Anleger im Bann von Tauben und Falken
16.06.2013 | Manfred Gburek
Es ist an der Zeit, eine Reihe von aktuellen Geldthemen aufzugreifen, die uns alle in naher Zukunft intensiv beschäftigen werden. Da ist zunächst die Auseinandersetzung zwischen EZB und Bundesbank. Ich habe ihre Knackpunkte zwar schon in meiner Kolumne vom vergangenen Donnerstag bei wiwo.de genannt, aber ein brisanter Punkt sei hier besonders herausgestellt: die Warnung von EZB-Direktor Jörg Asmussen vor einer Änderung des EU-Vertrags. Sie bedeutet erstens, dass dieses Thema längst noch nicht ad acta gelegt ist, und zweitens, dass es zwischen ihm und Bundesbank-Präsident Jens Weidmann mittlerweile einen tiefen Graben gibt, weil Weidmann mit der Einschränkung des EZB-Mandats liebäugelt.
Damit sind wir bei einer von mehreren Ursachen für den jüngsten Kursrückgang deutscher Aktien. Die anderen lassen sich bündeln, indem man sie auf ihren Kern zurückführt: die Furcht vor dem Ende der lockeren Geldpolitik. Das vorübergehende Desaster an der japanischen Börse spiegelt nur einen Sonderfall dieser Furcht wider. Warum der Streit zwischen EZB und Bundesbank so gravierend ist, ergibt sich aus der Überlegung, das Bundesverfassungsgericht könnte die Bundesregierung verpflichten, das EZB-Mandat einzuschränken. Daraus dürfte dann eine Einschränkung der lockeren EZB-Geldpolitik folgen - und eine weitere Unruhe an den Börsen, wie Anleger sie schon lange nicht mehr erlebt haben. Das nehmen die Aktienkurse derzeit in typischer Börsenmanier vorweg, indem sie an manchen Tagen plötzlich tief fallen.
Schon jetzt über die Tiefe des gesamten Falls zu spekulieren, ist verfrüht. Allerdings hilft der Rückblick in eine Zeit, als die Auseinandersetzung zwischen der Bundesbank auf der einen und der US-Notenbank Fed mitsamt US-Regierung auf der anderen Seite völlig aus dem Ruder lief: ins Jahr 1987. Damals verfolgte die Bundesbank eine knallharte Stabilitätspolitik, die den Amerikanern ganz und gar nicht gefiel.
Von einem bestimmten Punkt an erwies sich jedes diplomatische Einlenken als aussichtslos. Folglich kam es wegen der dadurch ausgelösten Unruhe unter den Anlegern erst zu einem mehrwöchigen Rückgang der Aktienkurse und schließlich am 19. Oktober 1987 zum Crash. Allein an jenem Schwarzen Montag rauschte das US-Börsenbarometer Dow Jones um 22,6 Prozent in die Tiefe. Bei der Ursachenforschung hilft übrigens ein inzwischen weitgehend vergessenes Buch mit dem Titel "Der Oktober-Crash 1987“, herausgegeben von Christine Hirszowicz. Wer einen tiefen Einblick in das damalige Tohuwabohu haben will, sollte ein gebrauchtes Exemplar über das Internet bestellen.
Frappierend am Vergleich zwischen damals und heute ist die Tatsache, dass wir es jetzt wieder mit einem Konflikt zwischen den Bundesbank-Falken - hier unter Führung ihres Präsidenten - und den von der angelsächsischen Denkweise geprägten Tauben zu tun haben. Nur dass es dieses Mal in erster Linie um die Tauben der EZB unter Führung ihres Präsidenten Mario Draghi geht, während Fed-Chef Ben Bernanke dessen Geldpolitik zunächst weiter flankiert und wohlwollend begleitet, mehr noch nicht. Dass Draghi durch seine frühere Tätigkeit für die US-Investmentbank Goldman Sachs angelsächsisch geprägt ist, wird wohl niemand bestreiten.
