Goldmarkt-Dynamiken
01.06.2013 | John Browne
Wie sehr grundlegende Marktkräfte falsch verstanden werden, zeigt sich bis zu einem gewissen Grad daran, dass die Finanzmedien nicht weiter auf die unterschiedlichen Beweggründe und Überzeugungen der aktiven Goldmarktakteure eingegangen sind. Analysten behandeln den Goldmarkt so, als bestünde er nur aus einem Investorentyp, und deshalb wurden auch falsche Schlüsse aus der jüngsten Volatilität gezogen.
Grob gesagt besteht der Goldmarkt einerseits aus langfristigen Investoren - zu denen in erster Linie Privatpersonen zählen, die glauben, Gold sei ein besserer Wertspeicher besser als Fiat-Währung - und andererseits aus kurzfristig denkenden und handelnden Tradern – in erster Linie Finanzprofis, die ihre Positionen am Marktmomentum auszurichten versuchen. Diese Gruppen investieren mit verschiedenen Zeithorizonten und unterschiedlichen Zielen. Die langfristig Ausgerichteten sehen Gold eher als Inflationsschutz und als Absicherung gegen unsichere Finanzmärkte. Häufig kaufen sie Papiergold (in Form von ETF-Anteilen) als auch physisches Gold (in Form von Münzen, Barren und in manchen Fällen auch Schmuck). Der physische Markt unterteilt sich in diese kleineren Käufer und in die physisch kaufenden Zentralbanken, die Gold als nationale Währungsreserve erwerben.
Die kurzfristig agierenden Markteilnehmer, wie Hedgefonds, Investmentfonds und institutionelle Day-Trader, reagieren in der Regel viel sensibler auf Trends und technische Analyse. Wer als Trader vor dicht am Vermögenspreistrend bleiben will (davor oder dahinter), muss schnell Entscheidungen treffen und diese präzise umsetzen. Zu diesem Zweck kauft die überwiegende Mehrheit dieser Akteure auch Gold in Form von leicht handelbaren ETF-Anteilen. In den letzten 10 Jahren hat sich beim Gold ein so deutliches Aufwärtsmomentum ausgebildet, dass es von diesen Tradern einfach nicht ignoriert werden durfte. Um an diesem Markt Gewinne zu machen, mussten die Teilnehmer nicht wirklich verstehen, warum Gold eigentlich stieg. Ein einfaches Verständnis von Chart-Dynamiken war dafür ausreichend.
Kurzfristige Trader halten dabei in der Regel auch die Aktivitäten der führenden Institutionen genau im Blick. Wenn sie das Gefühl bekommen, dass sich die Stimmung unter den großen Marktakteuren dreht, folgen sie diesem erwarteten Momentum. Am 10.April dieses Jahres korrigierte Goldman Sachs die eigene Goldprognose für 2013 erheblich nach unten. Am Freitag derselben Woche sank der Goldkurs dann stark; und am 15.April hatte Gold seinen stärksten Tagesverlust seit 30 Jahren zu verzeichnen. Im Gold-ETF “GLD” wurden an diesem Tag 93 Millionen Anteile gehandelt, der Durchschnitt lag zuvor bei ca.14 Millionen. Die Kursverluste bewirkten, dass viele Gold-ETFs schließlich große Goldmengen liquidierten.
Auch wenn für große Institutionen eher das Momentum am Goldmarkt ausschlaggebend ist, so blieben dennoch auch die Ängste bezüglich Inflation und wirtschaftlicher Unsicherheit für sie ein Faktor. Viele haben diese Ängste aber jetzt aufgegeben. Beim negativen Fazit zum Thema Gold berief sich die Goldman Sachs auf weltweit niedrige Inflationszahlen und starke Kursgewinne an den Aktienmärkten in den USA und Japan; diese Faktoren wurden als Gründe vorgebracht, dass das Goldbullenmarkthoch möglicherweise schon erreicht worden sei. Dieses Fazit wurde aber etwas zu hastig gezogen.
