorbei. Das hat der Goldpreis mit seinem Anstieg in neue Dimensionen zum Teil vorweggenommen, aber längst noch nicht ganz. Schlimmstenfalls wird er zwischenzeitlich heftig schwanken, spätestens dann, wenn die Aktienkurse nach ihrer Erholung vom Freitag und weiteren Schwankungen einen Boden gefunden haben, sodass Anleger vorübergehend Aktien bevorzugen. Eines steht jedenfalls fest: Die Bild-Zeitung wird noch eine ganze Reihe von Anlässen haben, das Thema Gold auf ihre Titelseite zu heben. Erst beim zehnten oder zwölften Mal von nun an wird der Goldpreis heiß gelaufen sein.
© Manfred Gburek
www.gburek.eu
Herr Gburek ist Fachjournalist und Buchautor. Seine letzten Werke waren: "Das Goldbuch" (2005), das Wörterbuch "Geld und Gold klipp und klar von A bis Z" (2007) und "Die 382 dümmsten Sprüche der Banker" (2008).
Um es kurz zu machen: Das Ergebnis der Grübelei hat zu keinen wesentlich neuen Erkenntnissen geführt. Warum, liegt auf der Hand: 1. Auch wenn man das Schlagzeilensignal als Warnung ernst nehmen sollte, überwiegen weiterhin die Argumente, die für Gold sprechen (dazu gleich mehr). 2. Die Bild-Redaktion ist gut beraten, Ereignisse wie die jüngste Rekordjagd des Goldpreises umso präsenter auf ihrer Titelseite auszubreiten, je mehr sie der Masse unter die Haut gehen. Und das trifft auf den Preisanstieg des Edelmetalls zu, abgesehen von dessen mythischer Bedeutung allein schon wegen der Gegenbewegung zu den Aktienkursen und insbesondere, weil das Bewusstsein für die nicht mehr zu bewältigende internationale Schuldenkrise endlich auch in der breiten Bevölkerung angekommen ist. Die sagt sich dann halt, dass Gold der beste Schutz vor Staatsschulden und Papiergeld ist.
Wägen wir also ab, was für und was gegen Gold auf dem aktuellen Preisniveau spricht. Zunächst das Für: wie gerade erwähnt die Schuldenkrise, grenzenlose Geldschwemme weltweit im Gegensatz zum begrenzten Goldangebot, sehr tiefe Nominal- und damit negative Realzinsen, per Saldo Käufe der Zentralbanken, speziell chinesische Käufe (offizielle und private), im Trend - abgesehen von temporären Unterbrechungen - fast stetiger Geldzufluss durch börsengehandelte Fonds (vor allem SPDR Gold Trust), Nachholbedarf an Käufen der Versicherer und Pensionskassen.
Nun das Gegen: Liquiditätsbeschaffung durch Goldverkäufe von Anlegern, die damit anderweitige Verluste (zum Beispiel am Aktienmarkt) kompensieren, zwischenzeitliche Mittelrückflüsse börsengehandelter Fonds, auf China übergreifende Weltrezession, stark zunehmende Altgoldverkäufe, politisch motivierte konzertierte Preismanipulation über Terminmärkte, Verkäufe durch Länder mit hohen offiziellen Goldreserven, wie Italien (laut World Gold Council 2451,8 Tonnen/entsprechend 71,4% der Währungsreserven), Portugal (382,5 Tonnen/84,8%) oder Griechenland (111,5 Tonnen/79,5%).
Wie steht es um die Qualität der Für- und Gegen-Argumente? Beim Für dominieren die starken Argumente mit geringfügigen Ausnahmen. Diese betreffen zeitweise die börsengehandelten Fonds und den möglicherweise nur eingeschränkten Goldappetit der Versicherer und Pensionskassen.
