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Klartext zu Gold und Aktien

18.12.2011  |  Manfred Gburek
Wirtschaftsthemen mit den Schwerpunkten Staatsschulden-, Banken- und Euro-Krise haben inzwischen von der ganzen Bevölkerung Besitz ergriffen. Jetzt auch von der Gesellschaft für die deutsche Sprache, die "Stresstest" zum Wort des Jahres und „hebeln“ auf den zweiten Platz gewählt hat. Stresstest, das ist, aus aktueller Sicht durch die ökonomische Brille betrachtet, unter anderem der Unsinn, den die in London residierende Bankenaufsicht European Banking Authority (EBA) neulich zum zweiten Mal verzapft hat. Und die Milliarden zur Euro-Rettung nach oben hebeln, das ist längst von gestern, denn mittlerweile sind diesem - sagen wir zwölften - Rettungsversuch längst der dreizehnte bis zwanzigste gefolgt. Die Erkenntnis aus der Wort-des-Jahres-Klauberei: Die Krise vernebelt die Köpfe.

Da scheint es sich gut zu treffen, dass jetzt nach Kanzlerin Angela Merkel und Bundesbank-Präsident Jens Weidmann auch Christine Lagarde Tacheles redet, ihres Zeichens Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), nachdem ihr Vorgänger Dominique Strauss-Kahn offenbar mal wieder seine Hormone nicht im Griff hatte: Madame fürchtet, es könnte zu einer weltweiten Depression kommen, und plädiert für Prophylaxe, die im Kern der Krise beginnen müsse, der - na klar - in Europa und speziell im Euro-Raum zu finden sei. Die Erkenntnis hier: Lagarde bemüht das böse D-Wort, nicht um etwa die tatsächlich drohende Depression abzuwenden, sondern um im Streit über die Aufstockung der IWF-Finanzen in Richtung Merkel und Weidmann ein Machtwort zu sprechen.

Hier geht es nicht mehr allein um die Bewältigung der Krise, die längst zur Hydra ausgewachsen ist, sondern um taktische Spielchen. Das verwirrt die Teilnehmer an allen relevanten Märkten so sehr, dass sie die Kurse bzw. Preise rauf und runter jagen, zuletzt überwiegend runter. Das wirkt sich vorübergehend negativ auf Aktienkurse, Edelmetall- und Rohstoffpreise aus, zumal schon wieder Schwarzmaler am Werk sind, die - wie das ifo-Institut - mal eben ihre 2012er Wachstumsprognose für Deutschland vom Sommer (plus 2,3 Prozent) kassieren und durch eine neue von nur noch 0,4 Prozent ersetzen.

Im Zusammenhang mit den unruhigen Märkten verdient der zuletzt auffallend schwache Goldpreis besondere Beachtung: Hier besteht um 1600 Dollar, wie bereits aus Anlass des vorangegangenen Preissturzes vor vielen Wochen erwähnt, eine Auffanglinie; das heißt, potenzielle Käufer haben um 1600 Dollar Großaufträge platziert. Trotzdem ist der Preis zwischenzeitlich darunter gefallen, sodass auch Schnäppchenjäger zum Zuge kommen. Generell erklärbar ist dieses Phänomen damit, dass die Marktteilnehmer am Goldmarkt äußerst heterogen sind.

Speziell bedeutet das: Es gibt ganz verschiedene Kauf- und Verkaufsmotive. Konzentrieren wir uns auf die Käufergruppe. Sie variiert zwischen Zentralbanken, der chinesischen und indischen Schmuckindustrie, weiteren Goldverarbeitern, Vermögensverwaltern, reichen Privatpersonen, Altgoldkäufern, Hedgefonds, Tradern und börsengehandelten Fonds unter Führung des SPDR Gold Trust. Die einen sind langfristig orientiert, die anderen kurzfristig.

Die einen, zum Beispiel Anleger aus dem Euro-Raum, können sich bei einem im Vergleich zum Euro steigenden Dollar damit trösten, dass der Goldpreisrückgang in Euro weniger schlimm ausfällt. Dasselbe gilt noch extremer für Anleger, die Gold gegen indische Rupien gekauft haben. Dagegen sind Dollar-Anleger stärker betroffen - allerdings nur so lange, wie die US-Währung steigt.

