Detlev Schlichter: Verlieren die Zentralbanker die Kontrolle?
13.06.2013 | Presse
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Bernanke - eine harter Mann?Ich glaube allerdings nicht, dass sich die Märkte zu sehr vor der Fed fürchten müssten. Sollte eine QE-Pause zu starken Kursverlusten an den Märkten, zu steigenden Anleiherenditen und steigenden Risikoaufschlägen führen, dann würde die Fed schnell wieder ihren Kurs ändern und erneut die Druckerpressen anwerfen. Auch die Kritik aus den Reihen der Fed würde schnell verstummen. Man sollte auch Folgendes nicht vergessen: Die meisten Kritiker halten weitere QE-Programme aktuell für unnötig, keiner scheint aber QE aus Prinzip abzulehnen. Letztendlich wird wohl kein politischer Entscheidungsträger untätig zusehen wollen, wenn die Märkte in eine erstzunehmende Liquidierungsphase übergehen. Das “Ende” von QE, falls es überhaupt verkündet wird, würde aller Wahrscheinlichkeit nach nur ein Zwischenspiel sein.
Der letzte Zentralbanker, der den Mumm hatte, sich mit der Wall Street anzulegen, war Paul Volcker. Ben Bernanke war, wie auch sein Vorgänger Greenspan, einfach nur lieb zu den spekulierenden und kreditnehmenden Klassen. Beide Zentralbanker sind überzeugt davon (und das haben sie schon mehrfach auf die eine oder andere Weise zum Ausdruck gebracht), dass es die Aufgabe der Zentralbank sei, für gute Stimmung in den Haushalten und Unternehmen zu sorgen, und zwar indem sie die Preise ihrer Immobilien steigen lassen, die Aktienkurse inflationieren und die Aktienoptionspakete der Manager aufblähen. Das Land braucht vor allem Optimismus; und was könnte da förderlicher sein als ein steigender Aktienmarkt und glückliche Gesichter auf CNBC?
Bernanke erklärte, die Stützung von Finanzanlagen kann eine positive Kettenreaktion aus Kreditaufnahme, Investitionen und selbstragenden Wachstum lostreten. David Stockman bezeichnete diesen Ansatz treffend als "Wohlstandsmanagement" durch “Wall-Street-Verhätschlung”. Sicher, auch Greenspan hatte sich an strengerer Geldpolitik versucht - 1994 und dann erneut, wenn auch sehr verhalten, im Jahr 2005; und in beiden Fällen sackten die Märkte ab. Das soll aber nur zeigen, wie unhaltbar aufgebläht und verzerrt das Finanzsystem ist und wie abhängig vom billigen Geld der Fed. Ich denke, die Fed wird auf absehbare Zeit vorsichtig sein, was die Senkung der von ihr verabreichten Drogendosis angeht.
Auch wenn der globale Rentenmarkt-Guru Bill Gross (Gründer und Co-Chief Investment Officer beim Vermögensverwalter-Giganten PIMCO) andere Worte dafür wählte, so scheint er doch ganz ähnlicher Auffassung zu sein. In einem Interview mit Bloomberg hatte er Mitte Mai bestätigt, dass er und sein Team “überall Bubbles" sähen, was sicherlich auch bedeuten soll, dass alles gleichzeitig platzen könnte. Er meinte zudem, die Fed werde es auf absehbare Zeit "nicht wagen", drastische Entscheidungen zu treffen, da das System sehr viel fremdkapitallastiger ist als noch 1994, als Greenspan für kurze Zeit den harten Mann spielen und eine härtere Geldpolitik fahren wollte.
Mein Fazit ist also folgendes: Sollte die Marktschwäche Folge der Sorgen über ein Ende der geldpolitischen Lockerungen und Anpassungen sein, dann haben die Märkte nicht wirklich viel zu befürchten. Die größten Marktverluste hatte es allerdings in Japan gegeben, und dort besteht nicht einmal das Risiko einer strengeren Geldpolitik; die politischen Entscheidungsträger Japans stehen erst am Anfang der größten und lauthals beworbenen Gelddruckoperation der Geschichte. Die japanischen Staatsanleihen werden wohl kaum zum Sturzflug ansetzen, weil man ein Ende der quantitativen Lockerungen befürchtet. Haben die Akteure in diesen Märkten endlich begriffen, dass sie auf gigantischen Bubbles sitzen? Versuchen sie jetzt auszusteigen, bevor alle anderen aussteigen? Haben die Zentralbanker die Kontrolle über die Märkte verloren?
Auf jeden Fall muss Geldschöpfung irgendwann zu steigender Inflation führen. Die Situation in Japan - ein Mix aus einem gigantischen Schuldenhaufen, hohen Haushaltsdefiziten, einer alten und alternden Bevölkerung, einem (fast) Nullzinssatz sowie die Aussicht auf steigende Inflationsraten (das ist in der Tat das Ziel von Abenomics!) - ist ein toxischer Mix für den Rentenmarkt. Es ist absurd anzunehmen, man könne die eigene Währung zerstören, die eigenen Anleihehalter enteignen und dann zusätzlich noch erwarten, dass diese zur Belohnung einen niedrigen Marktzins bieten. Steigende Anleihezinsen würden “Abenomics“ aber aus dem Ruder werfen und somit auch die gesamte Wirtschaft.
All das ist jedoch noch ein wenig verfrüht. Die ganze Geschichte könnte sich immer noch als Sturm im Wasserglas herausstellen. Er könnte bald schon wieder vorbei sein und die Märkte könnten wieder den Anleitungen der Zentralplaner folgen. Allerdings habe ich meine Zweifel, dass es sich hierbei nur um eine kleine Spannung handelt - wie auch Bill Gross' Kollege Mohamed El-Erian, der andere Co-Chief Investment Officer bei PIMCO. In einem interessanten Artikel, der gestern auf CCN Money erschien, zieht er die Möglichkeit in Betracht, dass die Märkte jetzt ihr Vertrauen in die Zentralbanker zu verlieren beginnen.
Sollte das tatsächlich der Fall sein, dann bliebe das nicht allein auf Japan beschränkt, die Auswirkungen wären global. Das ist ein viel größeres Ding, als ein langsames Zurückfahren von QE in den USA. Könnte das der Anfang vom Ende sein?
Möglicherweise können die Zentralbanker jetzt nicht mehr so ruhig schlafen.
Andere Artikel von Detlev Schlichter finden Sie auf seinem Blog unter http://detlevschlichter.com. Er ist Autor des Buches “Paper Money Collapse - The Folly of Elastic Money and the Coming Monetary Breakdown”, das auch in deutscher Übersetzung erschienen ist: “Das Ende des Scheins: Warum auch unser Papiergeldsystem zusammenbricht“.
© Detlev Schlichter
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Dieser Artikel wurde am 04.Juni 2013 auf www.detlevschlichter.com veröffentlicht und exklusiv für GoldSeiten übersetzt.