Was den Goldpreis bewegen wird
30.10.2011 | Manfred Gburek
Die Preise von Gold und Silber haben auf die vorläufige sogenannte "Euro-Rettung" fast gar nicht reagiert. Das mag der eine oder andere Edelmetallfan bedauerlich finden, zumal die europäischen Aktienkurse unter Führung der Bankaktien wenigstens für einen Tag in die Höhe schossen und damit zu suggerieren schienen, nun sei alles bestens. Doch man kann die jüngste Entwicklung auch anders betrachten: Stünde wirklich alles zum Besten, hätte der Goldpreis einbrechen müssen, weil Gold ja zu einem erheblichen Teil die Funktion als sicherer Hafen ausübt, die sich dann erübrigen würde. Von einem solchen Einbruch ist nichts zu sehen, insofern kann die mangelnde Preisreaktion sogar als positives Signal für die Edelmetalle gewertet werden - zumal Minenaktien, die Sie gerade jetzt unbedingt weiter halten sollten, große Kurssprünge nach oben vollziehen.
Die Beschlüsse von Brüssel sind "eine Mischung aus Verträgen, Wünschen und Absichtserklärungen", habe ich in meiner Kolumne bei wiwo.de geschrieben. Schon einen Tag später hat das Bundesverfassungsgericht das Verfahren der deutschen Nothilfe zugunsten des Euro-Rettungsfonds für vorläufig nicht anwendbar erklärt. Die obersten Richter begründen ihren Beschluss im Wesentlichen mit den Entscheidungsrechten des Bundestages, die nicht von einem aus nur neun Personen bestehenden Sondergremium wahrgenommen werden dürfen.
Jetzt braucht man sich nur vorzustellen, was noch alles von griechischen, italienischen und sonstigen obersten Richtern oder Politikern im Euro-Raum entschieden werden könnte. Vor allem Italien dürfte da ein Wackelkandidat sein. Denn das dem Land verordnete Sparprogramm wird verschiedene parlamentarische und außerparlamentarische Gremien durchlaufen müssen. Dann wird sich zeigen, wie viel die Versprechen, die man Silvio Berlusconi in Brüssel abgerungen hat, wirklich wert sind.
Erst im Lauf der kommenden Monate dürfte bekannt werden, ob die Brüsseler Beschlüsse vertragsfest sind oder ob es in erster Linie um Wünsche und Absichtserklärungen geht. Viel hängt ausgerechnet von China ab. Und wer schon einmal erlebt hat, wie Chinesen verhandeln, wenn gravierende Entscheidungen zur Debatte stehen, weiß ihre taktische Zeitschinderei zu fürchten. Wer, wie in diesem Fall die Euro-Zone, als Bittsteller auftritt, muss sich auf schier endlose Verhandlungsrunden gefasst machen, die erst einmal keine befriedigenden Ergebnisse mit sich bringen. Deutsche Konzernbosse wie Heinrich Weiss vom Anlagenbauer SMS wissen ein Lied davon zu singen. Die chinesische Regierung wird jedenfalls in allem viel mehr Mitsprache einfordern, als die Europäer sich das zurzeit noch vorstellen - bis zum Vorschlag, gemeinsam mit dem Euro-Block gegen die Vorherrschaft des Dollars bei den Währungsreserven vorzugehen. Es wird also richtig spannend.
Zusätzliche Spannung ergibt sich daraus, dass in China "ein sehr fragwürdiger Untergrund-Darlehensmarkt" entstanden ist, wie der mit seinem Büro in Hongkong residierende Anlageprofi Marc Faber zu berichten weiß: Kreditvermittler garantieren der Regierung 5 Prozent Rendite und kassieren von Bauherren, die für Banken nicht mehr kreditwürdig sind, 10 Prozent Zinsen. Dass so etwas schief gehen muss, haben die USA mit ihrer vor vier Jahren ausgebrochenen "Subprime"-Krise erlebt. Aber wann es in China so weit sein wird, lässt sich kaum vorhersagen. Jedenfalls stecken hohe spekulative Kredite nicht nur in chinesischen Metropolen, wo sie sich vielleicht gerade noch rechtfertigen lassen, sondern auch in unwirtlichen Satellitenstädten mit hohem Leerstand.
