Interventionistische Ausschaltung der Märkte, Fehlallokationen und Gold
14.10.2005 | Prof. Dr. Hans J. Bocker
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Zwang zur UmkehrAlso wird nichts anderes übrig bleiben, als eine Umkehr der bisherigen Interventions-Strategien und der Interventionen in die natürlichen Preis-Mechanismen des Marktes. Dies jedoch wird auf jeden Fall eine Krise auslösen. Wie schwer diese ausfällt hängt zum einen von der Höhe der vorhergehenden Ungleichgewichte ab, getreu dem Motto "Je höher der Anstieg desto grösser der Fall", und zum anderen vom Grad der Radikalität mit der die Reformen angegangen werden, nach dem Motto: "Je tiefer der Schnitt, desto grösser der Schmerz".
Asien und insbesondere China dürfte nach all den inflationären Zeiten eine Phase der Deflation, ganz ähnlich wie in Japan im vergangenen Jahrzehnt nicht erspart bleiben, was den Aufstieg Chinas zur Weltmacht zwar nicht aufhalten, aber bremsen würde. Die Hand-in-Hand gehende Aufwertung der dortigen Währungen wird die asiatischen Exportindustrien treffen und den künstlich erhaltenen Nachfrageboom im Westen abwürgen. Dies hat dann natürlich fatale Konsequenzen für Produktion und Beschäftigungslage in Industrien, die massive Überkapazitäten aufbauten. Eine schwere Rezession oder gar Depression, die die künstlich erzeugten Ungleichgewichte wieder auf marktgerechte Normaldimensionen zurückführt, dürfte unvermeidlich sein. Es bleibt nur zu hoffen, dass sich die Verantwortlichen dann nicht in einen Krieg flüchten (z.B. mit Taiwan oder mit den USA im Gerangel um die Ölquellen von Nahost), um von sich und ihren Verfehlungen abzulenken. Genau dies war in der Geschichte schon oft in derartigen Situationen zu beobachten. So entluden sich beispielsweise die gewaltigen sozialen Spannungen der Weltwirtschaftskriese explosiv in Weltkrieg II.
Amerika dürfte von einer Leistungsbilanz-Krise getroffen werden, ähnlich wie sie Argentinien und Thailand durchliefen. Die Dollar-Wechselkurse werden fallen und die Zinssätze rapide steigen, um den Greenback wieder attraktiv zu machen. Dies aber wird den künstlich aufgeblasenen Konsum in sich zusammenfallen und die Kredit- und Immobilienblase platzen lassen, was wiederum die asiatischen Exporteure hart treffen dürfte. Wenn 40 Millionen amerikanischer Familien ihre Häuser verlassen müssen, weil die Gesamtschuld inzwischen den realisierenden Marktwert - und der Zinsdienst ihre Einkommensverhältnisse - weit übersteigt, hätten die Kreditgeber (Banken, Kassen) 40 Millionen Häuser an der Hand. Was dies für die Immobilienpreise bedeutet bedarf keiner Erläuterung. Auf jeden Fall dürfte sowohl in Asien als auch in den USA eine Bankenkrise vor allem wegen Ausfall der Schuldendienste angesagt sein. Deflationäre Zeiten haben sodann die Inflation abgelöst. Niemand "hat Geld", was von Tag zu Tag "wertvoller" wird. Jeder dreht den Dollar oder Yuan dreimal um, bevor auch nur das Nötigste gekauft wird. Selbst Kredite zum Null-Zins helfen nicht, denn Schulden in der Deflation sind absolut tödlich, da übermorgen mit "wertvollerem" Geld zurückbezahlt werden muss (die japanischen Banken boten über 10 Jahre lang Kredite zum (fast) Null-Tarif erfolglos an). In der Inflation jedoch ist dies genau umgekehrt: Die Schuldner, allen voran der Staat, entschulden sich mit immer wertloserem Geld glänzend.
Gold im Drei-Phasen-Zyklus
Was bedeutet dies alles nun für Gold (und Silber)?
Der Zyklus des Schuldenmachens und der künstlichen Erschaffung von Papiergeld in unbegrenzten Mengen nebst Scheinwohlstand im Gefolge, neigt sich langsam seinem Ende zu. Die Edelmetalle dagegen durchlaufen automatisch eine Art von "Gegen- oder Konter"-Zyklus, der aus drei Phasen besteht.