Beim Gegen sind die beiden zuerst genannten Argumente relativ stark, wobei sich Mittelrückflüsse der Fonds, wie erwähnt, aufgrund bisheriger Erfahrungen eher nur zeitlich begrenzt negativ auswirken. Altgoldverkäufe sind zwar im Kommen (im vergangenen Jahr 1657 Tonnen von insgesamt 4253 Tonnen am weltweiten Angebot), ersetzen aber bei stark steigender Nachfrage nur mehr oder weniger das kaum wachsende Angebot der Minen. Preismanipulationen wirken immer nur kurzfristig. Und wenn eines der Länder mit relativ hohen Goldreserven Bestände verkauft, können Sie sicher sein, dass der Deal - anders als bisher vom Internationalen Währungsfonds praktiziert - nicht lange angekündigt wird und dass vor allem potenzielle Käufer unter Führung von China nur darauf warten zuzugreifen.
Die hier genannten sowie einige weitere Für- und Gegen-Argumente wirken sich - bei anhaltendem Aufwärtstrend - natürlich in Schwankungen des Goldpreises aus, wie wir sie gerade erleben und wie sie besonders gern von Hedgefonds genutzt werden. Das muntere Treiben dieser weitgehend unregulierten Fonds hat ja von Seiten Frankreichs, Italiens, Spaniens und Belgiens in einem ersten Schritt zum begrenzten Verbot von Leerverkäufen geführt. Doch das hat nichts mit dem Goldpreis zu tun, sondern ist eine populistische Aktion, um dem eigenen Volk zu demonstrieren, dass man es den ach so bösen Spekulanten mal richtig gegeben habe - Erfolg gleich Null, ebenso wie nach dem kürzlichen Geschimpfe von US-Präsident Barack Obama auf den Euro.
Beides, die Aktion und die Schimpfkanonade, lenkt vom Mangel an politischer Führung ab. Und ausgerechnet deren zurzeit besonders wichtige Sparte, die Fiskalpolitik, ist inzwischen zu einem erheblichen Teil auf die Zentralbanken übergegangen. Denn die kaufen Staatsanleihen auf und übernehmen damit die Finanzierung von Defiziten angeschlagener Länder. Das gilt gleichermaßen für die Euro-Länder wie auch für die USA.
Wenn das so weiter geht, dürfte schon bald die Zeit gekommen sein, in der die Zentralbanken sich endgültig zwischen der Stabilität des Geldwerts und der Funktionsfähigkeit der Finanzmärkte entscheiden müssen. Aktuell bevorzugen sie die zweite Alternative. Würden sie zur ersten überwechseln, etwa indem sie der Geldschwemme Einhalt gebieten und den Kauf von Staatsanleihen reduzieren oder sogar stoppen, käme es zu einem Crash an den Finanzmärkten, gegen den der jüngste Einbruch der Aktienkurse sich wie ein laues Lüftchen ausnähme.
Fazit: Die Bemühungen um die Erhaltung der Geldwertstabilität weichen zunehmend den Versuchen zur Rettung der Finanzmärkte. Das kann dauerhaft nur auf Kosten der Kaufkraft bzw. des Werts betroffener Währungen gehen, vorrangig Euro und Dollar. Achten Sie diesbezüglich auf die für den 18. August zur Veröffentlichung vorgesehenen Daten und Kommentare zur US-Inflation.
Am Ende führt also kein Weg an der - üblicherweise als Inflation bezeichneten - Teuerung vorbei. Das hat der Goldpreis mit seinem Anstieg in neue Dimensionen zum Teil vorweggenommen, aber längst noch nicht ganz. Schlimmstenfalls wird er zwischenzeitlich heftig schwanken, spätestens dann, wenn die Aktienkurse nach ihrer Erholung vom Freitag und weiteren Schwankungen einen Boden gefunden haben, sodass Anleger vorübergehend Aktien bevorzugen. Eines steht jedenfalls fest: Die Bild-Zeitung wird noch eine ganze Reihe von Anlässen haben, das Thema Gold auf ihre Titelseite zu heben. Erst beim zehnten oder zwölften Mal von nun an wird der Goldpreis heiß gelaufen sein.
© Manfred Gburek
www.gburek.eu
Herr Gburek ist Fachjournalist und Buchautor. Seine letzten Werke waren: "Das Goldbuch" (2005), das Wörterbuch "Geld und Gold klipp und klar von A bis Z" (2007) und "Die 382 dümmsten Sprüche der Banker" (2008).