Interview mit Gerald Celente (Teil 2)
17.05.2013 | Presse
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Daily Bell: Wäre es im Umfeld dieser Papierspiele nicht auch möglich, dass die Zentralbanker selbst schwer in Misskredit geraten? Gerald Celente: Aber wer sollte sie den diskreditieren? Wenn da nicht mehr passiert, werden die Menschen es nicht durchschauen. Noch nicht. Zudem geht das Volk auch erst dann auf die Straße, wenn es sie in der Magengegend trifft. Und selbst in den schwer depressionsgeplagten Ländern Europas (Spanien, Irland, Portugal und Griechenland) hat der Wille zum Kampf gegen die rigiden Spar- und Ausgabemaßnahmen, mit denen das Volk ausgeraubt wird, um die Banker auszuzahlen, noch kein revolutionäres Niveau erreicht.
Die große Nachricht am 1.Mai war, dass die Gewerkschaften und andere Demonstranten das Geschäftsleben in Griechenland praktisch zum Erliegen brachten. Ein großes Ding. Am nächsten Tag war alles schon wieder beim Alten.
Aber das Modell für eine erfolgreiche friedliche Revolution existiert.
Ich nenne es das “Berliner-Mauer-Modell”. Nach jahrzehntelanger Repression gingen die Menschen schließlich zur Mauer und auf die Straßen - tage- und wochenlang - und sie gingen solange nicht wieder nach Hause, bis die Berliner Mauer gefallen war.
Aber auch das war wiederum nur ein Protest. Ein Staatsapparat wurde durch einen anderen ausgetauscht. Er war viel besser, als der der ausgetauscht wurde, aber immer noch weit entfernt von einer Erfüllung der Ideale und Ideen der Demonstranten an der Berliner Mauer. Es muss schon mehr als ein Protest sein. Es muss eine "Bewegung" geben mit definierten Zielen und Entwürfen.
Daily Bell: Funktioniert Austerität?
Gerald Celente: Ja sicher, sie funktioniert bestens. Sie ist zum Erfolg geworden. Sie treibt die Menschen in die Armut und macht die Banker reicher. Sie funktioniert perfekt, genau wie geplant. Die Banken verlieren schlechte Wetten und die Öffentlichkeit wurde gezwungen, dafür zu zahlen.
Die Regierungen haben dem Volk praktisch das Geld geraubt, der Lebensstandard der Menschen sank, sie verloren ihre Häuser und ihre Arbeit. Das nennt man “Demokratie".
Ohne Dach über den Köpfen sehen sich nun viele gezwungen, draußen auf der Straße zu leben. Sie haben keine Zukunft. Die Regierungen senken die Renten und Leistungen, heben das Rentenalter über das Todesalter, aber bei den Banken läuft es ganz gut. Sie blühen auf und das EINE % wird immer reicher. Somit hat es also genauso funktioniert, wie es funktionieren sollte.
Gestern stand ein Artikel in der Financial Times mit einem großen Beitrag über Irland, darüber, wie eine irische Frau, die im Europäischen Parlament ist, mit Hilfe des Informationsfreiheitsgesetzes an jene Berichte gelangte, die zeigen, wie sich Hedgefonds und Banker mit den irischen Politikern im Verlauf der Krise trafen.
In den Berichten ist genau dokumentiert, dass die Finanziers alles bekamen, was sie sich wünschten. Für die Geldwechsler sind Politiker nur noch Kleinmafiosi. Das ist eine Mafia.
Es gibt zwei Mafias: die Militär-Mafia und die Geldwechslermafia. Alle Politiker sind Kleinmafiosi, sie sind die Strohmänner und -frauen, die machen, was ihnen gesagt wird.
Mit 23 Jahren war ich übrigens Assistent für die oberste Senatsverwaltung des Bundesstaates New York. Ich war leitender staatlicher Spezialist für die chemische Industrie - in den 70ern in DC. Einer meiner Hauptautoren für das Trends Journal ist Dr. Paul Craig Roberts, ehemaliger stellvertretender Finanzminister unter Reagan.
Es ist also nicht so, als wüssten wir nicht, was dort vor sich geht oder als wären wir nie selbst dort gewesen. Meine Arbeit dort in Albany war die schlimmste, die ich jemals hatte. Den ganzen Tag über sah ich, wie erwachsene Männer und Frauen sich ihren Weg an die Spitze zu schleimen versuchten, ein widerliches Spektakel. Das ging nicht lange. Ich hasste es. Und so sind die Leute dort. Kleine Jungs und kleine Mädchen, die machen, was ihnen gesagt wird. Wie gesagt: Wir haben keine repräsentative Regierung. Die Politiker repräsentieren nur die Mächtigsten und die mit dem meisten Geld.
Daily Bell: Haben die “Libertarians” Recht, wenn sie meinen, die Wirtschaften dieser Welt bräuchten mehr Freiheit und weniger anleitende Führung.
Gerald Celente: Meinen Sie die Freiheit, unsichere Fabriken in Bangladesch zu bauen, die einstürzen und über eintausend Menschen töten, oder Düngerfabriken in Texas, die explodieren und eine Stadt auslöschen?
Nein, wir brauchen Ampeln und Stop-Zeichen. Ich glaube an Regulierung, wenn fehlende Regulierung in ein totales Desaster mündet. Ich befürworte keine Gesetze, mit denen der Staat in die Privatleben eindringt.
Das Glass-Steagall-Act funktioniert beispielsweise ausgezeichnet. Man sieht ja, was passierte, als es aufgehoben wurde. Es beschränkte Bankenkorruption, Spekulation und Monopole.