Während der ersten dieser Phasen herrscht tiefe Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit unter den wenig verblieben "goldbugs" vor. Nahezu alle vormaligen Eigner (allen voran Banken, Institutionelle, Fonds und Vermögensverwalter haben sich vom Gold, schon beinahe angeekelt, getrennt. Das Metall gilt als "barbarisches Relikt" längst vergangener Jahrhunderte. Wer noch Gold besitzt wird als Exot, Spinner, Unbelehrbarer oder als schlichter Narr, Versager und Schwachsinniger bemitleidet. Die Medien sind voller Spott. Man flüstert hinter vorgehaltener Hand über derartig schon beinahe asoziales Verhalten wie Goldbesitz. Es wird zweifelsfrei auch immer so bleiben. Die Zukunft gehört Aktien, insbesondere High-Tech, "neuen Märkten", Bonds, REITS, TIPS, Swaps, Futures, Optionen, Derivaten, Cat-Bonds, Corporate und Muni-Bonds, Zarenbonds, Gilts, Optionsscheinen, Wechsel, Warrants, Fond-Zertifikaten in ihren 1000 Variationen, Papieren mit und ohne Hebelwirkung, sowie einer Unzahl anderer Versionen der künstlich geschaffenen Welt der "Wertpapiere", deren schiere Begriffssammlung bereits ein dreibändiges Gross-Lexikon füllen. "Schulden spielen keine Rolle" ("debt does not matter") ist der Leitspruch dieser Zeit.
Etwa 90% aller Amerikaner haben (heute noch) nie eine Goldmünze, eine echte Silbermünze oder eine 100-Dollar-Note gesehen, sehen aber täglich ehrfurchtsvoll ihre 27 Kreditkarten in der Brieftasche oder Geldbörse.
Irgendwann beginnen die durch die Manipulationen der Geld- und Finanzsystem entstehenden Fehlallokationen wie zunächst zart spriessendes Unkraut sichtbar zu werden. Einige Wenige fassen wieder Mut und hören auf ihr Gold stückweise weiter zu verkaufen, ja sie kaufen sogar, wenn auch recht zögerlich. Phase Zwei hat begonnen.
Ganz sachte beginnt ein kleiner Teil des "smart money" in Gold (und später auch Silber) zu fliessen. Aber der Markt reagiert auf jede Avance mit einer oft scharfen Korrektur. Die Gold-Investoren erleiden immer wieder Anfälle tiefer Depression, die jedoch seltener werden, und die Massen-Medien bringen gelegentlich einige nichtssagende Beiträge. Auf jeden Fall stabilisiert sich das Preis-Niveau und beginnt sich millimeterweise aus der Talsohle herauszuarbeiten. Im englischen heisst es: "The market has to climb a wall of worries" - der Markt muss also hohe Trenn- und Kletterwände von Sorgen mühsam überwinden. Doch langsam wird ein erster Lichtschimmer am Ende des Tunnels sichtbar. Jedes neue Hoch ist nach dem folgenden Abschwung höher als das vorige Hoch.
Derzeit sind wir in den Anfangsstadien von Phase Zwei
Allmählich gewinnt dieser Trend an Fahrt und die Fonds (einschliesslich der Hedge Fonds) sowie schlaue Vermögensverwalter begreifen stufenweise, dass hier Geld zu machen ist und investieren kleinere Summen. Der Aufwärtstrend wird schliesslich vom Bächlein zum Fluss und am Ende zum reissenden Strom, denn die Öffentlichkeit und sogar die Medien springen endlich auf den bereits rasch fahrenden Zug. Die indische und chinesische Mittelklasse (heute zusammen etwa 900 Millionen Verbraucher) sind voll eingestiegen. In nur vier Jahrzehnten ab heute wird das stark gold-affine Indien, das jetzt schon etwa 850 Tonnen des Krisenmetalls jährlich importiert, das bevölkerungsstärkste Land der Welt sein. Bereits im Jahre 215 sollte die Mittelklasse Indiens rund 900 Millionen zählen und die Hälfte der Inder ist heute unter 25 Jahren alt. Hier zeichnet sich eine kraftvolle Dynamik ab, anders als in den westlichen Industrieländern, wo die Bevölkerungszahlen schrumpfen und die Gesellschaften hoffnungslos überaltern. Indien braucht Fabriken und Produktion. Der Westen braucht Altersheime und Renten, die die wenigen Jungen nicht mehr aufbringen können oder wollen. Wo sind die langfristigen Chancen für Goldnachfrage grösser? Im langsam absterbenden goldfeindlichen Westen oder im aufstrebenden und traditionell goldfreundlichen Fernen Osten? Die Demographie ist auf der Seite des Goldes. Heute schon repräsentiert Indien den zweitgrössten Handy-Markt wie auch den zweitgössten Zweiradfahrzeugmarkt der Welt, und in den letzten zehn Jahren hat sich das durchschnittliche Netto-Einkommen der Inder verdoppelt, von China einmal ganz zu schweigen.
