Nach dem EU-Gipfel – EZB am Zuge
11.12.2011 | Klaus Singer
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Zudem wird sich mit den beschlossenen Maßnahmen am makroökonomischen Gefüge nichts ändern. Insbesondere die impliziten Zahlungsbilanz-Ungleichgewichte durch Produktivitätsunterschiede werden nicht angegangen. Der Druck auf die PIIGS, sich durch Deflation anzupassen, bleibt bestehen. Und damit bleiben auch die inneren Spannungen der Eurozone erhalten, wie sie sich z.B. beiTaget2 zeigen.
Damit hat dieser Gipfel (wieder einmal) keine Weichen zur nachhaltigen Lösung der Euro-Krise gestellt. Besser der Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach? Gibt es noch kleinere Vögel als Spatzen?
Nur noch einmal zur Erinnerung, falls es demnächst heißen sollte, die Krise sei Vergangenheit: Italien z.B. muss in den nächsten zwei Jahren 400 Mrd. Euro an Staatsschulden refinanzieren (siehe Chart!).
Ein weiterer Punkt zum Thema "Ende der Krise": Die jetzt veröffentlichten Ergebnisse eines erweiterten Stresstests bei europäischen Banken sind düster. Aus den neuen Eigenkapitalvorschriften (Tier-1-Ratio von 9%) in Zusammenhang mit marktnäherer Bewertung von Staatsanleihen ergibt sich ein Kapitalbedarf von insgesamt 115 Mrd. Euro. Die deutschen Banken haben eine Kapitallücke von 13,1 Mrd. Euro, die französischen eine von 7,3 Mrd. Euro. Die größte Lücke aller untersuchten Banken hat die spanische Banco Santander mit 15,3 Mrd. Euro.
Angesichts der Tatsache, dass nahezu alle Banken aktuell an der Börse unter ihrem Buchwert gehandelt werden und weiterem Druck auf ihre Gewinne ausgesetzt sind, dürften nur wenige in der Lage sein, frisches Eigenkapital zu heben. Die Unicredit will Anfang 2012 per Kapitalerhöhung 7,5 Mrd. Euro einsammeln. Das wird ein wichtiger Test!
Wenn die Banken kein ausreichendes Eigenkapital beschaffen können, wovon auszugehen ist, bleibt nur "Deleveraging". Morgan Stanley schätzt, dass über die nächsten 18 Monate drei bis fünf Prozent ihrer Assets (oder 1,5 bis 2,5 Bill. Euro absolut) abgebaut werden müssen. Andere Schätzungen gehen von bis zu zehn Prozent aus. Da gleichzeitig politischer Druck ausgeübt wird, die Kreditvergabe "vor der Haustür" nicht einzuschränken, dürften vor allem die Ausleihungen im internationalen Geschäft, vor allem in Asien, zurückgefahren werden. Die US-Banken wird es freuen.
Die Banken an der europäischen Peripherie stehen am stärksten unter Druck (siehe Tabelle). Oben an stehen Zypern, Griechenland, Portugal und Spanien.
Auch hier kann nur wieder das unfähige sich-treiben-lassen der europäischen Politik herausgestellt werden. Da verbringt man zunächst einmal viel Zeit damit, in 2010 einen Stresstest zu fabrizieren, der nur bei hellstem Sonnenschein funktionierte. Denn schon vier Monate später stand die irische Bankindustrie am Abgrund, die den Test zuvor klaglos passiert hatte. Dann wurde im Juli ein weiterer Test veranstaltet, ebenfalls unter wenig realen Bedingungen. Man hätte viel Zeit gehabt, beizeiten gegenzusteuern und die Banken krisenfester zu machen. Jetzt kommt alles zusammen - höhere Kapitalanforderungen, eine Bankenkrise, eine Staatsschuldenkrise und der schnell nachlassende Crack-up-Boom nach dem Herbst 2008.
Es gibt viel zu tun für die EZB.
Angesichts dieser Umstände steht noch dahin, ob das kommende Jahr ein gutes Börsenjahr für Long-Positionen wird. Hinzu kommt bei Aktien, dass das Kurs-Gewinn-Verhältnis im S&P 500 keineswegs "billig" ist, es liegt immer noch ein Drittel über dem langfristigen Mittelwert von rund 14 (siehe Chart! http://www.multpl.com). Und so lange die Inflationserwartungen zusätzlich verhalten bleiben oder sogar nachgeben, wie es angesichts der konjunkturellen Situation zu erwarten ist, fehlt von hierher ein Kauf-Anreiz (mal abgesehen von einer immer noch möglichen "Weihnachts-Rallye").
Inflation - das ist genau das Thema, was in der nächsten Zeit hoch gekocht werden dürfte, wenn die EZB wie erwartet ihr SMP-Programm ausweitet und PIIGS-Sondermüll in ihre Bücher nimmt. Dabei sollte man im Hinterkopf behalten: Eine mechanische Verkopplung von Geldmenge im Finanzsektor und Inflation der Realwirtschaft gibt es nicht, erst recht nicht bei nachlassendem Wirtschaftswachstum. Inflationserwartungen spielen sicher keine unwesentliche Rolle, aber sie sind kein eigenständiger Faktor, sie wirken lediglich verstärkend oder bremsend auf einen makroökonomischen Trend.
Die Entwicklung des Goldpreises hat nach Untersuchungen von Wainright Economics einen Vorlauf von etwa 12 Monaten auf die Inflationsentwicklung. Insofern dürfte das Edelmetall nun verstärkt in den Fokus rücken, zumal Gold nicht mehr fern eines wichtigen Supports notiert.
Der Seismograph für das Urteil der "Märkte" zum EU-Gipfel ist der Dollar-Index, auch das Währungspaar Euro/Dollar. Beide zeigten zuletzt leichte Entspannung, aber noch keine "Freude" an. Hier wird man genau auf die EZB achten. Jegliches Zeichen für eine Ausweitung ihres SMP-Programms dürfte sich umgehend in Schwäche des Dollar-Index, bzw. Stärke des Euro niederschlagen.
Erwähnte Charts und Beiträge können hier eingesehen werden: http://www.timepatternanalysis.de/Blog/
© Klaus G. Singer
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