Mit dem Crash von 1987 kam die Stunde von Bernankes langjährigem Vorgänger Alan Greenspan. Obwohl damals erst seit kurzer Zeit im Amt, war der die Ruhe selbst. Als Erstes ließ er unmittelbar nach dem Kurssturz diese Botschaft an die Öffentlichkeit los: "Die Federal Reserve, die sich ihrer Verantwortung als Nationalbank bewusst ist, erklärte heute ihre Bereitschaft, als Liquiditätsquelle zu fungieren, um das Wirtschafts- und Finanzsystem zu stärken.“ Hinter dem etwas gestelzten Satz verbarg sich nichts anderes als die Bereitschaft, die Finanzmärkte mit Geld zu fluten. Und damit die Geschäftsbanken mitmachten, erhielten sie von Seiten der Reagan-Regierung sanften Druck, um den eventuell betroffenen Unternehmen in ausreichendem Umfang Kredite zur Verfügung zu stellen. Der Coup gelang, die Aktienkurse erholten sich schneller als erwartet, und Greenspan war fortan für viele Jahre von der Aura eines Magiers umgeben. Zum Vergleich: Im vergangenen Sommer ließ Draghi eine ähnliche Botschaft los wie seinerzeit Greenspan.
Ohne den Bogen mit dem Vergleich - damals Fed, heute EZB - überspannen zu wollen: Geldflut bleibt Geldflut. So wie sie früher eine Asset Inflation (Aufblähung der Preise von Anlagen) bei Anleihen und dann bei Aktien auslöste, so erfasste sie später die Preise von Edelmetallen und Rohstoffen, von amerikanischen und europäischen Wohnhäusern, schließlich wieder die Kurse von Anleihen und Aktien. Das viele Geld wird zweifellos weiter sein Unwesen treiben, indem es mal die Preise der einen, mal die einer anderen Anlage nach oben treibt. Oder um es freundlich auszudrücken: Es wird so manche Anleger reich machen - vorausgesetzt, sie kaufen unten und verkaufen oben. Wieder einmal entscheidet also das richtige Timing über den Anlageerfolg und nicht etwa irgendeine Rendite, die Ihnen Anleihen, Fonds, Aktien oder Immobilien verheißen. Oder nennen wir das Kind beim Namen: Spekulation.
Gehen wir die wichtigsten Anlagen unter diesem Aspekt durch: Mit Anleihen zu spekulieren, ist uninteressant bis gefährlich. Europäische und amerikanische Aktien dürften auf ein Jahr Sicht per Saldo eher Kursverluste als -gewinne bringen. Chinesische und japanische Aktien umgekehrt eher Kursgewinne als -verluste, die einen wegen des anhaltend hohen Wachstums der chinesischen Wirtschaft, die anderen wegen der extrem expansiven Geldpolitik der Bank of Japan. Deutsche Wohn- und Gewerbeimmobilien sind nur noch selektiv interessant, wobei Erstere von der Mietendeckelung betroffen sein werden.
Rohstoffe sollten Spezialisten vorbehalten bleiben, die sich mit Kupfer und Kaffee, Zucker und Zink usw. intensiv beschäftigen. Edelmetalle mitsamt Edelmetallaktien bergen ein hohes Gewinnpotenzial, weil sie - unter Führung von Gold - unter anderem dann favorisiert werden, wenn an den Finanzmärkten alles drunter und drüber geht. Ihre Preise können aber, wie die vergangenen Monate gezeigt haben, vorübergehend nach unten durchbrechen. Schließlich nicht zu vergessen Cash auf dem Tagesgeldkonto für den Fall, dass sich plötzlich irgendwo eine ideale Kaufchance ergibt.
Fazit: Da die eingangs beschriebene Auseinandersetzung zwischen EZB und Bundesbank weiter schwelen und bereits in den nächsten Monaten eskalieren wird, brauchen Sie vor allem mit Ihrem Engagement in Edelmetallen und deren Aktien nur noch ein wenig Geduld, um Ihren nächsten Anlageerfolge zu erzielen. Vergessen Sie darüber hinaus nicht die chinesischen und japanischen Aktien, wobei besonders Letztere sich zurzeit nur für spekulative Anleger eignen. Und denken Sie daran, für Gelegenheitskäufe immer auch Cash vorzuhalten.
