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Der Goldpreis, die Zinsen und ein schreckliches Szenario

08.09.2013  |  Manfred Gburek
Seit Wochen fragen sich viele Anleger nach dem Zusammenhang von steigenden Zinsen bzw. Staatsanleihen-Renditen und dem zwischenzeitlich gefallenen Goldpreis. Die Antwort, die sie - in der Regel über Medien - erhalten, lautet auf einen Nenner gebracht überwiegend so: Höhere Zinsen machen das zinslose Gold weniger attraktiv. Es wird indes höchste Zeit, diese Aussage zu hinterfragen, denn sie ist einseitig und entspringt in erster Linie dem Gedankengut von Theoretikern, die offenbar noch nicht mitbekommen haben, dass in den 70er Jahren die Zinsen und der Goldpreis gemeinsam um die Wette stiegen. Machen wir also den Irrtum an zwei wichtigen Punkten fest:

1. Stiege etwa die Rendite zehnjähriger US-Staatsanleihen in relativ kurzer Zeit von derzeit knapp 3 auf 6 Prozent und die der zehnjährigen Bundesanleihen von derzeit gut 2 auf 4 Prozent, müsste dies den Goldpreis nach Ansicht der Theoretiker kräftig fallen lassen. Doch das ist allein schon deshalb unwahrscheinlich, weil solche Renditeanstiege ja nicht aus der Luft kommen, sondern ihre Ursachen woanders haben, etwa in der Kreditverknappung oder in Inflationserwartungen.

Im ersten Fall hieße das, dass es einem ganzen Land und speziell den dortigen Unternehmen gut ginge, was - mit Ausnahme einer gewissen Konkurrenz zwischen Aktien- und Goldanlagen - nicht unbedingt schlecht für das Edelmetall sein muss. Und im zweiten Fall müsste der Goldpreis sogar stark steigen, weil solchen Inflationserwartungen, die mit einer Verdoppelung der Anleiherenditen einher gehen, erfahrungsgemäß eine kaum noch zu bändigende Inflation folgen dürfte.

2. Die Theoretiker tun so, als gäbe es für Anleger nur eine einzige Alternative: Zinsanlagen oder Gold. Dadurch klammern sie Anlagen mit hohen Volumina aus, wie Aktien und Immobilien, ganz zu schweigen von allerlei Fonds oder von den in Deutschland arg verbreiteten Kapitallebensversicherungen und Zertifikaten. Geht man die Anlage-Präferenzen in allen großen Volkswirtschaften durch, bleibt von der Idee mit der einzigen Alternative nicht mehr viel übrig.

An dieser Stelle muss man sich fragen: Wie steht es denn nun wirklich um den Zusammenhang von Zinsen und Goldpreis? Ein kniffliges Thema, wie schon die bisherigen Überlegungen gezeigt haben. Versuchen wir trotzdem eine Antwort zu finden. Da gibt es zunächst den Zins, den die Notenbanker Bernanke, Draghi & Co. mit aller Macht nahe Null halten. Er kann allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass es noch einen Marktzins gibt, der sich besonders prägnant in den seit Monaten steigenden Anleiherenditen widerspiegelt.

Nun kann man dazu Überlegungen anknüpfen wie diese: Dass die Schere zwischen Notenbankzins und Marktzins immer weiter auseinander geht, ohne dass etwas passiert. Oder wie diese: Dass die Notenbanker Staats- und sogar andere Anleihen in einem so großen Umfang kaufen, dass der Marktzins am Ende eher in Richtung Notenbankzins nach unten tendiert als umgekehrt. Spinnt man diesen Gedanken konsequent fort, ergibt sich ein schreckliches Szenario: Marode Geschäftsbanken und Staaten werden dank des umfangreichen Anleihenkaufs durch die Notenbanken zwar gerettet, aber mit der Folge, dass Geschäftsbanken noch mehr zu Spielhöllen werden als bisher und der Schlendrian in Schuldenstaaten total überhand nimmt.

Auf der Suche nach weiteren Argumenten zu diesem Komplex habe ich im "Degussa Marktreport" vom 19. Juli den folgenden Passus gefunden: "Die Zinsmanipulation der Zentralbanken sichert zwar die Zahlungsfähigkeit des Banken- und Finanzsystems, sie legt dadurch jedoch die Saat für die nächste Krise. Und werden Forderungen gegenüber Staaten und Banken nicht vorher gelöscht, wird diese Geldpolitik Termin- und Spareinlagen und Staats-, Banken- und Unternehmensanleihen durch Inflation entwerten."

EZB-Präsident Mario Draghi hat das brisante Thema zuletzt auf seine Weise angepackt: Forward Guidance (sinngemäß: Zinsausblick), so heißt die Methode, die für einen ordentlichen Ablauf der EZB-Politik sorgen soll. Man werde handeln, falls die Zinssätze am Geldmarkt stärker steigen sollten als von der EZB gewünscht. "Wir sind bereit zu handeln", legte er dann nach. Als Alternativen schweben ihm vor: eine weitere Zinssenkung oder noch mehr Liquidität. Draghis Aussagen ließen den Markt nicht kalt, sie lösten unter Börsianern sogar erhebliche Zweifel an der Forward Guidance aus.

Es gibt zwar keinen unmittelbaren Zusammenhang zwischen der Geldpolitik der EZB - sowie der Fed in den USA - und dem Goldpreis, wohl aber einen mittelbaren: Wenn die Notenbanker diesseits wie jenseits des Atlantiks alles andere als den Eindruck vermitteln, sie könnten die Märkte effektiv steuern, macht sich unter Börsianern Unsicherheit breit. Die kann dann, zumal wenn der Syrien-Konflikt eskalieren sollte, zur Flucht in alles führen, was Sicherheit verspricht. Dazu gehörten bis vor etwa einem Jahr auch deutsche und amerikanische Staatsanleihen. Deren beste Zeit ist abgelaufen. Gold dagegen gilt - bei allen Preisschwankungen, die es in den vergangenen Monaten mitgemacht hat - nach wie vor als sicher.

Um dies zu unterstreichen, zitiere ich hier Bruno Bandulet, Herausgeber des Spezialdienstes "Gold & Money Intelligence", aus der September-Ausgabe: "In Wirklichkeit hat sich am Goldmarkt im zweiten Quartal eine dramatische, beispiellose Verschiebung von West nach Ost, insbesondere von den USA nach China und Indien, abgespielt. Bemerkenswert waren eben nicht das Gesamtangebot oder die Gesamtnachfrage - die schwanken seit langem zwischen 1000 und 1200 Tonnen pro Quartal. Außergewöhnlich war vielmehr, wie viel im Westen verkauft und in Asien gekauft wurde."

Fazit: Die Faktoren, die den Goldpreis beeinflussen, gehen weit über die Zinsen hinaus, und die können im Fall des Anstiegs wie zurzeit sogar Inflationsindikatoren sein und damit den Goldpreis puschen. Der Zusammenhang zwischen Gold und Zinsen ist komplex. Notenbanken laufen Gefahr, mit ihrer Geldpolitik den Falschen zu helfen, nämlich spielsüchtigen Geschäftsbanken und klammen Staaten. Und dass die Goldnachfrage sich von West nach Ost verschiebt, spricht für das Edelmetall.


© Manfred Gburek
www.gburek.eu

Herr Gburek ist Fachjournalist und Buchautor. Seine letzten Werke waren: "Das Goldbuch" (2005), das Wörterbuch "Geld und Gold klipp und klar von A bis Z" (2007) und "Die 382 dümmsten Sprüche der Banker" (2008).



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