Dabei ist ein weiterer Aspekt zu beachten: Dollar und Gold gelten traditionell als Gegensätze: Ein starker Dollar zieht den Goldpreis nach unten, ein schwacher lässt ihn steigen. Stärke und Schwäche werden in diesem Fall aus deutscher Sicht, ebenfalls traditionell, am Euro gemessen (früher an der Mark). Nur haben wir jetzt eine Euro-Krise, der Euro taugt also nur noch bedingt als Messlatte. Daraus folgt unter anderem: Mag der Dollar im Vergleich zum Euro noch so sehr steigen, bedeutet das längst noch nicht, dass der Goldpreis deshalb fallen muss.

Schon aus der kleinen Aufzählung und der Berücksichtigung von Währungsrelationen geht hervor, wie komplex das Thema Gold ist und warum man diese Komplexität gerade aktuell beachten sollte. Oder konkret formuliert: Noch bieten Preisrückgänge wie der aus den vergangenen Tagen Kauf- bzw. Rückkaufgelegenheiten. Das gilt im Prinzip auch für Silber und für die Aktien der großen bis mittleren Goldkonzerne.

Eine bewährte Methode, die Preiswürdigkeit von Gold zu messen, besteht darin, seinen Unzenpreis ins Verhältnis zum US-Aktienbarometer Dow Jones zu setzen. Die hierbei verwendete Dow-Gold-Relation beträgt aktuell etwa 7. Ihr niedrigster Wert während der vergangenen Jahrzehnte lag Anfang 1980 für einen Tag etwas über 1, ihr höchster kurz vor der Jahrtausendwende bei 45. Der ultimative Ausbruch nach unten steht noch aus. Theoretisch kann er entweder durch einen Dow-Rückgang oder durch einen Goldpreisanstieg oder durch eine Kombination beider Entwicklungen zustande kommen. Welche am Ende ausschlaggebend sein wird, dürfte sich erst im kommenden Jahr entscheiden. Auch die Unsicherheit darüber ließ den Goldpreis in den vergangenen Monaten so heftig hin und her pendeln. Doch wie beschrieben, ergibt sich daraus nun eine Kaufgelegenheit.

Da wir gerade bei Aktien sind, hier noch eine weitere Überlegung: Der Dow begann seinen mehrjährigen Anstieg nach dem 2. Weltkrieg im Jahr 1949; anschließend verfünffachte er sich bis 1961 und ging dann unter Schwankungen weiter im Trend nach oben, bis er zum Ende der 60er Jahre ganz an Schwung verlor. Danach schwankte er bis 1982 im Trend seitwärts, wobei es ihn 1970 und 1974 schwer erwischte. Von 1982 bis 2000 schlug er wieder den Trend nach oben ein; der Crash von 1987 war nur eine schnell vorübergehende Erscheinung.

Nun die Quintessenz daraus: Zwischen dem Beginn der ersten Aufwärtsbewegung 1949 und dem Beginn der zweiten 1982 lagen 33 Jahre. Demzufolge könnte die nächste Dow-Aufwärtsbewegung 2015 beginnen. Indes sollte man die Jahreszahlen nicht so genau nehmen, sondern einfach nur davon ausgehen, dass ein Aktien-Megatrend zirka drei Jahrzehnte lang plus/minus das eine oder andere Jahr anhält. Das hat wohl damit etwas zu tun, dass eine Generation üblicherweise ebenfalls gut drei Jahrzehnte dauert. Mithin erscheint es sinnvoll, schon jetzt Aktien ins Visier zu nehmen und sie locker zu verfolgen, ohne sie jedoch schon zu kaufen - schließlich kann die Depressionswarnung von Madame Lagarde ja doch noch berechtigt sein, falls die taktischen Spielchen um den Euro so wie bisher weiter gehen, ohne dass wirklich etwas geschieht.


© Manfred Gburek
www.gburek.eu



Herr Gburek ist Fachjournalist und Buchautor. Seine letzten Werke waren: "Das Goldbuch" (2005), das Wörterbuch "Geld und Gold klipp und klar von A bis Z" (2007) und "Die 382 dümmsten Sprüche der Banker" (2008).



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