Wenn Mainstream-Analysten einen Rückgang der Inflationsgefahr feststellen, dann blenden sie dabei aus, dass die Billionen Dollars aus den quantitativen Lockerungsprogrammen (QE) weiterhin in Form von Bankeneinlagen gehortet werden. Die Geldumlaufgeschwindigkeit, ein nicht unerheblicher Faktor für steigende Preise, blieb im Allgemeinen niedrig. Erst wenn die Banken dieses Geld verleihen (und normalerweise durch das Mindestreservesystem auch hebeln), wird es auch zum Geldangebot, wodurch es auch aktiv die Preise in die Höhe treibt. Obwohl QE das Risiko zukünftiger Inflation, und sogar Hyperinflation, entstehen lässt, so bleibt es doch ein latentes Risiko. Wie wir zudem schon häufig erwähnt hatten, verbergen die offiziellen staatlichen Statistiken in der Tendenz das wahre Ausmaß von Preissteigerungen. Angesichts niedriger Inflationszahlen und QE-getriebener Aktien- und Anleihemärkte, die fast täglich auf neue Hochs klettern, verkauften Marktteilnehmer, die sich gegen Inflation absicherten, Gold und schichteten das Kapital in Aktien- und Anleihemärkte und sogar in Immobilien um. Der jüngste Selloff bei japanischen Aktien und Anleihen könnte nun aber ein Hinweis darauf sein, dass auch diese Erwartungen ihre Grenzen haben.
In China und Indien steigt hingegen die Nachfrage nach physischem Gold weiterhin an; Zentralbanken stockten unterdessen ihre Goldreserven unterm Strich um 109,2 Tonnen im 1. Quartal 2013 auf. Selbst in den USA war die Goldschmucknachfrage zum ersten Mal seit dem 3. Quartal 2005 wieder gestiegen. Die globale Nachfrage nach Goldmünzen und -barren stieg zudem im Jahresvergleich um 10%. Die US Mint kündigte zudem an, sie werde den ausgesetzten Verkauf von 1/10-Unzen wieder aufnehmen. American Eagles lagen bei 40% über dem Spotpreis. Trotz dieser starken, physischen Goldnachfrage erlebten die ETF im 1.Quartal 2013 einen Abfluss von 176,9 Tonnen. Hieran sieht man, dass sich eine Trennung zwischen langfristigen, physischen Goldinvestoren und kurzfristigen Gold-Tradern vollzieht.
Letzte Woche erwähnte Fed-Chef Ben Bernanke ein mögliches „Auslaufen“ der massiven Fed-QE-Programme von 85 Mrd. $/ Monat, sollte sich die wirtschaftliche Situation weiterhin verbessern. Allein die Erwähnung einer QE-Reduzierung reichte aber schon, um die Aktienmärkte ins Wanken zu bringen. Höchstwahrscheinlich stärkten diese Marktturbulenzen den Einfluss der geldpolitischen Tauben im Offenmarktausschuss der Fed. Die Fed kann sich kaum Hoffnungen machen, dass sich die Aktien- und Anleihemärkte von selbst in diesen Höhen halten können, wenn ihnen diese Unterstützung der Fed entzogen wird. Und das deutet auf wirklich grenzenloses QE hin.
Da auch die Zentralbanken Japans, Englands und der EU diesem Beispiel mit eigenen, beispiellosen QE-Programmen zu folgen scheinen, muss man den Eindruck gewinnen, dass diese Aussicht auf QE-Kürzungen - die den Kursverlusten beim Gold Vortrieb leistet - wohl eher unbegründet ist. Ich würde viel eher davon ausgehen, dass noch größere Fiat-Geldströme dafür sorgen werden, dass die Kurse an den Aktien- und Anleihemärkten weiterhin steigen und die Zinssätze und der Wert von Währungen weiterhin sinken werden. Die Dynamiken an den physischen Märkten scheinen dafür zu sprechen, dass viele kleinere Investoren diese Meinung teilen. Daraus könnten wir schließen, dass die Gesamtstimmung gegenüber dem Goldmarkt bei Weitem nicht so negativ ist, wie man uns in letzter Zeit weisgemacht hat.