Sobald die asiatische Kaufkraftwelle auch nur in halber Stärke einsetzt, gibt es im Westen kein Halten mehr. Jeder Parkplatzwächter, Bartender, Hilfsassistent, Hauptmann der freiwilligen Feuerwehr, Schwerbeschädigte, Kammerjäger, Rentner, Flussfischergehilfe, Wahl- und Zahnarzthelfer, Kartoffelschaleneinstampfer wie auch jede Aushilfsprostituierte ist jetzt voll dabei. Auf jedem Autobahnrastplatz werden Informationen über die Preisgewinne der letzten 2 gekauften Gold- oder Silbermünzen unter wildfremden Leuten ausgetauscht. Die Gold- und Silberpreise sind Stammtischgespräch. Selbst Wohlfahrtsempfänger kaufen ein paar Gramm Gold und einige Silbermünzen oder -barren. Wir sind dann mitten in Phase Drei und deren Ende zeichnet sich ab.
Grenzen der Gold-Euphorie
Doch wie weit läuft Phase Drei? Die vorangegangenen Interventionen und Manipulationen wie auch die massiven Fehlallokationen müssen in krisenhaften Szenarien ausgeglichen werden und Gold ist (und war seit Jahrhunderten) nun einmal das Krisenmetall schlechthin. Die Preise werden durch die Decke schiessen, mit Sicherheit jedoch nicht zum Mond. Warum nicht? Auch hier gebieten natürliche Grenzen das In-den-Himmel-Wachsen der Goldbäume. Die Unze wird vielleicht 5.000 oder auch vorübergehend 20.000 $ kosten. Alles möglich. Aber sie wird kein Preisschild von 5 Millionen oder 20 Millionen $ tragen. Dies würde die preisdrückende Mehr-Produktion (wenn auch aus technischen Gründen mit grosser Verzögerung) ankurbeln und vor allem könnten die Anleger nicht mehr mithalten. Der Grund: Die inzwischen herrschende Deflation macht Bargeld knapp und wertvoll. Eine minimer Liquiditätsgrad (Essen, Wohnen, Transport, Gesundheit, Bildung) muss erhalten bleiben, um das Überleben zu sichern. Für Gold- und Silberkäufe ist schlicht kein Geld mehr vorhanden. Ausserdem trennen sich die Fonds, Pensionkassen und andere Institutionelle von ihren inzwischen angehäuften Goldbergen und nehmen Gewinne mit und die Zentralbanken werfen ihre letzten Tonnen ins Gefecht. Vielleicht drohen die ums Überleben kämpfenden Regierungen den Goldeignern mit Konfiszierung. Oft schon war es leider nicht nur bei Drohungen geblieben (USA 1933, Russland 1917). Das alles drückt die Stimmung und die Preise.
Ausserdem gewinnt Gold in dieser Phase einen mächtigen Konkurrenten in Bezug auf Kaufkraft: Cash bzw. Bargeld. Die Phrase "cash is trash" (Bargeld ist wertloser Schund) kehrt sich um. Gold wird sich im letzten Stadium den Königsthron mit Bargeld wegen der Liquiditätszwänge teilen müssen. Ausserdem muss den Volkswirtschaftlehrbüchern ein neues Kapital hinzugefügt werden, denn es ist das erste Mal in der Geschichte, dass sich Schulden-Deflation aus einer Welt herausbildet, die in Gebirgen von Monopoly-ähnlichem Papiergeld erstickte.
