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Von der Geld- zur Goldillusion

04.08.2013  |  Manfred Gburek
Aktuell werden unter Volkswirten und Börsianern zwei populäre Thesen heiß diskutiert, die sehr viel über die mögliche Zukunft unseres Geldes aussagen. Die erste, die den Begriff der finanziellen Repression in den Mittelpunkt rückt, besagt: Der Staat entschuldet sich - nebst anderen Schuldnern - im Zuge der niedrigen, unter der Inflationsrate liegenden Zinsen zu Lasten der Sparer. Die zweite These geht davon aus, dass wir unsere Schulden auf die nächste Generation abwälzen.

Gegen die erste These ist auf Anhieb scheinbar nichts einzuwenden. Doch schon nach kurzer Überlegung fragt man sich: Wie lange braucht der Staat, um sich zu entschulden? Hat er überhaupt vor, seine Schulden loszuwerden? Und sind die Sparer wirklich so doof, dass sie sich möglicherweise jahrelang sukzessive enteignen lassen, ohne die Konsequenzen zu ziehen und mit ihrem Geld etwas Gescheiteres zu unternehmen als es dem Staat zu opfern?

Seltsam ist, dass auch die zweite These allzu oft widerspruchsfrei vertreten wird, obwohl sie unsinnig ist. Die nächste Generation hustet uns ja schon jetzt etwas, indem sie nicht im Traum daran denkt, unsere Schulden zu übernehmen. Am unteren Rand der Gesellschaft begibt sie sich über Hartz IV in staatliche Obhut, am oberen Rand erkennt sie nur schuldenfreie Erbschaften an. Derweil beteiligt sich der rackernde und ackernde Mittelstand fleißig am Schuldenmachen, indem er eine hochprozentige Unternehmensanleihe nach der anderen platziert, Zins- und Rückzahlung nicht unbedingt sicher.

Die erste Reaktion der Sparer auf das niedrige Zinsniveau bestand - und besteht zum Teil weiterhin - im Ausfindigmachen von Angeboten der Direktbanken, die eine Stelle hinter dem Komma etwas großzügiger sind als die Hausbank oder -sparkasse. Weitere Reaktionen konzentrieren sich auf die erwähnten Unternehmensanleihen, den Renditehimmel auf Erde versprechende Fonds und Zertifikate, Aktien, für den großen Geldbeutel Immobilien und in geringerem Umfang Edelmetalle.

Zwar bestehen Chancen, mit diesen Anlagen besser abzuschneiden als mit dem Tages- oder Festgeldkonto, aber es gibt halt auch Risiken, und die sind in einigen Fällen nicht ohne: Unternehmensanleihen, vor allem die stark beworbenen, haben zum Teil eine miserable Bonität, sodass Zahlungsausfälle drohen. Fonds und Zertifikate sind in erster Linie Provisionsbringer für Banken und Sparkassen; ob deren Kunden Erfolg haben, bleibt allzu oft Glückssache.

Aktien mögen noch so hohe, weit über dem allgemeinen Zinsniveau liegende Dividendenrenditen bringen, dennoch unterliegen ihre Kurse immer dem Schwankungsrisiko. Immobilien bedeuten, abgesehen von ihrer geringen Fungibilität, für die meisten Anleger ein Klumpenrisiko. Und die Preise der zinslosen Edelmetalle schwanken halt, solange unter Anlegern der Glaube vorherrscht, der Wert des sogenannten Papiergeldes sinke nicht ins Bodenlose, Geldillusion genannt.

Wir haben es also mit ganz unterschiedlichen Risiken zu tun. Umso wichtiger ist deren Abwägung mit den Chancen: Anleihen seriöser Unternehmen mit ordnungsgemäßer Zinszahlung und Tilgung bringen das Doppelte bis Dreifache von Tages- und Festgeldern. Fonds können bei richtiger Auswahl und gutem Management noch höhere Erträge abwerfen, Zertifikate allerdings nur im äußersten Glücksfall. Für Aktien mit hohem Gewinnpotenzial ist die Aussicht nach oben sogar weit offen, für Immobilien am richtigen Standort ebenfalls.