© Manfred Gburek
www.gburek.eu
Herr Gburek ist Fachjournalist und Buchautor. Seine letzten Werke waren: "Das Goldbuch" (2005), das Wörterbuch "Geld und Gold klipp und klar von A bis Z" (2007) und "Die 382 dümmsten Sprüche der Banker" (2008).
Damit sind wir bei einer von mehreren Ursachen für den jüngsten Kursrückgang deutscher Aktien. Die anderen lassen sich bündeln, indem man sie auf ihren Kern zurückführt: die Furcht vor dem Ende der lockeren Geldpolitik. Das vorübergehende Desaster an der japanischen Börse spiegelt nur einen Sonderfall dieser Furcht wider. Warum der Streit zwischen EZB und Bundesbank so gravierend ist, ergibt sich aus der Überlegung, das Bundesverfassungsgericht könnte die Bundesregierung verpflichten, das EZB-Mandat einzuschränken. Daraus dürfte dann eine Einschränkung der lockeren EZB-Geldpolitik folgen - und eine weitere Unruhe an den Börsen, wie Anleger sie schon lange nicht mehr erlebt haben. Das nehmen die Aktienkurse derzeit in typischer Börsenmanier vorweg, indem sie an manchen Tagen plötzlich tief fallen.
Schon jetzt über die Tiefe des gesamten Falls zu spekulieren, ist verfrüht. Allerdings hilft der Rückblick in eine Zeit, als die Auseinandersetzung zwischen der Bundesbank auf der einen und der US-Notenbank Fed mitsamt US-Regierung auf der anderen Seite völlig aus dem Ruder lief: ins Jahr 1987. Damals verfolgte die Bundesbank eine knallharte Stabilitätspolitik, die den Amerikanern ganz und gar nicht gefiel.
Von einem bestimmten Punkt an erwies sich jedes diplomatische Einlenken als aussichtslos. Folglich kam es wegen der dadurch ausgelösten Unruhe unter den Anlegern erst zu einem mehrwöchigen Rückgang der Aktienkurse und schließlich am 19. Oktober 1987 zum Crash. Allein an jenem Schwarzen Montag rauschte das US-Börsenbarometer Dow Jones um 22,6 Prozent in die Tiefe. Bei der Ursachenforschung hilft übrigens ein inzwischen weitgehend vergessenes Buch mit dem Titel "Der Oktober-Crash 1987“, herausgegeben von Christine Hirszowicz. Wer einen tiefen Einblick in das damalige Tohuwabohu haben will, sollte ein gebrauchtes Exemplar über das Internet bestellen.
Frappierend am Vergleich zwischen damals und heute ist die Tatsache, dass wir es jetzt wieder mit einem Konflikt zwischen den Bundesbank-Falken - hier unter Führung ihres Präsidenten - und den von der angelsächsischen Denkweise geprägten Tauben zu tun haben. Nur dass es dieses Mal in erster Linie um die Tauben der EZB unter Führung ihres Präsidenten Mario Draghi geht, während Fed-Chef Ben Bernanke dessen Geldpolitik zunächst weiter flankiert und wohlwollend begleitet, mehr noch nicht. Dass Draghi durch seine frühere Tätigkeit für die US-Investmentbank Goldman Sachs angelsächsisch geprägt ist, wird wohl niemand bestreiten.