Da drängt sich die Frage auf: In welchem Umfang werden Chinesen, die sich verspekulieren, später ihr Gold verkaufen, um liquide zu bleiben? Oder anders gefragt: Wird die chinesische Zentralbank mithilfe der Regierung ihren Landsleuten das Gold zum dann gängigen Marktpreis abkaufen? Beide Fragen sind heute noch nicht zu beantworten. Allerdings werden die Chinesen auf jeden Fall ihre Affinität zum Gold beibehalten. Und solange der Realzins (Nominalzins abzüglich Inflationsrate) in China wegen der, realistisch gemessen, zweistelligen Inflationsrate negativ bleibt, wird sich daran nichts ändern. Nur sollten Sie in nächster Zeit Informationen aus und über China zunehmend beachten und am besten auch dorthin reisen, um sich zumindest einen groben Überblick über das Land zu verschaffen.
Nachdem die Zentralbanken im vergangenen Jahr insgesamt zum ersten Mal wieder Nettokäufer von Gold waren, stellt sich die nächste Frage: Einjahresfliege oder neuer Trend? Bemerkenswert ist zunächst, dass weder die italienische Zentralbank, laut World Gold Council mit 2451,8 Tonnen Gold ausgestattet und weltweit immerhin die Nummer 4 unter den offiziellen Goldhaltern, noch die griechische, portugiesische oder sonstige Zentralbank aus dem Euro-Raum Anstalten macht, das Edelmetall zu verkaufen, um einen Teil der Schulden zu tilgen. Das wäre jeweils ohnehin nur der sprichwörtliche Tropfen auf den heißen Stein. Dagegen bewegt sich etwas anderes in Venezuela, mit 365,8 Tonnen weltweit Nummer 15 unter den Goldhaltern: Das Land will einen Großteil des Goldes, das im Ausland lagert (USA, England, Schweiz u.a.) in heimische Tresore packen. Daraus könnte wegen der immer mehr an Wert verlierenden Papiergeldberge und wegen des zunehmenden Misstrauens vieler Länder untereinander ein neuer Trend entstehen. Nicht auszuschließen ist, dass unabhängig davon auch die Nettokäufe einen neuen Trend markieren.
Wie steht es in diesem Zusammenhang um das deutsche Gold? Nachdem zuletzt der CSU-Politiker Peter Gauweiler vor Jahresfrist nach den Lagerorten für die damals gut 3401 Tonnen (weltweit Nummer 2) gefragt hatte, bekam er von der Bundesregierung die Antwort: teils in eigenen Tresoren in Deutschland, teils bei der Bank of England in London und bei der Federal Reserve Bank in New York, ein kleiner Teil bei der Banque de France in Paris. Das Gold nach Deutschland zu holen, erscheint zumindest in Bezug auf den New Yorker Anteil schwierig. Denn schon der frühere Bundesbank-Präsident Karl Blessing hatte den Amerikanern schriftlich versprochen, Dollar nicht gegen Gold zu tauschen. Wie dieses Versprechen heute und in Zukunft juristisch zu bewerten ist, wird wohl für immer offen bleiben.
Der nimmermüde Gauweiler hatte die Bundesregierung übrigens auch nach Plänen für einen neuen Goldstandard gefragt. Die Antwort: In der Bundesregierung gebe es, so wörtlich, "keine Befassung mit Plänen, die sich mit einem neuen System internationaler Wechselkurse befassen, in dem ein neuer Goldstandard eingeführt werden soll". Ergänzt war die in seltsamem Deutsch gegebene Antwort um den Zusatz "derzeit". Auch wenn man den nicht auf die Goldwaage legt, ist festzuhalten, dass die Europäische Zentralbank ihre Funktion als Anker einer stabilen Währung inzwischen durch den Aufkauf von Anleihen maroder Euro-Länder und so als deren Financier aufgegeben hat - wie schon längst ihre Schwester Fed in den USA. Damit bleibt vor allem Gold als Anker, weil es in dieser Funktion eine sehr lange Tradition hat. Bis daraus so etwas wie ein Goldstandard erwächst, können Jahre vergehen, Jahre, in denen der Goldpreis im Trend weiter aufwärts tendieren wird, zwischenzeitliche Unterbrechungen wie zuletzt inbegriffen.