© John Browne
Senior Market Strategist
Der Artikel wurde am 29.05.2013 auf www.safehaven.com veröffentlicht und exklusiv für GoldSeiten übersetzt.
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Grob gesagt besteht der Goldmarkt einerseits aus langfristigen Investoren - zu denen in erster Linie Privatpersonen zählen, die glauben, Gold sei ein besserer Wertspeicher besser als Fiat-Währung - und andererseits aus kurzfristig denkenden und handelnden Tradern – in erster Linie Finanzprofis, die ihre Positionen am Marktmomentum auszurichten versuchen. Diese Gruppen investieren mit verschiedenen Zeithorizonten und unterschiedlichen Zielen. Die langfristig Ausgerichteten sehen Gold eher als Inflationsschutz und als Absicherung gegen unsichere Finanzmärkte. Häufig kaufen sie Papiergold (in Form von ETF-Anteilen) als auch physisches Gold (in Form von Münzen, Barren und in manchen Fällen auch Schmuck). Der physische Markt unterteilt sich in diese kleineren Käufer und in die physisch kaufenden Zentralbanken, die Gold als nationale Währungsreserve erwerben.
Die kurzfristig agierenden Markteilnehmer, wie Hedgefonds, Investmentfonds und institutionelle Day-Trader, reagieren in der Regel viel sensibler auf Trends und technische Analyse. Wer als Trader vor dicht am Vermögenspreistrend bleiben will (davor oder dahinter), muss schnell Entscheidungen treffen und diese präzise umsetzen. Zu diesem Zweck kauft die überwiegende Mehrheit dieser Akteure auch Gold in Form von leicht handelbaren ETF-Anteilen. In den letzten 10 Jahren hat sich beim Gold ein so deutliches Aufwärtsmomentum ausgebildet, dass es von diesen Tradern einfach nicht ignoriert werden durfte. Um an diesem Markt Gewinne zu machen, mussten die Teilnehmer nicht wirklich verstehen, warum Gold eigentlich stieg. Ein einfaches Verständnis von Chart-Dynamiken war dafür ausreichend.
Kurzfristige Trader halten dabei in der Regel auch die Aktivitäten der führenden Institutionen genau im Blick. Wenn sie das Gefühl bekommen, dass sich die Stimmung unter den großen Marktakteuren dreht, folgen sie diesem erwarteten Momentum. Am 10.April dieses Jahres korrigierte Goldman Sachs die eigene Goldprognose für 2013 erheblich nach unten. Am Freitag derselben Woche sank der Goldkurs dann stark; und am 15.April hatte Gold seinen stärksten Tagesverlust seit 30 Jahren zu verzeichnen. Im Gold-ETF “GLD” wurden an diesem Tag 93 Millionen Anteile gehandelt, der Durchschnitt lag zuvor bei ca.14 Millionen. Die Kursverluste bewirkten, dass viele Gold-ETFs schließlich große Goldmengen liquidierten.
Auch wenn für große Institutionen eher das Momentum am Goldmarkt ausschlaggebend ist, so blieben dennoch auch die Ängste bezüglich Inflation und wirtschaftlicher Unsicherheit für sie ein Faktor. Viele haben diese Ängste aber jetzt aufgegeben. Beim negativen Fazit zum Thema Gold berief sich die Goldman Sachs auf weltweit niedrige Inflationszahlen und starke Kursgewinne an den Aktienmärkten in den USA und Japan; diese Faktoren wurden als Gründe vorgebracht, dass das Goldbullenmarkthoch möglicherweise schon erreicht worden sei. Dieses Fazit wurde aber etwas zu hastig gezogen.
