Aktien proben Weltuntergang
21.08.2011 | Klaus Singer
Am Donnerstag fielen US- und insbesondere europäische Aktien wieder massiv. Am Vortag waren die großen US-Indices daran gescheitert, ihre EMA14-Linien zu überwinden. Natürlich gab es auch sogleich Nachrichten, die als Anlass dienten, Gewinne vom Tisch zu nehmen. Schließlich wurde es jedoch am Börsenausgang eng, es brach Panik aus - der US-Angstmesser VIX stieg über seine derzeitige Panikschwelle bei 36,50.
Nachrichten, die den Verkaufsdruck verstärkten, waren: Der Philly-Fed-Index sinkt im August auf minus 30,7, nachdem er im Juli noch bei plus 3,2 gelegen hatte. Der Index wird gerne als Vorbote für den wichtigeren landesweiten ISM-Index genommen, der die Stimmung der US-Einkäufer misst. Dieser war im Juli auf 50,5 gefallen. Bei 50 verläuft die Scheidelinie zwischen Expansion und Kontraktion. Mit dem Kollaps des Philly-Fed-Index befürchtet man nun, dass der ISM-Index demnächst bei deutlich unter 50 notieren wird. Und das heizt Befürchtungen an, die US-Wirtschaft könne in eine Rezession abgleiten.
Des weiteren wurde bekannt, dass amerikanische Bankaufseher die Liquiditätsausstattung europäischer Banken in Amerika untersuchen. US-Geldmarktfonds hatten bei ihnen im Juni 96 und im Juli 340 Mrd. Euro abgezogen. Die US-Niederlassungen europäischer Banken gelten als besonders anfällig, sie haben zumeist keine Einlagen von Privatkunden. Das heizte die Sorgen um die Stabilität des europäischen Bankensystems insgesamt an. Deren Aktien sind zurzeit billig zu haben - sie könnten noch deutlich billiger werden. Einerseits als Folge der europäischen Staatsschuldenkrise, andererseits als indirekte Folge der Abstufung der US-Bonität.
Die Sorgen sind seit Wochen/Monaten die gleichen. Die Politik erweist sich als unfähig, die"Märkte" zu beruhigen. Die fordern in Europa die Einführung von Eurobonds, Merkel und Sarkozy legen sich mal mehr, mal weniger quer. Da kein Ende dieser Gemengelage aus Unfähigkeit der Politik, Schuldenproblematik und nachlassender Konjunkturerholung in Sicht ist, werden Aktien massiv verkauft. TBonds und auch erstklassische europäische Staatsanleihen sind gesucht, bei Gold gibt es Kaufpanik. Die langen US-Renditen notieren aktuell auf dem Stand von Herbst 2008.
Wie ist es um die "Gesundheit" der US-Wirtschaft bestellt? Das Gesamtbild zeigt eine Konjunkturerholung, die praktisch zum Stillstand gekommen ist. Der konjunkturelle Gipfel scheint erreicht, ein Abschwung steht an. Wird daraus eine Rezession? Die Wahrscheinlichkeit würde ich, alle Aspekte zusammengenommen, aktuell auf knapp 50% taxieren. Die Beziehung der unterschiedlichen Renditelaufzeiten zueinander zeigt ebenfalls noch eine Wahrscheinlichkeit unter 50% an. Das bezogen auf die Höhe der Gesamtverschuldung zu geringe Wirtschaftswachstum trägt jedoch wesentlich dazu bei, dass die Situation schnell entgleisen kann. Im Blog finden Sie das detaillierte Bild: "Realitätscheck US-Wirtschaft August 2011".
Zur konjunkturellen Unsicherheit kommt hinzu, dass sich mit den Quartalszahlen des zurückliegenden Quartals immer mehr Marktteilnehmer fragen, was jetzt noch kommen soll. Mit den aktuellen US-Inflationsdaten wird das Augenmerk nun auch wieder darauf gerichtet, wie viel an den Quartalszahlen dabei der Inflation geschuldet ist. Steigende Preise stützen Aktienkurse - zumindest zu Beginn eines Preisauftriebs und so lange die Inflation unter Jahresraten von rund fünf % bleibt. Anleger, die steigende Preise, bzw. die Entwertung von Geldvermögen erwarten, forcieren Käufe von Sachanlagen. Geläufiges Beispiel ist die Absicherung durch Immobilienbesitz. Aktien sind ebenfalls Sachanlagen.