© Manfred Gburek
www.gburek.eu
Herr Gburek ist Fachjournalist und Buchautor. Seine letzten Werke waren: "Das Goldbuch" (2005), das Wörterbuch "Geld und Gold klipp und klar von A bis Z" (2007) und "Die 382 dümmsten Sprüche der Banker" (2008).
Die Beschlüsse von Brüssel sind "eine Mischung aus Verträgen, Wünschen und Absichtserklärungen", habe ich in meiner Kolumne bei wiwo.de geschrieben. Schon einen Tag später hat das Bundesverfassungsgericht das Verfahren der deutschen Nothilfe zugunsten des Euro-Rettungsfonds für vorläufig nicht anwendbar erklärt. Die obersten Richter begründen ihren Beschluss im Wesentlichen mit den Entscheidungsrechten des Bundestages, die nicht von einem aus nur neun Personen bestehenden Sondergremium wahrgenommen werden dürfen.
Jetzt braucht man sich nur vorzustellen, was noch alles von griechischen, italienischen und sonstigen obersten Richtern oder Politikern im Euro-Raum entschieden werden könnte. Vor allem Italien dürfte da ein Wackelkandidat sein. Denn das dem Land verordnete Sparprogramm wird verschiedene parlamentarische und außerparlamentarische Gremien durchlaufen müssen. Dann wird sich zeigen, wie viel die Versprechen, die man Silvio Berlusconi in Brüssel abgerungen hat, wirklich wert sind.
Erst im Lauf der kommenden Monate dürfte bekannt werden, ob die Brüsseler Beschlüsse vertragsfest sind oder ob es in erster Linie um Wünsche und Absichtserklärungen geht. Viel hängt ausgerechnet von China ab. Und wer schon einmal erlebt hat, wie Chinesen verhandeln, wenn gravierende Entscheidungen zur Debatte stehen, weiß ihre taktische Zeitschinderei zu fürchten. Wer, wie in diesem Fall die Euro-Zone, als Bittsteller auftritt, muss sich auf schier endlose Verhandlungsrunden gefasst machen, die erst einmal keine befriedigenden Ergebnisse mit sich bringen. Deutsche Konzernbosse wie Heinrich Weiss vom Anlagenbauer SMS wissen ein Lied davon zu singen. Die chinesische Regierung wird jedenfalls in allem viel mehr Mitsprache einfordern, als die Europäer sich das zurzeit noch vorstellen - bis zum Vorschlag, gemeinsam mit dem Euro-Block gegen die Vorherrschaft des Dollars bei den Währungsreserven vorzugehen. Es wird also richtig spannend.
Zusätzliche Spannung ergibt sich daraus, dass in China "ein sehr fragwürdiger Untergrund-Darlehensmarkt" entstanden ist, wie der mit seinem Büro in Hongkong residierende Anlageprofi Marc Faber zu berichten weiß: Kreditvermittler garantieren der Regierung 5 Prozent Rendite und kassieren von Bauherren, die für Banken nicht mehr kreditwürdig sind, 10 Prozent Zinsen. Dass so etwas schief gehen muss, haben die USA mit ihrer vor vier Jahren ausgebrochenen "Subprime"-Krise erlebt. Aber wann es in China so weit sein wird, lässt sich kaum vorhersagen. Jedenfalls stecken hohe spekulative Kredite nicht nur in chinesischen Metropolen, wo sie sich vielleicht gerade noch rechtfertigen lassen, sondern auch in unwirtlichen Satellitenstädten mit hohem Leerstand.