Der allgemeine Abwärtssog erfasst nun den Markt auf breiter Front und irgendwann wird die Ausgangslage von Phase Eins wieder erreicht Es sei denn, eine vom Papiergeld völlig enttäuschte Bevölkerung erzwingt die Wiedereinführung des Goldstandards, was den Unzenpreis auf hohem (wenngleich nicht auf absurd hohem) Niveau fixieren und stabilisieren würde.
Aber selbst wenn die echten Segnungen des Goldstandards ausbleiben, die astronomischen Preise der Phase Drei schlussendlich wieder fallen und der Investor den rechtzeitigen Ausstieg verpasst, ist er immer noch besser gestellt wie die Halter von reinen Papierwerten. Denn erstens fällt der Wert des Midas Metalls niemals auf Null (im Gegensatz von Papier) und zweitens befindet sich ein Goldhalter immer noch im Vorteil, wenn sein Gold zwar nicht steigt, aber die ursprüngliche Kaufkraft seines Eigners erhält - während alle anderen "Mitinvestoren", die auf Papier gesetzt hatten, alles oder fast alles verlieren. Der Status Quo ist zweifelsohne immer noch sehr viel besser als der Totalverlust des (Papier-) Vermögens. Und drittens bildet sich am Ende von Phase Drei gewöhnlich ein neuer Preisboden, der zwar deutlich unter dem absoluten Rekord liegt, jedoch um ein Vielfaches über dem Ausgangspreis in Phase Eins angesiedelt ist.
Fazit
Die grossen Manipulatoren, Interventionisten und Herren des Papiergeldsystems verursachen Verzerrungen und immer grössere Fehlallokationen im globalen Wirtschafts-, Fiskal- und Finanzbereich. Diese werden den ökonomischen Gesetzen zufolge am Ende durch die niemals auf Dauer ausser Betrieb zu setzenden Marktkräfte wieder in schmerzhafter Weise krisenhaft korrigiert. Dies kann genau so wenig vermieden werden, wie die Wirkungen der Schwerkraft, es sei denn ein Wunder geschieht. Doch Wunder derartigen Ausmasses sind heute extrem selten geworden.
Im gleichen Masse, wie diese punitiven Massnahmen der Märkte greifen, steigen Angst, Unsicherheit und der Preis der Edelmetalle, insbesondere der des Goldes, wobei drei Phasen durchlaufen werden und dem grossen Höhepunkt am Ende von Phase Drei. Die Zentralbanken, Regierungen, Bullionbanken, "Gold-Shorter" und andere Goldhasser spielen dabei unwissentlich die Rolle der grossen Helfer des Goldmarktes. Im Gold haben sie sich einen mächtigen Gegner ausgesucht, der am Ende übermächtige Kräfte entwickelt und als König seinen einst verlorenen Thron wieder besetzen wird - und sei es nur für einige Jahre oder Jahrzehnte. Er muss sich allerdings in der von Deflation gekennzeichneten Schlussphase diesen Thron mit "Königin Bargeld" teilen.
Ob das Überschreiten der Schmerzgrenzen in den unabwendbaren Korrekturphasen für eine Wiedereinführung des Goldstandards ausreicht, muss die Zukunft zeigen. Not lehrt bekanntlich beten und Schmerz gefährdet die Dummheit. Ihre Lernfähigkeit haben die Jünger von McDonald’s, Hollywood, dem Papiergeldsystem, dem abstumpfenden Fernsehen und der Spassgesellschaft nur vorübergehend verloren. Dem Glanz des Goldes vermochte seit Jahrtausenden auf Dauer noch niemand zu widerstehen. Wieso sollte es diesmal anders sein? Also wappnen wir uns mit Geduld. Die Zeit, der Zyklus, die Schuldenmühlen, die Inflation, der falsche Fluss globaler Geldströme, der Derivate-Markt, die Energiemärkte wie auch die Notenbanker - und neuerdings sogar die Natur (z.B. die Hurrikane Katrina und Rita) - arbeiten für die Gemeinde der Goldgläubigen, die Gottgläubigen, falls noch vorhanden, eingeschlossen.
© Prof. Dr. Hans J. Bocker
Hinweis: Prof. Bocker wird am 18. und 19. November 2005 auf der 1. Internationalen Fachmesse für Edelmetalle & Rohstoffe (www.edelmetallmesse.com) in München anwesend sein. Besuchen sie ihn auf dem Stand von Gossan Resources Ltd.
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