Wenn Mainstream-Analysten einen Rückgang der Inflationsgefahr feststellen, dann blenden sie dabei aus, dass die Billionen Dollars aus den quantitativen Lockerungsprogrammen (QE) weiterhin in Form von Bankeneinlagen gehortet werden. Die Geldumlaufgeschwindigkeit, ein nicht unerheblicher Faktor für steigende Preise, blieb im Allgemeinen niedrig. Erst wenn die Banken dieses Geld verleihen (und normalerweise durch das Mindestreservesystem auch hebeln), wird es auch zum Geldangebot, wodurch es auch aktiv die Preise in die Höhe treibt. Obwohl QE das Risiko zukünftiger Inflation, und sogar Hyperinflation, entstehen lässt, so bleibt es doch ein latentes Risiko. Wie wir zudem schon häufig erwähnt hatten, verbergen die offiziellen staatlichen Statistiken in der Tendenz das wahre Ausmaß von Preissteigerungen. Angesichts niedriger Inflationszahlen und QE-getriebener Aktien- und Anleihemärkte, die fast täglich auf neue Hochs klettern, verkauften Marktteilnehmer, die sich gegen Inflation absicherten, Gold und schichteten das Kapital in Aktien- und Anleihemärkte und sogar in Immobilien um. Der jüngste Selloff bei japanischen Aktien und Anleihen könnte nun aber ein Hinweis darauf sein, dass auch diese Erwartungen ihre Grenzen haben.
In China und Indien steigt hingegen die Nachfrage nach physischem Gold weiterhin an; Zentralbanken stockten unterdessen ihre Goldreserven unterm Strich um 109,2 Tonnen im 1. Quartal 2013 auf. Selbst in den USA war die Goldschmucknachfrage zum ersten Mal seit dem 3. Quartal 2005 wieder gestiegen. Die globale Nachfrage nach Goldmünzen und -barren stieg zudem im Jahresvergleich um 10%. Die US Mint kündigte zudem an, sie werde den ausgesetzten Verkauf von 1/10-Unzen wieder aufnehmen. American Eagles lagen bei 40% über dem Spotpreis. Trotz dieser starken, physischen Goldnachfrage erlebten die ETF im 1.Quartal 2013 einen Abfluss von 176,9 Tonnen. Hieran sieht man, dass sich eine Trennung zwischen langfristigen, physischen Goldinvestoren und kurzfristigen Gold-Tradern vollzieht.
Letzte Woche erwähnte Fed-Chef Ben Bernanke ein mögliches „Auslaufen“ der massiven Fed-QE-Programme von 85 Mrd. $/ Monat, sollte sich die wirtschaftliche Situation weiterhin verbessern. Allein die Erwähnung einer QE-Reduzierung reichte aber schon, um die Aktienmärkte ins Wanken zu bringen. Höchstwahrscheinlich stärkten diese Marktturbulenzen den Einfluss der geldpolitischen Tauben im Offenmarktausschuss der Fed. Die Fed kann sich kaum Hoffnungen machen, dass sich die Aktien- und Anleihemärkte von selbst in diesen Höhen halten können, wenn ihnen diese Unterstützung der Fed entzogen wird. Und das deutet auf wirklich grenzenloses QE hin.
Da auch die Zentralbanken Japans, Englands und der EU diesem Beispiel mit eigenen, beispiellosen QE-Programmen zu folgen scheinen, muss man den Eindruck gewinnen, dass diese Aussicht auf QE-Kürzungen - die den Kursverlusten beim Gold Vortrieb leistet - wohl eher unbegründet ist. Ich würde viel eher davon ausgehen, dass noch größere Fiat-Geldströme dafür sorgen werden, dass die Kurse an den Aktien- und Anleihemärkten weiterhin steigen und die Zinssätze und der Wert von Währungen weiterhin sinken werden. Die Dynamiken an den physischen Märkten scheinen dafür zu sprechen, dass viele kleinere Investoren diese Meinung teilen. Daraus könnten wir schließen, dass die Gesamtstimmung gegenüber dem Goldmarkt bei Weitem nicht so negativ ist, wie man uns in letzter Zeit weisgemacht hat.
© John Browne
Senior Market Strategist
Der Artikel wurde am 29.05.2013 auf www.safehaven.com veröffentlicht und exklusiv für GoldSeiten übersetzt.
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