Da drängt sich die Frage auf: In welchem Umfang werden Chinesen, die sich verspekulieren, später ihr Gold verkaufen, um liquide zu bleiben? Oder anders gefragt: Wird die chinesische Zentralbank mithilfe der Regierung ihren Landsleuten das Gold zum dann gängigen Marktpreis abkaufen? Beide Fragen sind heute noch nicht zu beantworten. Allerdings werden die Chinesen auf jeden Fall ihre Affinität zum Gold beibehalten. Und solange der Realzins (Nominalzins abzüglich Inflationsrate) in China wegen der, realistisch gemessen, zweistelligen Inflationsrate negativ bleibt, wird sich daran nichts ändern. Nur sollten Sie in nächster Zeit Informationen aus und über China zunehmend beachten und am besten auch dorthin reisen, um sich zumindest einen groben Überblick über das Land zu verschaffen.
Nachdem die Zentralbanken im vergangenen Jahr insgesamt zum ersten Mal wieder Nettokäufer von Gold waren, stellt sich die nächste Frage: Einjahresfliege oder neuer Trend? Bemerkenswert ist zunächst, dass weder die italienische Zentralbank, laut World Gold Council mit 2451,8 Tonnen Gold ausgestattet und weltweit immerhin die Nummer 4 unter den offiziellen Goldhaltern, noch die griechische, portugiesische oder sonstige Zentralbank aus dem Euro-Raum Anstalten macht, das Edelmetall zu verkaufen, um einen Teil der Schulden zu tilgen. Das wäre jeweils ohnehin nur der sprichwörtliche Tropfen auf den heißen Stein. Dagegen bewegt sich etwas anderes in Venezuela, mit 365,8 Tonnen weltweit Nummer 15 unter den Goldhaltern: Das Land will einen Großteil des Goldes, das im Ausland lagert (USA, England, Schweiz u.a.) in heimische Tresore packen. Daraus könnte wegen der immer mehr an Wert verlierenden Papiergeldberge und wegen des zunehmenden Misstrauens vieler Länder untereinander ein neuer Trend entstehen. Nicht auszuschließen ist, dass unabhängig davon auch die Nettokäufe einen neuen Trend markieren.
Wie steht es in diesem Zusammenhang um das deutsche Gold? Nachdem zuletzt der CSU-Politiker Peter Gauweiler vor Jahresfrist nach den Lagerorten für die damals gut 3401 Tonnen (weltweit Nummer 2) gefragt hatte, bekam er von der Bundesregierung die Antwort: teils in eigenen Tresoren in Deutschland, teils bei der Bank of England in London und bei der Federal Reserve Bank in New York, ein kleiner Teil bei der Banque de France in Paris. Das Gold nach Deutschland zu holen, erscheint zumindest in Bezug auf den New Yorker Anteil schwierig. Denn schon der frühere Bundesbank-Präsident Karl Blessing hatte den Amerikanern schriftlich versprochen, Dollar nicht gegen Gold zu tauschen. Wie dieses Versprechen heute und in Zukunft juristisch zu bewerten ist, wird wohl für immer offen bleiben.
Der nimmermüde Gauweiler hatte die Bundesregierung übrigens auch nach Plänen für einen neuen Goldstandard gefragt. Die Antwort: In der Bundesregierung gebe es, so wörtlich, "keine Befassung mit Plänen, die sich mit einem neuen System internationaler Wechselkurse befassen, in dem ein neuer Goldstandard eingeführt werden soll". Ergänzt war die in seltsamem Deutsch gegebene Antwort um den Zusatz "derzeit". Auch wenn man den nicht auf die Goldwaage legt, ist festzuhalten, dass die Europäische Zentralbank ihre Funktion als Anker einer stabilen Währung inzwischen durch den Aufkauf von Anleihen maroder Euro-Länder und so als deren Financier aufgegeben hat - wie schon längst ihre Schwester Fed in den USA. Damit bleibt vor allem Gold als Anker, weil es in dieser Funktion eine sehr lange Tradition hat. Bis daraus so etwas wie ein Goldstandard erwächst, können Jahre vergehen, Jahre, in denen der Goldpreis im Trend weiter aufwärts tendieren wird, zwischenzeitliche Unterbrechungen wie zuletzt inbegriffen.
© Manfred Gburek
www.gburek.eu
Herr Gburek ist Fachjournalist und Buchautor. Seine letzten Werke waren: "Das Goldbuch" (2005), das Wörterbuch "Geld und Gold klipp und klar von A bis Z" (2007) und "Die 382 dümmsten Sprüche der Banker" (2008).