EU und Inflation - Krugman und die Austrians
18.12.2011 | Klaus Singer
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Krugman hat wahrscheinlich recht in dem Punkt, dass das Öffnen der Liquiditätsschleusen eine deflationäre Spirale stoppen konnte. Die zusätzliche Liquidität blieb im Finanzsektor der Wirtschaft. Wo sie nicht in den schwarzen Löchern des "deleveraging" verschwand, inflationierte sie die Asset-Preise.Damit die Zentralbankliquidität die Preise in der Real-Wirtschaft hoch treiben kann, muss sie vom Finanz- in den Real-Sektor herüberschwappen. Genau das wurde mit QE2 versucht und zeigte auch insofern Wirkung, als der CPI von November 2010 bis November 2011 um 3,4% (der PPI um 5,9%) gestiegen ist. Der gesamte Preisanstieg zwischen September 2008 und November 2011 wurde also in den zurückliegenden 12 Monaten erzeugt!
Ein anderer Versuch, die Zentralbankliquidität vom Finanz- in den Real-Sektor herüberschwappen zu lassen, war übrigens die großzügige Vergabe von Immobilienkrediten nach 2003. Sie führte zu Extra-Einkünften, die die private Nachfrage auf ein so hohes Niveau katapultierte, wie es durch "ehrliche" Arbeitseinkommen nie hätte erreicht werden können. Den Ausgang dieses Experiments kennen wir.
Seit September verlieren die Inflationsindikatoren in den USA an Tempo. Das Verhältnis zwischen CPI und PPI hat im Juni einen Tiefpunkt markiert. Der PPI fällt schneller als der CPI. Da die Produktionsseite zudem etwas vorläuft, dürfte das einen weiteren Fall des CPI ankündigen. Dadurch wird das Preisverhältnis zwar etwas weniger "ungesund", aber das ist erst einmal nur eine Tendenz.
Beachtenswert ist darüber hinaus, dass das Verhältnis zwischen dem Rohmaterial-PPI und dem "final goods"-PPI sich hartnäckig bei der kritischen Schwelle von 1,3 hält - ein Zeichen von Preisdruck aus dem Rohstoff-Sektor, der weder innerhalb der Produzentensphäre weitergegeben werden kann, noch an den Konsumgütersektor übertragen werden kann (unterproportionale Entwicklung des CPI). Das deutet Druck auf die Unternehmensgewinne an!
Die Inflationserwartungen, wie sie sich aus der Rendite-Entwicklung und dem Goldpreis ergeben, haben ihren Zenith erst einmal überschritten (siehe Chart!). Auch das spricht dafür, dass die Preise zunächst nicht weiter steigen. Die abzusehende konjunkturelle Verlangsamung ist ein weiteres Argument für nachlassenden Preisdruck. Als hinzukommendes Argument mag gelten, dass die monetäre Basis in den USA seit August um gut 2% abgenommen hat.
Wer hat recht - Krugman oder die Austrians? Beide auf unterschiedlichen Ebenen. Krugman und die Gilde "moderner" Volkswirtschaftler hängen der Illusion an, sie könnten in der Wirtschaft alles steuern. Das stimmt auch so lange, so lange die Veränderungen im Wirtschaftsgefüge klein sind. Das sie den Schock des offenen Ausbruchs der Finanzkrise überwinden konnten, spricht für ihr ausgefeiltes Instrumentarium. Was sie nicht können, ist die Ursachen zu beheben - im Gegenteil, das Potenzial für die nächste, noch schwerere Krise wurde gerade mit diesen Maßnahmen erheblich erhöht.
Und hier setzt die Erklärung der Austrians an. Denn der Zusammenhang zwischen Preisen und Geldmenge besteht sehr wohl. Es kommt dabei erstens darauf an, in welchem Sektor welche Geldmenge die Preise bestimmt. Zweitens spielt die Erwartungen der Wirtschaftssubjekte eine große Rolle, das gilt besonders für die Realwirtschaft. Wenn sich hier Erwartungen von nachhaltigen Preissteigerungen von mehr als 5% p.a. manifestieren, dürften sich zwar Alt-Schuldner mit lang laufenden Festzinsverträgen freuen, aber den Geldpolitikern dürfte es trotz ausgefeiltem Instrumentarium kaum noch gelingen gegenzusteuern. Das Geldsystem tritt dann von seinem stationären in den chaotischen Zustand ein. Genauso auf der deflationären Seite, wobei hier die kritischen Schwelle schon unterhalb von einem Prozent liegen dürfte.
Was bedeutet die Annahme nachlassenden Inflationsdrucks für die einzelnen Asset-Klassen? Darum wird es in einem der nächsten Beiträge gehen. Nur so viel vorab: Die Inflations-Illusion hat zunächst ausgedient - siehe auch den "realen" S&P 500 am "Anschlag" im Chart der Inflationserwartungen. Da auch das KGV (etwa im S&P 500) noch keineswegs günstig ist, fehlt "Inspiration". Auch verschiedene Unternehmensmeldungen der zurückliegenden Tage stimmen nicht gerade positiv für die kommende Quartalssaison.
Jahresend-Rallye? Unabhängig von den mittelfristigen Aussichten stehen die Chancen für eine kurzfristige Expansion jetzt nicht schlecht. Die Volumenverteilung im S&P 500 hat mit dem Großen Verfallstag auf "Akkumulation" gedreht (siehe Chart!). Bleibt das so, wäre das per se ein bullisches Zeichen. Kurzfristig.
Erwähnte Charts und Beiträge können hier eingesehen werden: http://www.timepatternanalysis.de/Blog/
© Klaus G. Singer
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