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EZB liebäugelt mit Negativzins

10.06.2013  |  Prof. Dr. Thorsten Polleit
Der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) hat auf seiner Sitzung am 6. Juni 2013 beschlossen, den Leitzins bei 0,5 Prozent zu belassen. Doch weitere geldpolitsiche Lockerungsübungen sind damit nicht vom Tisch.

Die EZB ist für die Sparer zur ernsten Belastung geworden: Die Niedrigzinspolitik und die damit verbundene Aufblähung der Geldmenge drücken die Zin-sen unter die Inflationsrate und sorgen auf diese Weise für einen negativen Realzins.

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Quelle: Thomson Financial


Der negative Realzins entwertet bereits Sicht-, Termin- und Sparguthaben. Nun diskutieren die Geldpolitiker auch noch über einen negativen Nominalzins für Einlagen, die Banken bei der Zentralbank unterhalten. Die Folgen würden nicht nur Banken, sondern vor allem auch Sparer zu spüren bekommen.

Im August 2009 erhob die Schwedische Zentralbank einen negativen Zins von -0,25 Prozent auf Guthaben (im Fachjargon: "Überschussreserven“), die Banken bei ihr unterhielten. Es sollte eine "Strafsteuer“ sein und Banken da-zu bewegen, ihre Kassenguthaben zur Kreditvergabe zu verwenden.

Im Juli 2012 zog die dänische Zentralbank nach. Sie senkte den Zins auf Kronen-Guthaben, die Geschäftsbanken bei ihr unterhielten, auf -0,20 Prozent p.a. Mit diesem Schritt sollte die steigende Nachfrage nach der dänischen Währung und der damit verbundene Aufwertungseffekt verringert werden.

Ein Negativzins für Einlagen, die Euro-Banken bei der EZB halten, könnte vor allem vier Effekte nach sich ziehen.

Erstens: Ein Negativzins für Einlagen, die Euro-Banken bei der EZB unterhalten, reduziert die Gewinne der Banken. Folglich sinkt der Spielraum, um Eigenkapi-tal aus einbehaltenen Gewinnen aufpolstern zu können.

Zweitens: Ein Negativzins erhöht den Anreiz für Banken, in möglichst "risiko-arme“ Wertpapiere - wie Anleihen von vergleichsweise guten Staatsschuldnern - zu investieren. Der Absatz von Staatsanleihen wird auf Kosten der Kreditgewährung an Unternehmen und Konsumenten begünstigt.

Drittens: Ein Negativzins schreckt Auslandsinvestoren ab, Euro-Guthaben zu erwerben, weil ihnen die Euro-Banken, bei denen sie ihre Kontoguthaben halten, den Negativzins in Rechnung stellen werden. Die Folge ist eine nachlassende Euro-Nachfrage, und das wird den Wechselkurs des Euro gegenüber anderen Währungen drücken.

Und viertens: Die Euro-Banken reichen den negativen Einlagenzins nur zu gern an ihre Privatkundschaft weiter. Dadurch reduzieren sich ihre Kundenverbindlichkeiten in Form von Sicht-, Termin- und Spareinlagen, und in gleichem Maße steigt ihr Eigenkapital an!

Ein negativer Einlagenzins hilft also Staaten und Banken, sich auf Kosten der Sparer und anderer Kreditnehmer besserzustellen. Die Erwartung, dass sich dadurch die Wirtschaftslage verbessern könnte, wird enttäuscht werden.

Vielmehr ist mit beträchtlichen ökonomischen Schäden zu rechnen, die aus einem weiteren Niederdrücken des Zinses erwachsen werden.

Das weitere Absenken der Sparzinsen lässt die "Deckungslücke“ der Sparer unbarmherzig ansteigen. Ihnen wird es nun nicht mehr möglich sein, die notwendige Altersvorsorge aufzubauen. Altersarmut wird die Folge sein.

Zudem steigen die barwertigen Pensionsverbindlichkeiten der Unternehmen und schmälern ihr Eigenkapital. Das wiederum schwächt ihre Finanzierungskraft und Investitionstätigkeit. Geringere Produktion und steigende Arbeitslosigkeit drohen.

Der künstlich gedrückte Zins ermutigt vor allem auch unvorsichtige Investitionsentscheidungen, führt zu Fehlinvestitionen. Künstlich tiefe Zinsen blähen die Finanzmarktpreise auf und sorgen für "Blasenbildung“, deren Korrektur die Wirtschaft in eine neue Krisenrunde stürzen kann.

Das Erheben eines negativen Einlagenzinses für Guthaben, die die Euro-Banken bei der EZB halten, kommt nicht unerwartet. Diese Maßnahme ist die logische Folge einer Geldpolitik, die im Grunde darauf aus ist, die Kosten der Euro-Kreditkrise durch ein Entwerten des Geldes und vor allem der Ersparnisse möglichst still und heimlich zu finanzieren.


© Prof. Dr. Thorsten Polleit
Auszug aus dem Marktreport der Degussa Goldhandel GmbH



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