Und Edelmetalle? Nachdem ihre Preise bis 2011 zehn Jahre lang aus verschiedenen Gründen - erst Auflösung von Shorts, dann Nachholbedarf, chinesische Käufe, Edelmetallfonds, spekulative Nachfrage u.a. - gestiegen waren und zuletzt eingeknickt sind, besteht speziell für Gold und in seinem Gefolge für Silber jetzt die Chance auf den Wandel von der Geld- zur Goldillusion.

Was steckt dahinter? Greifen wir zunächst die eingangs erwähnten Thesen auf. Die Entschuldung von Staaten und anderen Schuldnern zu Lasten der Sparer kann nur so lange gut gehen, bis denen dabei unwohl wird und sie deshalb der Geldillusion abschwören. Das kann von heute auf morgen geschehen, aber auch noch eine begrenzte Zeit dauern. Den genauen Zeitpunkt heute festzulegen, ist unmöglich. Sicher ist indes, dass er kommen wird, bevor wir alle alt und grau sind. Denn die Höhe der bereits aufgelaufenen Schulden macht deren Rückzahlung in absehbarer Zeit unmöglich, sodass das Misstrauen in das Papiergeld exponentiell wachsen wird.

Wie steht es darum, dass wir unsere Schulden einfach auf die nächste Generation abwälzen? Dieses Scheinargument wird seit vielen Jahren allzu oft von Politikern der jeweiligen Opposition als Warnung in die Schuldendebatte geworfen. Doch wie schon argumentiert, sind unsere Kinder und Kindeskinder clever genug, sich die Schulden der Eltern und Großeltern nicht aufbürden zu lassen. Wie sie sich konkret wehren werden, bleibt einstweilen offen. Der Kauf von Gold und Silber ist da sicher nur eine von mehreren Optionen.

Neulich habe ich von einem erfahrenen Börsianer, mit dem ich regelmäßig Gedanken austausche, den Satz aufgeschnappt:

Hohe Gewinne und hohe Verluste werden an der Börse oft in ganz kurzer Zeit gemacht. Mir sind bei dieser Gelegenheit gleich ganz viele Aktien durch den Kopf gegangen, etwa die vom ehemaligen Neuen Markt, die 1999 wie Raketen stiegen und kurz darauf verglühten, oder südafrikanische Goldaktien, die 2001/02 zu den Highflyern gehörten, aber danach erst unterdurchschnittlich performten und zuletzt in sich zusammenfielen.

Zwischen dem Ausfindigmachen potenzieller Raketen und deren Anstieg kann viel Zeit vergehen. Am Neuen Markt waren es die - von heftigen temporären Unterbrechungen begleiteten - Jahre zwischen 1996 und 1999, bei den Südafrikanern mindestens eineinhalb Jahre zwischen September 1999 und März 2001, als die Edelmetallpreise nach einem kurzen fulminanten Anstieg erst einmal vor sich hin konsolidierten.

Was ich damit betonen will: Um vor solchen Gelegenheiten rechtzeitig dabei zu sein, benötigen Sie neben einem gewissen Spürsinn für das, was demnächst abgehen könnte, auch sehr viel Geduld. Der Wechsel von der Geld- zur Goldillusion wird Ihnen sicher noch eine solche Geduld abverlangen. Bleiben Sie trotzdem weiter Ihrem Gold wie auch Ihrem Silber treu und denken Sie dabei an den Spruch meines zitierten Gesprächspartners.


© Manfred Gburek
www.gburek.eu

Herr Gburek ist Fachjournalist und Buchautor. Seine letzten Werke waren: "Das Goldbuch" (2005), das Wörterbuch "Geld und Gold klipp und klar von A bis Z" (2007) und "Die 382 dümmsten Sprüche der Banker" (2008).



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