Allerdings wachsen auch hier die Bäume nicht in den Himmel - irgendwann kommt das Erwachen aus der "Inflations-Illusion" und dann wird hinterfragt, ob die gestiegenen Aktienwerte "real" oder nur "nominal" sind. Ich denke, genau das war (auch) ein Anlass für den rasanten Abverkauf von Aktien zuletzt. Die Unternehmensberichte für das zurückliegende Quartal offerierten nicht mehr genügend Phantasie, um auf weitere solide (reale) Gewinn- und Umsatzsteigerungen zu wetten. (Zum Thema "Inflations-Illusion" im Blog: "Inflation - Sein oder Schein")
Die aktuellen Inflationsdaten werden auch wieder die zuletzt etwas abgeebbte Diskussion anheizen, ob Inflation nicht geeignet ist, die Volkswirtschaften der entwickelten Industrieländer zu revitalisieren. QE2 hatte sich genau dieses Ziel auf die Fahnen geschrieben, der Erfolg sieht nun mehr als mäßig aus. Trotzdem dürfte die Fed mit einer weiteren Runde des "quantitative easing" aufwarten, wenn es noch härter kommt. Das absolute worst-case-Szenario aus Sicht der Fed dürfte sein, dass die 10-jährigen Zinsen im Rahmen eines nachhaltigen Abverkaufs von TBonds über rund 3,2% hinaus steigen und die Wirtschaft gleichzeitig keine Erholungszeichen zeigt. (Hierzu im Blog: Inflation als Konjunkturstütze - kommt neues QE-Programm)
Was die Aktienkurse angeht, so kommt es im S&P500 entscheidend darauf an, dass der Pegel bei rund 1.120 hält. Er ist gleich mehrfach wichtig: Erstens war das vor einigen Tagen der Tiefpunkt. Zweitens verläuft hier das 50er Retracement der Spanne zwischen dem Hoch aus Oktober 2007 und Tief aus März 2009. Drittens liegt knapp darunter das 38er Retracement des Bull-Runs zwischen März 2009 und April/Mai 2010 (siehe Chart!).
Beim DAX ist festzustellen, dass er heute intraday das 38er Retracement seines zurückliegenden Bull-Runs bei 5.360 "ganz aus der Nähe betrachtet hat" und sich davon zur Stunde deutlich absetzen kann (siehe Chart!).
Ganz kurzfristig müssen sich die Nebel des heutigen Hexensabbats bei Aktien verziehen. Wenn man über den Aktien-Tellerrand hinaus blickt, so fällt auf, dass Währungen z.B. kaum reagiert haben. Weder erstarkt der Dollar-Index signifikant, noch zeigen Euro und Dollar gegen Yen deutliche Schwäche. In (früheren) Krisenzeiten gab es hier deutliche und auch länger anhaltende Reaktionen.
Erwähnte Charts und Beiträge können hier eingesehen werden: www.timepatternanalysis.de/Blog/.
© Klaus G. Singer
www.timepatternanalysis.de
Nachrichten, die den Verkaufsdruck verstärkten, waren: Der Philly-Fed-Index sinkt im August auf minus 30,7, nachdem er im Juli noch bei plus 3,2 gelegen hatte. Der Index wird gerne als Vorbote für den wichtigeren landesweiten ISM-Index genommen, der die Stimmung der US-Einkäufer misst. Dieser war im Juli auf 50,5 gefallen. Bei 50 verläuft die Scheidelinie zwischen Expansion und Kontraktion. Mit dem Kollaps des Philly-Fed-Index befürchtet man nun, dass der ISM-Index demnächst bei deutlich unter 50 notieren wird. Und das heizt Befürchtungen an, die US-Wirtschaft könne in eine Rezession abgleiten.
Des weiteren wurde bekannt, dass amerikanische Bankaufseher die Liquiditätsausstattung europäischer Banken in Amerika untersuchen. US-Geldmarktfonds hatten bei ihnen im Juni 96 und im Juli 340 Mrd. Euro abgezogen. Die US-Niederlassungen europäischer Banken gelten als besonders anfällig, sie haben zumeist keine Einlagen von Privatkunden. Das heizte die Sorgen um die Stabilität des europäischen Bankensystems insgesamt an. Deren Aktien sind zurzeit billig zu haben - sie könnten noch deutlich billiger werden. Einerseits als Folge der europäischen Staatsschuldenkrise, andererseits als indirekte Folge der Abstufung der US-Bonität.
Die Sorgen sind seit Wochen/Monaten die gleichen. Die Politik erweist sich als unfähig, die"Märkte" zu beruhigen. Die fordern in Europa die Einführung von Eurobonds, Merkel und Sarkozy legen sich mal mehr, mal weniger quer. Da kein Ende dieser Gemengelage aus Unfähigkeit der Politik, Schuldenproblematik und nachlassender Konjunkturerholung in Sicht ist, werden Aktien massiv verkauft. TBonds und auch erstklassische europäische Staatsanleihen sind gesucht, bei Gold gibt es Kaufpanik. Die langen US-Renditen notieren aktuell auf dem Stand von Herbst 2008.