Mit dem Crash von 1987 kam die Stunde von Bernankes langjährigem Vorgänger Alan Greenspan. Obwohl damals erst seit kurzer Zeit im Amt, war der die Ruhe selbst. Als Erstes ließ er unmittelbar nach dem Kurssturz diese Botschaft an die Öffentlichkeit los: "Die Federal Reserve, die sich ihrer Verantwortung als Nationalbank bewusst ist, erklärte heute ihre Bereitschaft, als Liquiditätsquelle zu fungieren, um das Wirtschafts- und Finanzsystem zu stärken.“ Hinter dem etwas gestelzten Satz verbarg sich nichts anderes als die Bereitschaft, die Finanzmärkte mit Geld zu fluten. Und damit die Geschäftsbanken mitmachten, erhielten sie von Seiten der Reagan-Regierung sanften Druck, um den eventuell betroffenen Unternehmen in ausreichendem Umfang Kredite zur Verfügung zu stellen. Der Coup gelang, die Aktienkurse erholten sich schneller als erwartet, und Greenspan war fortan für viele Jahre von der Aura eines Magiers umgeben. Zum Vergleich: Im vergangenen Sommer ließ Draghi eine ähnliche Botschaft los wie seinerzeit Greenspan.
Ohne den Bogen mit dem Vergleich - damals Fed, heute EZB - überspannen zu wollen: Geldflut bleibt Geldflut. So wie sie früher eine Asset Inflation (Aufblähung der Preise von Anlagen) bei Anleihen und dann bei Aktien auslöste, so erfasste sie später die Preise von Edelmetallen und Rohstoffen, von amerikanischen und europäischen Wohnhäusern, schließlich wieder die Kurse von Anleihen und Aktien. Das viele Geld wird zweifellos weiter sein Unwesen treiben, indem es mal die Preise der einen, mal die einer anderen Anlage nach oben treibt. Oder um es freundlich auszudrücken: Es wird so manche Anleger reich machen - vorausgesetzt, sie kaufen unten und verkaufen oben. Wieder einmal entscheidet also das richtige Timing über den Anlageerfolg und nicht etwa irgendeine Rendite, die Ihnen Anleihen, Fonds, Aktien oder Immobilien verheißen. Oder nennen wir das Kind beim Namen: Spekulation.
Gehen wir die wichtigsten Anlagen unter diesem Aspekt durch: Mit Anleihen zu spekulieren, ist uninteressant bis gefährlich. Europäische und amerikanische Aktien dürften auf ein Jahr Sicht per Saldo eher Kursverluste als -gewinne bringen. Chinesische und japanische Aktien umgekehrt eher Kursgewinne als -verluste, die einen wegen des anhaltend hohen Wachstums der chinesischen Wirtschaft, die anderen wegen der extrem expansiven Geldpolitik der Bank of Japan. Deutsche Wohn- und Gewerbeimmobilien sind nur noch selektiv interessant, wobei Erstere von der Mietendeckelung betroffen sein werden.
Rohstoffe sollten Spezialisten vorbehalten bleiben, die sich mit Kupfer und Kaffee, Zucker und Zink usw. intensiv beschäftigen. Edelmetalle mitsamt Edelmetallaktien bergen ein hohes Gewinnpotenzial, weil sie - unter Führung von Gold - unter anderem dann favorisiert werden, wenn an den Finanzmärkten alles drunter und drüber geht. Ihre Preise können aber, wie die vergangenen Monate gezeigt haben, vorübergehend nach unten durchbrechen. Schließlich nicht zu vergessen Cash auf dem Tagesgeldkonto für den Fall, dass sich plötzlich irgendwo eine ideale Kaufchance ergibt.
Fazit: Da die eingangs beschriebene Auseinandersetzung zwischen EZB und Bundesbank weiter schwelen und bereits in den nächsten Monaten eskalieren wird, brauchen Sie vor allem mit Ihrem Engagement in Edelmetallen und deren Aktien nur noch ein wenig Geduld, um Ihren nächsten Anlageerfolge zu erzielen. Vergessen Sie darüber hinaus nicht die chinesischen und japanischen Aktien, wobei besonders Letztere sich zurzeit nur für spekulative Anleger eignen. Und denken Sie daran, für Gelegenheitskäufe immer auch Cash vorzuhalten.
© Manfred Gburek
www.gburek.eu
Herr Gburek ist Fachjournalist und Buchautor. Seine letzten Werke waren: "Das Goldbuch" (2005), das Wörterbuch "Geld und Gold klipp und klar von A bis Z" (2007) und "Die 382 dümmsten Sprüche der Banker" (2008).