Wie ist es um die "Gesundheit" der US-Wirtschaft bestellt? Das Gesamtbild zeigt eine Konjunkturerholung, die praktisch zum Stillstand gekommen ist. Der konjunkturelle Gipfel scheint erreicht, ein Abschwung steht an. Wird daraus eine Rezession? Die Wahrscheinlichkeit würde ich, alle Aspekte zusammengenommen, aktuell auf knapp 50% taxieren. Die Beziehung der unterschiedlichen Renditelaufzeiten zueinander zeigt ebenfalls noch eine Wahrscheinlichkeit unter 50% an. Das bezogen auf die Höhe der Gesamtverschuldung zu geringe Wirtschaftswachstum trägt jedoch wesentlich dazu bei, dass die Situation schnell entgleisen kann. Im Blog finden Sie das detaillierte Bild: "Realitätscheck US-Wirtschaft August 2011".
Zur konjunkturellen Unsicherheit kommt hinzu, dass sich mit den Quartalszahlen des zurückliegenden Quartals immer mehr Marktteilnehmer fragen, was jetzt noch kommen soll. Mit den aktuellen US-Inflationsdaten wird das Augenmerk nun auch wieder darauf gerichtet, wie viel an den Quartalszahlen dabei der Inflation geschuldet ist. Steigende Preise stützen Aktienkurse - zumindest zu Beginn eines Preisauftriebs und so lange die Inflation unter Jahresraten von rund fünf % bleibt. Anleger, die steigende Preise, bzw. die Entwertung von Geldvermögen erwarten, forcieren Käufe von Sachanlagen. Geläufiges Beispiel ist die Absicherung durch Immobilienbesitz. Aktien sind ebenfalls Sachanlagen.
Allerdings wachsen auch hier die Bäume nicht in den Himmel - irgendwann kommt das Erwachen aus der "Inflations-Illusion" und dann wird hinterfragt, ob die gestiegenen Aktienwerte "real" oder nur "nominal" sind. Ich denke, genau das war (auch) ein Anlass für den rasanten Abverkauf von Aktien zuletzt. Die Unternehmensberichte für das zurückliegende Quartal offerierten nicht mehr genügend Phantasie, um auf weitere solide (reale) Gewinn- und Umsatzsteigerungen zu wetten. (Zum Thema "Inflations-Illusion" im Blog: "Inflation - Sein oder Schein")
Die aktuellen Inflationsdaten werden auch wieder die zuletzt etwas abgeebbte Diskussion anheizen, ob Inflation nicht geeignet ist, die Volkswirtschaften der entwickelten Industrieländer zu revitalisieren. QE2 hatte sich genau dieses Ziel auf die Fahnen geschrieben, der Erfolg sieht nun mehr als mäßig aus. Trotzdem dürfte die Fed mit einer weiteren Runde des "quantitative easing" aufwarten, wenn es noch härter kommt. Das absolute worst-case-Szenario aus Sicht der Fed dürfte sein, dass die 10-jährigen Zinsen im Rahmen eines nachhaltigen Abverkaufs von TBonds über rund 3,2% hinaus steigen und die Wirtschaft gleichzeitig keine Erholungszeichen zeigt. (Hierzu im Blog: Inflation als Konjunkturstütze - kommt neues QE-Programm)
Was die Aktienkurse angeht, so kommt es im S&P500 entscheidend darauf an, dass der Pegel bei rund 1.120 hält. Er ist gleich mehrfach wichtig: Erstens war das vor einigen Tagen der Tiefpunkt. Zweitens verläuft hier das 50er Retracement der Spanne zwischen dem Hoch aus Oktober 2007 und Tief aus März 2009. Drittens liegt knapp darunter das 38er Retracement des Bull-Runs zwischen März 2009 und April/Mai 2010 (siehe Chart!).
Beim DAX ist festzustellen, dass er heute intraday das 38er Retracement seines zurückliegenden Bull-Runs bei 5.360 "ganz aus der Nähe betrachtet hat" und sich davon zur Stunde deutlich absetzen kann (siehe Chart!).
Ganz kurzfristig müssen sich die Nebel des heutigen Hexensabbats bei Aktien verziehen. Wenn man über den Aktien-Tellerrand hinaus blickt, so fällt auf, dass Währungen z.B. kaum reagiert haben. Weder erstarkt der Dollar-Index signifikant, noch zeigen Euro und Dollar gegen Yen deutliche Schwäche. In (früheren) Krisenzeiten gab es hier deutliche und auch länger anhaltende Reaktionen.
Erwähnte Charts und Beiträge können hier eingesehen werden: www.timepatternanalysis.de/Blog/.
© Klaus G. Singer
www.timepatternanalysis.de